Wechselvoll ist die Geschichte unserer Heimatregion: Alle hatten ein Wörtchen mitzureden...
... nur die Bewohner nicht...

Vom heiligen römischen Reich Deutscher Nation über das Großherzogtum Hessen-Darmstadt zum Bundesland Hessen; vom Katholizismus zum reformatorischen, lutherischen oder evangelischen Glauben - die Wechsel im Odenwald fanden oft mehrmals innerhalb weniger Generationen statt. Die Einwohner, damals noch Untertanen genannt, hatten stets die Religion ihrer Herrschaft anzunehmen. Noch bis 1813 herrschte die Leibeigenschaft. Man konnte nicht einfach heiraten wen man wollte und nicht dorthin ziehen wo es einem gefiel.

1821 erließ Großherzog Ludwig II. von Hessen-Darmstadt eine Verordnung zur „Eintheilung des Landes in Landraths- und Landgerichtsbezirke“. Die bis dahin bestehenden Ämter wurden zu Landratsbezirken. Erstmals wurde nun eine Trennung von Justiz und Verwaltung vollzogen. Unser aktuelles Land Hessen wurde 1945 gegründet, die Landkreise Darmstadt-Dieburg und Bergstraße (vormals Starkenburg) sind also älter als das Land.
Die Gemeinde Lautertal wird im kommenden Jahr  50 Jahre alt, Modautal dagegen erst 2027. 1977 wurde aus 11 selbständigen Ortsteilen die Großgemeinde. Die Kernzelle für Modautal wurde am 1. April 1971 von Allertshofen und Hoxhohl gebildet, am 31. Dezember 1971 wurden Lützelbach und Neunkirchen nach Brandau sowie Herchenrode nach Ernsthofen eingemeindet. Gut fünf Jahre später bildete sich die heutige Gemeinde Modautal.
Die Besiedelung des Odenwaldes liegt sicher einige Jahrtausende zurück, doch muß die Bevölkerungsdichte zur Zeit der keltischen Besiedelung recht beachtlich gewesen sein: schon der keltisch-germanische Heerbann hatte die ursprünglich freien Bauern unter den militärischen Schutz des Adels gebracht, wie Rainer Hubertus auf www.modautal.de schreibt. Die Dörfer Allertshofen, Asbach, Brandau, Ernsthofen, Herchenrode, Hoxhohl, Klein-Bieberau, Lützelbach, Neunkirchen, Neutsch und Webern waren im Mittelalter verschiedenen Rittergeschlechtern abgabepflichtig. die oft gleichzeitig in den einzelnen Hofreiten Rechte auf den "Zehnten" besaßen. So hatten die Herren von Rodenstein, von Frankenstein, von Mosbach, Kalb von Reinheim, Stumpf von Asbach, von Wallbrunn etc. Anspruch auf Abgaben, auch die Kirche verlangte den Bauern einiges ab.
In Lützelbach geriet man vor einigen Jahren in einen heftigen Streit über die Ersterwähnung, also wann die entsprechende Jubiläums-Feierlichkeit stattfinden sollte. Über die Frage, ob Lützelbach nun 675 oder 700 Jahre alt ist, lesen Sie mehr hier. Auch für Neunkirchen gibt es Durcheinander: warum das Höhendorf im Jahr 2022 nicht seine 800-Jahr-Feier begeht, legt Ortsvorsteherin Sabrina Bormuth dar.

Hammelbach: Beispiel wechselnder Herrschaften

Peter W. Sattler erläuterte im Herbst bei der Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft der Geschichts- und Heimatvereine des Kreises Bergstraße eine ähnlich wechselvolle Geschichte am Beispiel von Hammelbach. Die Ersterwähnung geht auf das Jahr 795 zurück, während die anderen Ortsteile um 1300 ihre Ersterwähnung finden. Die Zugehörigkeit der Orte zur Chur Pfalz bzw. zur Chur Mainz währte bis zum Jahre 1802. 795 wird Hammelbach als Richgisesbura in der Heppenheimer Markbeschreibung erwähnt.
Die Urbesiedelung liegt nach neuesten Erkenntnissen in der Keimzelle Waldau im Ulfenbachtal, Hier solle es eine Wasserburg namens Waldau gegeben haben, die heute in der Landschaft nicht mehr sichtbar ist. Aus Waldau wurde Wahlen. Im 12. Jahrhundert wanderten Klosterbesitzungen in weltliche Hände: Pfalzgrafen, Mainzer und Erbacher Fürstenhöfe teilten den Odenwald unter sich auf. Die Waldau wurde damals als Sperrburg gegen die Pfalzgrafen erbaut, um die Aicher Zent vor gierigem Zugriff zu schützen. Laut Sattler müsse die Aicher, Affolterbacher und Hammelbacher Zent zu erbachischem Territorium gehört haben. Die Burg wurde jedoch gewaltsam gestürzt.
Es gibt aus der Besiedlungszeit keinen Meier- oder Zenthof und keine Pfarrkirche. Im Kirchspiel Güttersbach (Mark Michelstadt) liegt die Mutterkirche des oberen Ulfenbachtals, erbaut 1249. Sattler vermutet daher die Keimzelle der Aicher Zent in Güttersbach. örtliche Sagen und die Flurnamen „in der großen / kleinen Harras“ deuten darauf hin. Demnach war die Aicher Zent anfangs größer und wurde später geteilt: in Güttersbacher (Erbachisch) und Affolterbacher Zent (Pfälzisch). Gerichtsorte (mit Galgen) waren Beerfelden und Hammelbach. Die Aicher Zent hatte also eine rein weltliche Struktur ohne religiöses Urzentrum.
Im Zuge dieser Geschehnisse bekam Beerfelden übrigens unversehens Stadtrechte: als Pfalzgraf Ludwig (der Bayer) König werden wollte, verbündeten sich Erbach und Mainz gegen die Pfalz. Ohne die Stimme der Mainzer konnte der Pfalzgraf aber nicht gewinnen und verlieh daher Beerfelden Stadtrechte, allerdings mit der Auflage daß diese nie befestigt werden durfte. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste...
Noch heute hat die Region im Volksmund sprechende Namen: während die Odenwälder Pfälzer die Erbacher Gebiete "die Grafelänner" nennen, heißen die pfälzischen Gebiete "die Palz". Ganz Genaue unterscheiden zwischen Weinpfalz und Steinpfalz; mit letzterer ist der pfälzische Odenwald gemeint. 

Marieta Hiller, November 2021