Am Wochenende vom 28./29. Oktober 2023 fand in Erbach ein von der HVT (Hessische Vereinigung für Tanz- und Trachtenpflege) geförderter Mammutelfenbein-Schnitzkurs statt. Die HVT hat nicht nur das Ziel, heimatverbundene Trachten, den Volkstanz, heimische Mundart sowie altes Brauchtum zu bewahren, sondern möchte auch „aussterbendes“, traditionelles Handwerk unterstützen. Dazu gehört die Elfenbein-Schnitzkunst in Erbach.

Foto: BartlVom Verschönerungsverein Reichenbach kam dieser Bericht:

Die Elfenbeinverarbeitung brachte Graf Franz I. zu Erbach-Erbach (1754-1823) in den Odenwald. Der Graf war von der Kunst des Elfenbeinschnitzens begeistert und stellte selbst mehrere Schnupftabakdosen aus diesem Material her. Die Dosen sind mit vielen weiteren Elfenbein-Exponaten im Museum im Erbacher Schloss ausgestellt.

Im 19. und 20. Jahrhundert entwickelte sich in Erbach ein florierendes Elfenbein-Gewerbe mit zahlreichen Betrieben.

Nach dem Artenschutzabkommen und dem Importverbot für Elfenbein Ende der 1980er Jahren schlossen fast alle Werkstätten in Erbach. Einer der wenigen Betriebe, in denen das alte Handwerk noch angeboten wird, befindet sich in Erbach-Günterfürst. Es ist die Werkstatt des Diplom-Designers und Elfenbeinschnitzers Bernhard Röck. Bei ihm finden die Elfenbeinschnitzkurse statt. Gearbeitet wird allerdings nicht mehr mit Elfenbein, sondern mit Ersatzmaterialien - beispielsweise Mammutelfenbein.

Mammutelfenbein lässt sich durch seine Einfärbungen und seine holzähnlichen Maserungen klar von Elefantenelfenbein unterscheiden, sodass eine Verwechslung nicht möglich ist. 1991 unternahm Bernhard Röck sogar persönlich eine Reise zu den russischen Permafrost-Gebieten, um von dort Mammut-Stoßzähne nach Erbach zu bringen. Im Hof der Werkstatt in Günterfürst stehen einige lebensgroße Mammutfiguren, die an die ausgestorbenen Vorfahren erinnern.

Als weiteres Ersatzmaterial wird neben südamerikanischen Harthölzern, sowie Horn und Geweihen, die Tagua-Nuss verwendet. Sie ist eine Palmenfrucht und nach der Trocknung sehr hart. Als Anfänger im Schnitzkurs startet man erst einmal mit einer solchen kostengünstigeren Nuss.

Der Schnitzkurs wurde von Antonia Schroeter betreut, die vor kurzem erfolgreich ihre Gesellenprüfung als Elfenbeinschnitzerin abgelegt hat.

Deutschlandweit einmalig kann man an der Berufsfachschule in Michelstadt den Beruf des Elfenbeinschnitzers erlernen. Dort wurde auch Antonia Schroeter ausgebildet. Den Samstagkurs betreute sie in hervorragender Weise alleine, beim Sonntagskurs wurde sie von Angelina Hristova unterstützt. Zu Kursbeginn erfolgte zunächst eine Einführung in die Materialkunde, es schloss sich eine Einweisung zur Maschinennutzung an. Es geht um millimetergenaues Arbeiten und immer wieder um Sägen und Bohren, sowie Schleifen und Polieren. Man arbeitet mit Feinbohrern, die man mit dem „Werkzeug der Zahnärzte“ vergleichen kann.

Schwierig war die Entscheidung, das passende Mammutelfenbein-Stück im „Röck’schen Vorratslager“ zum jeweilig persönlich geplanten Projekt (Schmuck, Dekorationsgegenstand, …) zu finden. Nach erfolgreicher Auswahl ging es los und mit großem Eifer wurden die Werkstücke bearbeitet. Das Material ist sehr hart und die Bearbeitung braucht Zeit. Man benötigt ein wenig Geduld und räumliches Vorstellungsvermögen, bis aus dem Rohling langsam das angestrebte Objekt entsteht. Einige Kursteilnehmer entschieden sich, zusätzlich zum Mammutelfenbein-Werkstück beispielsweise Bernstein zu verarbeiten. Letztendlich vollendeten alle erfolgreich ihre Projekte.

Es entstanden individuell sehr unterschiedliche Objekte, jedes anders und jedes für sich wunderschön. Beeindruckend ist die Vorstellung, dass man mit seinem fertiggestellten Werkstück einen Gegenstand in der Hand hält, der aus einem Material besteht, das mehrere zehntausend Jahre alt ist – einfach faszinierend.

Jürgen Walther am Samstag und Beate Busch-Flemming am Sonntag, beide von der HVT, hatten die Teilnehmer/innen in der Mittagspause mit leckerem Kochkäse, Tortellini- und Obstsalat sowie Nussecken versorgt. Aufgrund der netten Gruppenatmosphäre, der guten Betreuung und der tollen Werkstücke, die in dem Kurs entstanden sind, gingen alle Teilnehmer/innen zufrieden nach Hause. Es hat Spaß gemacht und die meisten wollen im nächsten Jahr wiederkommen.

Quellen und weiterführende Informationen:

https://trachtenland-hessen.de/hvt

https://www.schloesser-hessen.de/de/schloss-erbach/geschichte

https://elfenbeinmuseum.de/info-service/besucherservice/museumswerkstatt/

https://mammut-poa.de

https://www.berufsfachschule-holzelfenbein.de/

https://www.chemie.de/lexikon/Elfenbein.html

Bericht: Verschönerungsverein Reichenbach, Foto Bartl