Das ist Realität: heute und direkt in unserer Nachbarschaft
In Ludwigshafen gibt es ein „Wohngebiet mit besonderem Förderbedarf“ - denn Brennpunkt darf man aufgrund der political correctness nicht mehr sagen - die Bayreuther Straße.
Dort wird niemand älter als 50 Jahre. 300 Menschen leben dort seit sechs Generationen, in einem als Übergangswohngebiet auf einem ehemaligen Handgranatenübungsplatz angelegten Viertel aus den 60er und 70er Jahren. Nun ergänzte die Stadt das Ghetto um 100 Geflüchtete.
Es gibt keinen Bus, keinen Arzt, keine Infrastruktur, keine Begegnungsstätten, nur Müll. Sperrmüll, Abfall, Schimmel - ein Schutzwall aus Unrat. Die Stadt entsorgt ihn nur sehr sporadisch, verbirgt er doch was dahinter lebt. Die Zufahrtsstraße ist gesperrt, kein Auto kann hineinfahren. Die S-Bahn fährt unterirdisch vorbei.
Niemand nimmt das Ghetto wahr: man sieht es nicht, man hört es nicht. Die Wohnungen sind verrottet und verschimmelt, die Bewohner wurden von allen aufgegeben. Die Stadt tut nichts gegen die Situation, sie unterbindet sogar Selbsthilfe. Die Hausmeister haben Polizeirecht.
Hoffnung gibt hier das Projekt upcycling: aus Sperrmüll bauen die Bewohner Trend-Möbel, die über Peer 23 (Internetplattform http://peer23.org, Friesenheimer Insel) Marktzugang finden sollen. Straßensozialarbeiter Johannes Hucke (Ökumenische Fördergemeinschaft Ludwigshafen GmbH, www.foerdergemeinschaft.de) wünscht sich einen Werkstatt-Doppelcontainer, in dem die Bewohner arbeiten können. Er hat keine Sorge, daß Werkzeug geklaut wird: "die Bewohner passen auf ihre Materialien und Werkzeuge auf, es sind ja ihre".
Marieta Hiller, März 2017