Ja, es stimmt: der Wolf ist im Odenwald, viel gefährlicher aber ist die Wildsau ...
Seit September 2017 ist es Gewißheit: ein Wolf streift durch den Odenwald. Im November wurden Wolfsrisse in Mossau nachgewiesen. Da Wölfe nachts bis zu 80 Kilometer Strecke zurücklegen können, ist es möglich, daß er auch unsere Region besucht.
Zeichnung: M. Hiller
Der Wolf war zuerst da: wie begegnet man ihm als Mensch?
Der Wolf geht dem Menschen grundsätzlich aus dem Weg. Auf keinen Fall darf er angelockt, bestaunt und gefüttert werden. Er ist ein Wildtier, das unsere Achtung verlangt.
Der Mensch setzt seit Urzeiten das Feuer als Wärmequelle und Kochmöglichkeit, aber auch als Schutz gegen wilde Tiere ein. Bei Tag ist es nicht gefährlich, den Wald zu besuchen.
Sie werden den Wolf nicht zu Gesicht bekommen, auch wenn er da ist. Gefährlich wird ein Wolf nur, wenn er gelernt hat, daß der Mensch eigentlich ein guter Futterspender ist. Daher sollten auf keinen Fall Lebensmittel (auch nicht die Verpackungen!) weggeworfen oder gar ausgelegt werden.
Sollte es trotz allem zu einem Wolfsangriff kommen, empfielt der Survival-Experte Kai Sackmann (Sacki) die gleichen Tipps wie bei Hundeangriffen:
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An allererster Stelle steht der Grundsatz, der für das Verhalten mit allen Tieren gilt: Ruhig verhalten und dem Tier die Möglichkeit geben sich zurückzuziehen.
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Auf keinen Fall sollte man sich einfach Umdrehen und Weglaufen, denn dieses Verhalten könnte von jedem Raubtier als beutetypisches Fliehen gewertet werden.
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Allgemein wird auch immer empfohlen sich selber möglichst groß zu machen, um dem Tier eine besondere Größe und damit Gefährlichkeit vorzutäuschen. Man sollte also immer aufstehen und könnte zusätzlich auch noch die Arme nach oben ausstrecken, Lärm machen, als Gruppe zusammenbleiben.
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Feuer kann als Schutz gegen wilde Tiere helfen
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Viele Naturvölker schützen sich durch wallartige Bauten rund um einen Lagerplatz oder, wenn dies nicht möglich ist, durch eine erhöhte Schlafposition an für Raubtiere unerreichbaren Stellen.
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Sollte es zu einem Wolfsangriff kommen, kann man sich wohl nur an die Tips zum Umgang mit Hundeangriffen halten. Und hier werden als letzte Maßnahmen, Hiebe in Richtung der Augen und der empfindlichen Nase empfohlen. Auch Stockschläge in den Nacken des Tieres könnten eine hilfreiche Wirkung zeigen.
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Hundebesitzer sollten sich darüber bewusst sein, dass ein Hund von Wölfen immer als Revier-Eindringling gesehen werden wird. Und Eindringlinge werden von Wolfsrudeln vertrieben oder getötet.
- Kai Sackmann hat auf seiner Seite zwei kleine Filme zum Thema Verhalten gegenüber dem Wolf eingestellt.
Weitere nützliche Infos zum Wolf bietet der Naturschutzbund Deutschland e.V., speziell Markus Bathen. Hier gibt es die wichtigsten Fragen zum Wolf und die NABU-Antworten. Suchwort "Wolf" eingeben...
Heute lebt man als Survival-Experte draußen im Wald, früher waren es die Räuber - und ihr Leben war alles andere als romantisch, auch ohne Wolf.
Ich wünsche viel Spaß beim Schmökern auf diesen Seiten in der warmen Stube - und halten Sie die Ohren auf, ob draußen in der Nacht nicht ein Heulen zu hören ist...
Was der Wolf für das Ökosystem tut:
Was frißt der Wolf wirklich? Kleine Zicklein, wehrlose Großmütter, hilflose Kinder – das frißt der Wolf am liebsten, schenkt man den alten Märchen Glauben. Doch auch wenn bereits Jahrhunderte vergangen sind, hält sich die Mär vom zähnefletschenden, kinderfressenden Wolf hartnäckig.
Forscher räumen nun mit den Gerüchten auf. Denn: Menschen stehen definitiv nicht auf der Speisekarte. Viel lieber mag Canis lupus Wildtiere, die sich mit ihm den Lebensraum Wald teilen.
