Hier schreibt Vivian Glover, Betreiberin der SoLaWi "Gemüsegarten Hoxhohl" über tierische Produkte in der Ernährung:

Vorab möchte ich deutlich machen, dass ich gut nachvollziehen kann, wenn jemand aus persönlichen Gründen kein Fleisch oder gar keine tierischen Produkte essen möchte. Ob der Verzehr von tierischen Produkten klimaschädlich und nicht nachhaltig ist, hängt aber ausschließlich davon ab, wie diese Tiere gehalten und auch ernährt wurden.

Oft werden die Kühe mit ihrem Methanausstoß als "Klimakiller" dargestellt. Wie klimarelevant sie aber tatsächlich sind, hängt ganz stark davon ab, wie sie gefüttert und gehalten werden: intensiv mit Kraftfutter oder extensiv auf Grünland. Viel relevanter was Treibhausgase betrifft, ist nämlich der Anbau des Kraftfutters, in der Regel in Monokulturen und gedüngt mit chemisch-synthetischen Stickstoffverbindungen. Das führt zu massivem Humusabbau, einer Verarmung des Bodenlebens und dadurch zu starken Bodenverdichtungen durch fehlender Bodenstruktur. Verdichtete Böden verlieren nicht nur einen Großteil ihres Wasserhaltvermögens (was dann zu einem ganzen Rattenschwanz anderer Probleme führt), sondern gasen außerdem große Mengen Lachgas (N2O) aus. Die Klimarelevanz von Lachgas ist 300-mal so hoch wie die von CO2 und 12-mal so hoch wie die von Methan... Wenn aber nun die Kuh auf der Weide gehalten wird, kann sie im Gegenteil einen großen Beitrag dazu leisten Humus zu bilden, Futter für das Bodenleben zu produzieren, Bodenverdichtungen aufzubrechen, das Wasserhaltevermögen zu vergrößeren und Kohlenstoff langfristig im Boden zu speichern.

Beitrag von Rindern zum Humusaufbau und damit Bindung von Kohlenstoff im Boden:

Gräser können bis zu tausend Jahre alt werden (die Sorten, die in unseren Breitengraden wachsen, immerhin bis zu 500 Jahre) und locker mehrere Meter tief wurzeln, wenn der Boden nicht verdichtet ist und sie nicht überweidet werden. Beim Wachsen nehmen sie tonnenweise CO2 auf und lagern den Kohlenstoff in Form von Wurzelausscheidungen und den Wurzelteilen, die sie beim Wachsen abstoßen, in den Boden ein. Beweidung spielt dabei eine wichtige Rolle, denn nur der regelmäßige Verbiss zusammen mit den tierischen Ausscheidungen regt sie ausreichend an, mehr Wurzeln zu bilden. Wenn wir also nun dafür sorgen, dass sie zwar beweidet aber nicht überweidet werden, machen wir Grünland zu einem viel effektiveren und schnelleren Kohlenstoffspeicher als Wald und produzieren nebenher noch Nahrungsmittel in Form von Fleisch (Rinder und Geflügel)! Das Ganze nennt sich dann Mob Grazing oder Holistically Planned Grazing und orientiert sich daran, wie in einem intakten Ökosystem Steppen (die Urform von Grünland) mit hindurchziehenden riesigen, gemischten Herden beweidet werden.

Es gibt mittlerweile in allen Bereichen Alternativen:

1. Milch und Molkereiprodukte - Aspekt Nachhaltigkeit: Die Fütterung der Tiere sollte grundfutterbetont sein oder ausschließlich aus Grundfutter (Gras, Heu, Silage) bestehen, das möglichst innerhalb einer regenerativen Landwirtschaft erzeugt wurde (Fokus Bodenaufbau). Natürlich ist dann die Milchleistung deutlich geringer (die Durchschnitts-Hochleistungskuh, die 40 l Milch am Tag gibt, braucht nunmal große Mengen an Kraftfutter (Getreide, Soja, Mais) und stößt auch mehr klimaschädliche Gase aus. Wenn die Tiere außerdem in einem regenerativen Kontext auf die Weide gehen, tragen sie zum Bodenaufbau und damit der Bindung von CO2 bei. Mehr Infos hierzu in dem interessanten Heft: Vom Mythos der klimasmarten Landwirtschaft