Ganz selten steht auch mal ein Nutztier auf der Speisekarte, doch nur, wenn diese nicht ausreichend geschützt sind. Die Hinweise auf die genaue Zusammenstellung der Speisekarte des Wolfes liefert das Senckenberg-Forschungsinstitut in Görlitz, das zehn Jahre lang Kotproben von Wölfen aus der sächsisch-brandenburgischen Lausitz analysiert hat.
Mehr als 2.000 Proben untersuchten die Zoologen auf unverdaute Hinterlassenschaften wie Haare, Knochen, Hufe oder Zähne der Beutetiere. So konnten die Forscher ein genaues Bild von der Ernährung der Wölfe zeichnen. Demnach stellen wilde Huftiere mehr als 96 Prozent der Beutetiere.
Dabei dominieren Rehe (52,2 Prozent), gefolgt von Rothirsch (24,7 Prozent) und Wildschweinen (16,3 Prozent). Einen geringen Anteil machen Hasen mit knapp drei Prozent aus.
Nutztiere hingegen, wie zum Beispiel Schafe, stehen nur sehr selten auf der Speisekarte. Weniger als ein Prozent macht ihr Anteil aus. „Solange Schafe gut geschützt sind, meiden Wölfe die Gefahr, mit Elektrozäunen oder Herdenschutzhunden in Kontakt zu kommen“, so Bathen. Dabei reicht ein Zaum von 90 Zentimetern Höhe schonvollkommen aus. Herden sollten also stets gut geschützt sein. Quelle: NABU
Wolfsbotschafter informieren
Der Wolf war seit 150 Jahren aus unserem Alltag verschwunden gewesen. Seit dem Jahr 2000 aber gibt es wieder Wölfe in Deutschland, inzwischen neunzehn Rudel u.a. in der Oberlausitz und in Sachsen-Anhalt.
Unsere Kulturgesellschaft ist vom Wolf eher traumatisiert, man denke nur an die Darstellung des bösen Wolfes in zahlreichen Märchen. Schäfer und Jäger mögen ihn auch nicht sonderlich, und so konnte es geschehen, daß ein übereifriger Jäger einen vermeintlichen Hund erschoß, bevor er erkannte daß er einen Wolf vor sich hatte.
Tatsächlich aber reißen Wölfe im Normalfall weder Kinder noch Schafe, sie ernähren sich hauptsächlich von Rehwild, Rotwild und Wildschweinen. Der Anteil gerissener Nutztiere in Deutschland liegt unter 1 %.
Zwischenzeitlich gibt es eine bundesweite Initiative des NABU: Wolfsbotschafter im NABU-Projekt „Willkommen Wolf“ bauen ein Netzwerk von Ehrenamtlichen für den Wolf auf. Die Wolfsbotschafter informieren in ihrer Umgebung, halten Vorträge und leiten gegebenenfalls Wolfshinweise (z.B. Fährten, Kot, Risse) verläßlich an die in der Region arbeitenden Experten weiter.
Der NABU hat hierzu ein ausführliches Positionspapier formuliert, in dem er sich unter anderem strikt gegen die Bejagung des Wolfes und für eine touristische Information über Wölfe ausspricht. Selbst einige Jagdverbände stehen dem Wolfsaufkommen in Deutschland eher sachlich gegenüber: so etwa der Landesjagdverband Schleswig-Holstein.
Seitenhiebe auf den NABU („Längst ausgediente Feindbilder immer aufs Neue heraufzubeschwören, ist kein praktizierter Wildtierschutz“ - Dr. K-H. Baasch, LJV Schleswig-Holstein e.V.) gehören auch hier zum Umgangston, aber man hat in Schleswig-Holstein 11 Jäger als Wolfsbetreuer intensiv geschult und unterstützt somit regelmäßig und dauerhaft das Monitoring, obwohl in Schleswig-Holstein noch kein Wolf gesichtet wurde.
Für den Deutschen Jagdverband liegt aktiver Naturschutz im Jagdrecht, da nach Ansicht der Jäger viele Wildtierarten gerade deshalb gedeihen, weil sie im Jagd- und Naturschutzrecht rechtlich verankert sind, so z.B. Seeadler, Fischotter und Seehund, deren Populationen sich in den letzten Jahren durch die Unterstützung der Jägerschaft hervorragend entwickeln konnten, so Dr. Baasch.
Auf der anderen Seite halten Naturschützer den Wolf für einen wichtigen Bestandteil der Biodiversität. Seine Rückkehr bringe für das Ökosystem große Vorteile: Wölfe tragen aktiv dazu bei daß Wildtierbestände vitaler werden und Ökosysteme natürlich im Gleichgewicht gehalten werden. Wölfe sorgen durch Erbeutung von meist schwachen Tieren dafür, daß nur die gesunden und starken Tiere sich fortpflanzen und damit einen kräftigen und gesunden Wildtierbestand bilden.
Die Reste der Wolfsmahlzeiten stellen für viele Aasfresser eine neue Nahrungs-quelle dar, viele Organismen finden so neue ökologische Nischen, das Nahrungsnetz wird größer, da diese Tiere wiederum eine Nahrungsgrundlage für andere Tiere darstellen. Bakterien, Pilze, Würmer, die sich um das restliche Aas kümmern, erzeugen aus dem toten Material wieder sehr nährstoffreiche Erde als Grundlage für viele Pflanzen.
Großwild wandert aufgrund der Anwesenheit von Wölfen mehr umher und gibt der Vegetation vor Ort mehr Zeit zum Nachwachsen, Wälder können sich besser verjüngen. Erosion, Erdrutsche und Hochwasser können so natürlich verhindert werden, wovon letztlich auch die Lebensgemeinschaften von Insekten, Fischen, Vögeln über Biber bis hin zum Menschen profitieren.
Die Berliner Zeitung berichtet von den Bibern im Yellowstone-Nationalpark (USA), die sich eigentlich bei den Wölfen bedanken müßten: Wölfe haben das dortige Ökosystem so verändert, daß die Lebensbedingungen für die Nager besser geworden sind. Vor achtzig Jahren war in der Yellowstone-Region der letzten Wolf geschossen worden, wodurch für Elche und andere Huftiere paradiesische Zeiten anbrachen. Pappeln und Weiden kamen kaum noch über eine Höhe von einem Meter hinaus, was das ganze Ökosystem veränderte. Nahrung und Deckung für kleinere Tierarten wurden knapp; abwechslungsreiche Strömungsverhältnisse in den Flüssen durch umgefallene Baumstämme wurden zur Seltenheit. Schließlich siedelte die Nationalparkleitung im Jahr 1995 wieder Wölfe an. Inzwischen gibt es rund 80 Wölfe, die die Elche bejagen. Diese fressen nun nur noch ungern an Stellen, wo sie nahende Feinde schlecht sehen können oder wo das Gelände keine rasche Flucht erlaubt. Folge: Weiden und Pappeln werden wieder zwei bis vier Meter hoch, und die Biber profitieren davon. Während es 1996 im nördlichen Teil des Parks nur eine Biber-Familie gab, lebten im letzten Jahr dort schon sieben Familien. (Quelle: William Ripple und Robert Beschta von der Oregon State University in Corvallis in BioScience Bd. 54, S. 755)
Was der NABU über Rotkäppchens Wahrheitsliebe und den Charakter des Wolfes sagt: Rotkäppchen lügt - Der Wolf im Märchen - Wahrheit oder schlechte PR? "Der Wolf ist uns aus vielen Märchen bekannt.
Jedes Kind lernt im frühesten Alter sich vor dem 'bösen Wolf' zu hüten und ihn zu fürchten. Ein Wissen, das sich über die Jahre in den Köpfen der Menschen festgesetzt hat. Eines der bekanntesten Märchen ist Rotkäppchen in der Version der Gebrüder Grimm, erschienen im Jahre 1812. Ein Jäger rettet das Rotkäppchen und seine Großmutter aus dem Bauch des Wolfes und füllt diesen stattdessen mit Steinen, was schließlich zum Tod des Tieres führt.