Aspekt Tiergerechtheit: Muttergebundene oder zumindest ammengebunde Kälberaufzucht sind hier immens wichtig und bei weitem alles andere als der Standard. Auch auf Bio-Betrieben werden die Kälber nach 1 bis 7 Tagen von der Mutter getrennt und aus dem Eimer getränkt. Es gibt immer mehr Betriebe, die auf diese Praxis verzichten und die Kälber drei bis 4 Monate an der Mutterkuh oder einer Ammenkuh trinken lassen. Auch das hat natürlich Auswirkungen auf die Milchmenge. Wichtig ist auch keine Enthornung der Tiere und möglichst auch keine hornlos gezüchteten Tiere: die Hörner sind extrem wichtig für die Kommunikation untereinander, je älter eine Kuh ist, desto länger sind ihre Hörner. Zu Verletzungen für Mensch oder Tier kommt es nur, wenn nicht genug Platz vorhanden ist. Ein weiterer wichtiger Punkt ist neben dem Weidegang im Sommer (ein ganzjähriger Weidegang ist bei unseren Wetterbedingungen allenfalls für sehr robuste Rassen wie Highland oder Galloway akzeptabel) die Mast der männlichen Nachzucht auf dem eigenen Betrieb. Da bisher die Strukturen für eine Bio-Bullenmast von männlichen Milchviehkälbern fehlt, muss der Großteil an konventionelle Mastbetriebe verkauft werden. Wenn ein Betrieb die Bullenkälber behält, muss er eine sehr gute Direktvermarktung haben. Zum Schluss darf hier der Aspekt der Schlachtung nicht fehlen. Das Non-Plus-Ultra ist hier selbstverständlich die Schlachtung auf dem Herkunftsbetrieb oder der Weideschuss. Nachdem das Genehmigungsverfahren hierzu nach jahrelanger Lobbyarbeit deutlich vereinfacht wurde, dürften hoffentlich in den nächsten Jahren immer mehr Betriebe dazu übergehen.

Aspekt Lebensmittelqualität: Die Grundqualität der Milch wird bestimmt natürlich das Futter und die Haltung der Kuh (s.o.). Je schneller die Milch verarbeitet wird, je weniger sie gekühlt wird, und je kürzer die Leitungen zum Kessel oder Milchtank sind, desto besser bleibt ihre Qualität auf dem Weg in die Flasche (nicht homogenisiert =  größere Fettpartikel =  bessere Verträglichkeit). Es gibt Betriebe die ihre Milch täglich verarbeiten und vorher gar nicht mehr runterkühlen. Gereifte Rohmilchkäse sind übrigens (in Bioqualität) nur möglich, wenn die Kühe keine Silage gefüttert bekommen (konventionell gibt man Hemmstoffe dazu, um Spätblähungen durch Clostridien zu vermeiden).

Bezugsquellen: Der Betrieb, der den Großteil der Kriterien in der Milchviehhaltung erfüllt und in erreichbarer Nähe ist, ist das Hofgut Oberfeld in Darmstadt. Kathrin Goebel ist dort für die Tierhaltung zuständig und geht mit ihren Konzepten von Anfang an voraus. Die Qualität der Milch ist dort so gut, dass sie, gekühlter Transport nach Hause vorausgesetzt, problemlos 2, wenn nicht gar drei Wochen hält. Im Kühlregal findet man außerdem neben Rohmilchquark verschiedene Joghurts und in der Käsetheke eine Auswahl von mittlerweile mehr als 20 eigenen Käsen. (Bisher keine Schlachtung auf dem Herkunftsbetreibe, aber sonst alles, was ich erwähnt habe.)
Meine ehemalige Studienkollegin und sehr gute Freundin Anja Hradetzky vom Hof Stolze Kuh (klicken für Link) in der Oderaue in Brandenburg hat zusammen mit ihrem Mann ein ähnliches Konzept umgesetzt und verschickt ihre Produkte gerne auch hierher. (Erfüllt alle genannten Kriterien inkl. Weideschuss plus ganzjährige Weidehaltung (dort ist es deutlich trockener im Winter), plus saisonale Abkalbund (d.h. die Kälber werden im Frühjahr geboren) plus Beweidung von Nationalparkflächen.

Fortsetzung folgt...

Gemüsegarten Hoxhohl | Inh. Vivian Glover
Am Sonnenhügel 5 | 64397 Modautal