Jedoch wie sieht es aus, einmal die Perspektive des Wolfs in der Geschichte vom Rotkäppchen zu erfahren? Vielleicht erkennt man dann, dass die Geschichte lediglich eine Verkettung unglücklicher Ereignisse und somit eine über Jahrhunderte gut geführte negative PR-Kampagne ist? Zeigen Sie ihren Kindern auch die gute Seite des Wolfs auf und geben Sie diesem selten gewordenen Tier eine Chance auf Zukunft. Viel Spaß beim Lesen!" Quelle: NABU
Wildnis braucht er nicht - und zu Gesicht bekommt man ihn auch nicht: der Wolf
2013: Von Natur aus würde Deutschland aus Wald bestehen. Nur durch den Einfluß menschlicher Kultur konnten Landschaften wie Heide und Streuobstwiesen entstehen, und sie bleiben auch nur mit Hilfe menschlicher Aktivität bestehen. Heidelandschaften werden durch Schafbeweidung freigehalten, es entwickeln sich weite Wiesenflächen mit vereinzelten Krüppelbäumen und Wacholderbüschen. Die Schafe sorgen dafür, daß die Vegetation niedrig bleibt, zugleich liefern sie mit ihrem Dung wertvolle Nahrung für die Pflanzen. So entsteht eine ganz eigene Pflanzengemeinschaft, in der natürlich das Heidekraut, auch Erika genannt, die auffälligste ist.
Wenn Sie nun das Bild einer Heide mit Schafen, Schäfer und Hütehund vor Ihrem inneren Auge sehen, dann sehen Sie noch etwas – oder besser: Sie sehen es nicht. Der Wolf schleicht um die Weide, auf der Suche nach Nahrung.
In einem sehr interessanten Vortrag berichtete im November 2013 Markus Bathen, Experte des NABU-Wolfsprojektes "Willkommen Wolf" von seinen Erfahrungen mit den Wolfsrudeln in der Lausitz. Im Naturschutzzentrum Bergstraße an der Erlache bei Bensheim warb er – wie während seiner ganzen Odenwaldtour - dafür, daß der Wolf eigentlich ein ganz normaler Zeitgenosse ist. Vor dem Bensheimer Naturschutzzentrum steht ein Stück der alten Wolfseiche, an der in Lorsch im Jahre 1847 der letzte Wolf aufgeknüpft worden ist. Heute steht er auf der roten Liste.
Bathen lebt auf einem Hof mitten im Lausitzer Wolfsrevier, und Wölfe gibt es dort schon seit 14 Jahren, Bathen ist seit 11 Jahren vor Ort. In dieser langen Zeit bekam er ganze vier Wölfe zu sehen. Sie sind unsichtbar, und sie gehen den Menschen konsequent aus dem Weg.
Zwei Wölfe in Hessen gesichtet - der Odenwald ist gutes Wolfs-Terrain
In Hessen wurden bisher zwei Wölfe gesichtet, einer stammt aus osteuropäischer Herkunft und durchstreifte den Reinhardswald, ein italienischer Wolf wurde bei Gießen gesehen. „Auch in Hessen kann der Wolf jederzeit auftauchen, aber es muß sich niemand vor ihm fürchten,“ so Bathen. Wölfe müssen mit ihren Kräften haushalten - immerhin läuft so ein Wolf in einer einzigen Nacht über 50 Kilometer! - und wägen daher sehr gut ab, ob sie ihre Energie im Kampf mit Menschen oder Hütehunden verbrauchen.
Die Tatsache daß 26 Rudel von sich aus eingewandert sind, spricht dafür daß sie sich hier wohlfühlen. Denn sonst würden sie sich nicht fortpflanzen. Wölfe besiedeln alle Klimazonen und waren schon in prähistorischer Zeit in Europa zuhause.
Wie Mensch und Wolf zueinander fanden
Beide – Mensch und Wolf – haben die gleiche Lebensweise. Bevor der Mensch seßhaft wurde, waren sie sich gegenseitig von Nutzen. Der Wolf fraß was der Mensch übrig ließ, dafür hielt er Wache wenn größere Jäger als der Mensch auf der Pirsch waren. Die Luftaufklärung übernahmen die Raben - das tun sie noch heute für die Wölfe.
Als der Mensch die Lebensweise des Jägers und Sammlers aufgab, als er seßhaft wurde und Landwirtschaft betrieb, hatte er keinen Nutzen mehr für den Wolf. Die Wölfe begannen Hunger zu leiden, doch die Menschen hatten Nutztiere, die appetitlich auf den Weiden grasten! Es entstand Konkurrenz, und das konnte nicht gut gehen. Die frühe menschliche Landwirtschaft war eine Subsistenzwirtschaft zur reinen Selbstversorgung. Jedes Schaf, das der Wolf sich holte, fehlte der Familie zur Ernährung.
In dieser Zeit wohl entstand auch das Bild vom bösen Wolf. Ein Archetypus wie die Drachen: präsent in unseren Köpfen, obschon unsichtbar. Die Folge: wir haben Angst vor ihm, obwohl wir ihn nicht kennen, nicht sehen.
Und wie es heute zwischen beiden klappt
Erst mit der Einführung der nachhaltigen Landwirtschaft konnten Wölfe und Menschen wieder zu Nachbarn werden. „Der Wolf braucht keine Wildnis“ - das ist die wichtigste Botschaft des NABU-Wolfsprojektes. Wölfe leben in direkter Nachbarschaft zu Menschen, ein Irrglaube ist es jedoch, daß Wölfe täglich Schafe oder gar Kinder reißen. Bereits zwischen 1945 und 1990 haben Wölfe versucht, in Deutschland einzuwandern, von 23 Tieren ist das bekannt. „Sie haben es nicht geschafft, weil wir es nicht erlaubt haben,“ so Markus Bathen.
Heute erlauben es die Menschen und ihre Lebensweise: 15 Rudel leben allein in der Lausitz, das sind etwa 120 Tiere. Sie benötigen 4500 Quadratkilometer an Lebensraum. Ein Rudel mit ca. 8 Tieren lebt auf 200 Quadratkilometern, die regelmäßig in der Nacht durchstreift werden. Ein einzelner Wolf braucht etwa 25 Quadratkilometer. Zum Vergleich nannte Markus Bathen das Stadtgebiet Stuttgart, wo auf ca. 25 Quadratkilometern 606588 Menschen leben. Der Lebensraum Lausitz mit 4500 Quadratkilometern reicht aus für 225000 Menschen und 15 Wolfsterritorien, Sicherheitsvorkehrungen für Menschen gibt es nicht, sie sind nicht erforderlich. 70 Verbände in der Lausitz arbeiten gemeinsam am Wolfsmanagement, von Tierschutzorganisationen über Forschungsprojekte bis zu den Tourismusverbänden.
Wolfswanderungen
Daß der Wolf keine Wildnis braucht, erläuterte Markus Bathen sehr anschaulich: eine Wölfin mit Sender zeigte den Forschern, wo sie des Nachts entlangwandert. Sie kommt nahe an die Gehöfte heran und marschiert mitten durch das Braunkohlerevier am Rand von Weißwasser, die Tagebauen Nochten und Reichwalde und quert mehrfach eine Landesstraße und die Bahnschienen. Ein solches Lausitz-Revier von etwa 200 Quadratkilometern „gehört“ jeweils einer Wölfin und ihrem Wolf. Sie bekommen pro Jahr etwa acht Wolfswelpen, von denen die Hälfte überlebt.
Das erste Jahr, ihre Kindheit, dürfen sie im Revier der Eltern verbringen. Diese Jährlinge machen sich sogar als Babysitter für den neuen Nachwuchs nützlich. Sobald sie das zweite Jahr erlangen und zu „Schnöseln“ werden, zu Jugendlichen, müssen sie sich ein eigenes Revier suchen und abwandern.
Die Wanderschaft ist notwendig um den Genpool ständig zu variieren, sonst degeneriert eine Population schon nach wenigen Jahrzehnten.* So kann es schon vorkommen, daß ein einziger Wolf (das NABU-Wolfsprojekt arbeitet mit implantierten Sendern) 1500 Kilometer wandert, bevor er sich niederläßt. Und so wandert Markus Bathen mit, kommt in den Odenwald und bereitet hier an vielen Orten den Boden für den Wolf, informiert und nimmt Bedenken fort. Denn der Odenwald ist - aus Wolfsaugen betrachtet – ein gut geeigneter Lebensraum.
Schafe vor dem bösen Wolf schützen
Doch wird sich unser Wolf, nennen wir ihn schon einmal Odenwaldwolf, weder an Wanderern auf dem Nibelungensteig noch an Schulkindern an der Bushaltestelle gütlich tun. Auch Schafe wird er in Ruhe grasen lassen, wenn die Bauern einige Grundregeln beachten: ein 90cm hoher elektrischer Zaun, der bis zum Boden reicht, genügt. Wölfe graben sich unter Hindernissen durch, und der Zaun wird ihnen auf die empfindliche Schnauze das Signal geben: „diese Schafe beißen!“
Zusätzlich wird oben auf dem Zaun ein einfaches weißes Band angebracht. Das genügt, um Wölfe am Überspringen zu hindern.
Unser Sprichwort „Durch die Lappen gehen“ hat nämlich genau daher seinen Ursprung: bei Treibjagden auf Wölfe wurden lange Leinen mit Lappen aufgehängt und die Wölfe dorthin getrieben. Durch die Lappen gingen sie nicht, davor scheuen sie zurück.
Die Lausitzwölfe haben in 14 Jahren ganze drei Kälber gerissen. Für Wolfsrisse oder auch wenn der Riß durch einen Wolf nicht ganz auszuschließen ist, bekommt der Bauer 100 % Entschädigung.
Eine sehr gute Investition zum Schutz von Schafherden ist auch ein ausgebildeter Hütehund. So können all die deplazierten Hirtenhunde, die auf dem Haustiermarkt gehandelt werden und sich überhaupt nicht als Familienhund eignen, vielleicht endlich wieder ihrer wirklichen Natur leben und Schafe hüten. Hütehunde sind sehr autonom, denn von ihrer Züchtung her sind sie bei der Wolfsabwehr auf sich allein gestellt. Und sie schaffen es, dem Wolf klarzumachen, wer der Chef der Herde ist. Kaum ein anderer Hund würde so etwas überleben, aber es muß auch daraus klarwerden, daß ein Hütehund nichts für Haus und Garten ist.
Schafe könnten also schon als Nahrungsquelle für unseren Odenwaldwolf ausscheiden. Was bleibt sind Wildtiere und: Mäuse.
In einem Wolfsrevier wird weniger Wild gerissen als vom Menschen gejagt
Wölfe sind sehr sparsame Tiere, sie gehen ökonomisch um mit ihren Kräften. Warum also Kilometer hinter einem Reh herhetzen, wenn die Wiese am Waldrand voller Mäuse ist! Doch wenn sie Wild reißen, dann entsteht ein „ökologischer Hotspot“: was der Wolf vom Kadaver übrig läßt, ist für Wildschweine und kleinere Fleischfresser wie Fuchs und Marder, für Vögel und Insekten ein Schlaraffenland. Markus Bathen rechnet vor: ein Wolfsrudel reißt auf 200 Quadratkilometern etwa 7,5 Tonnen Fleisch pro Jahr. Das entspricht 38 kg pro 100 Hektar und ist wesentlich weniger als die Menge an (vom Menschen) gejagtem Wild.
Und was ist mit dem Hund, unserem treuen Begleiter?
Auch unsere Haushunde werden nicht vom Wolf gefressen: Wölfe gehen uns und unseren Kumpanen konsequent aus dem Weg. Wird aber ein nicht angeleinter Hund zu „aufdringlich“ und will mit dem Wolf spielen oder zeigt Aggression, dann zieht er mit Sicherheit den Kürzeren.
Wolfsfährten von Hundefährten unterscheiden, und was hinten rauskommt...
Man kann übrigens Wolfsfährten nicht von Hundespuren unterscheiden, dazu sind beide zu eng verwandt. Eine klare Aussage gibt es erst, wenn man eine Fährte über 100 Meter verfolgt: der Wolf – sparsam und ökonomisch – schnürt gerade von A nach B. Der Hund hat hier was zu schnuffeln und dort etwas zu entdecken, hier muß markiert werden und dort gegraben. Ein Hund läuft also in wildem Zickzack über eine Fläche, das ändert sich erst nach einer mehrstündigen Wanderung. Wölfe nutzen auch gerne Bahnlinien, Feuerschneisen im Wald oder Waldwege und unterqueren Autobahnen ganz gelassen durch Unterführungen. Besonders auf Kreuzungen markieren sie gerne und hinterlassen ihren Kot.
Dieser wiederum interessiert die Wissenschaftler vom Wolfsprojekt stark, denn daraus lassen sich Rückschlüsse auf das tatsächliche Speisenangebot des Wolfes ziehen. Im Senckenberg-Institut in Görlitz lagern inzwischen über 1500 Kotproben. Demnach ernähren sich die Lausitzwölfe zur Hälfte von Rehwild, zu 25% von Hirsch, 17% Wildschweinen. Der arme Hase ist noch mit 3,6% vertreten. Den Rest von 4,4 % geht zu Lasten von Rotkäppchen, Haushund, Nachbarskindern und Schafen auf der Weide sowie eine Unzahl von Mäusen.
*Variantenreicher Genpool: das Isle Royale Forschungsprojekt
Im eiskalten Winter 1948/49 konnten Wölfe und Elche über den zugefrorenen Oberen See in Michigan / USA zur Insel Isle Royale gelangen, wo zuvor kaum Säugetiere geschweige denn Menschen lebten. Seit dieser Zeit leben beide Populationen isoliert auf der Insel, die einige Jahre vorher zum Nationalpark wurde. Wölfe und Elche mußten also miteinander klarkommen, soweit man das aus Sicht der Elche gut finden kann. Seit 1959 läuft auf der Isle Royale ein Beobachtungsprojekt zu Schwankungen der Populationen und dem Räuber-Beute-System. In über 50 Jahren konnten so sehr aufschlußreiche Erkenntnisse gewonnen werden: beide Bestände schwanken in Abhängigkeit voneinander, aber weder die Wölfe noch die Elche sind ausgestorben. 1959 gab es etwa 20 Wölfe und 500 Elche, zu Spitzenzeiten waren es 1200 Elche und etwas später entsprechend auch 40 Wölfe, zuletzt pendelte es sich wieder bei ca. 15 Wölfen und 500 Elchen ein.
Allerdings ist die Wolfspopulation so klein, daß sie genetisch degeneriert: um eine Art zu erhalten setzen Wissenschaftler eine Mindestpopulation von 1000 Tieren an. 2012 mußte man befürchten, daß die Wölfe auf der Isle Royale aussterben, denn es gab nur noch acht Tiere, davon eines weiblich. 2013 aber gibt es dort zwei Welpen. Eine sehr umfangreiche Dokumentation über das Forschungsprojekt ist unter http://www.isleroyalewolf.org/ zu finden. Nach knapp 60 Jahren wurden im Jahr 2012 erstmals wieder Wanderfalken auf der Insel gesichtet, auch dies möglicherweise eine Folge der veränderten Situation durch Wölfe (Nahrungsangebot durch Wolfsrisse).
Wie der Wolf lebt...
1904 wurde bei Hoyerswerda der letzte Wolf geschossen. Ein ordentlicher Wolf bringt es mit 30-50 kg auf etwas über Schäferhundgröße. Zwischen Januar und März ist Paarungszeit, und nach etwa zwei Monaten kommen die Jungen zur Welt. Drei Kilo Fleisch putzt er durchschnittlich pro Tag weg (das tut ein Luchs ebenfalls), aber er frißt nicht jeden Tag, sondern oftmals nur einmal pro Woche. Sein Tischlein-Deck-Dich hinterläßt er unzähligen anderen Tieren, für die so etwas ein kostenloses Festmahl ist. Wissenschaftler sprechen bei den gerissenen Kadavern in der Landschaft von einem "ökologischen Hotspot". Wenn es viel Wild gibt, können die Reviere der Wölfe kleiner sein.
Wölfe stehen auf der roten Liste, sind streng geschützt. Seit Polen in der EU ist, gelten dort ebenfalls strenge Schutzbestimmungen. Nur so konnte es den Zweijährigen gelingen, in die Lausitz einzuwandern, und nun sind sie auch bei uns im Odenwald. Seit dem Jahr 2000 gibt es regelmäßig Nachwuchs in der Lausitz, insgesamt leben in Deutschland 24 Wolfsrudel (2016).
Damit solche krassen Fehleinschätzungen wie der Abschuß des "Hessenwolfes" im letzten Jahr nicht mehr geschehen, setzt sich der Ökologische Jagdverband dafür ein, daß nicht nur Wölfe, sondern auch Hunde nicht mehr geschossen werden dürfen. Kein guter Jäger verwechselt zwar einen Wolf mit einem Hund, doch zwischen Nacht und Siehst-mich-nicht ist es halt doch passiert.
Die Wolfsreviere im Lausitzer Tagebaugebiet sind kaum da, und schon sind sie bedroht. Vattenfall wird hier weitere Tagebauten eröffnen. Dazu werden ganze Dörfer aufgekauft und abgerissen, die letzte Wildnis verschwindet. 25000 Menschen wurden bereits umgesiedelt. Ihnen fällt es schwer, an einem anderen Ort wieder Fuß zu fassen, sich heimisch zu fühlen.
Dem Wolf ist das gleichgültig. Er bleibt, solange er genügend zu fressen findet, und wandert dann weiter. Dabei hinterläßt er nichts als hier und da ein Häufchen. Der Tagebau dagegen hinterläßt öde Wüsten anstelle blühender Landschaften.
Marieta Hiller, 2013