Für Emilia Tabea Christine Scales

Warum viele Tiere im Wald einen weißen Stern auf der Brust tragen

In ein fernes Land, wo die Schmetterlinge wie Rosen duften, wo aus Steinen zarte Elfenmusik erklingt, wo Nebelfäden Geschichten weben, in jenes Land wollen wir heute abend einen Ausflug machen. Es ist das Land der Feen und Elfen, und es liegt gar nicht so weit: hinter jedem fröhlichen Lachen kann der Eingang verborgen sein - du mußt nur einmal genau schauen! Doch hüte dich wohl: wer nur ein halbes Stündchen beim lustigen Elfentanz verbrachte, kommt erst nach vielen Jahren in die Menschenwelt zurück.

Sieben Augenblicke bei den Elfen bedeuten sieben Menschenjahre! Und wer sieben Jahre verschwunden blieb, der muß nach abermals sieben Jahren für immer hinüber ins Elfenreich. Und wage es nicht, etwas von ihrem reich gedeckten Tisch zu essen: wer von einer Elfe Speise annimmt, ist für immer im Elfenreich gefangen und kehrt niemals zurück. Elfen lieben den Tanz und die Musik, und gern locken sie Musikanten aus dem Menschenreich hinüber in ihre Wiesengründe. So mußten einmal zwei Geigenspieler eine ganze Nacht hindurch zum Elfentanz aufspielen. Am Morgen entließen die Elfen die erschöpften Männer, doch als sie in ihre - unsere - Welt zurückkehrten, waren hundert Jahre vergangen! Der Pfarrer besuchte sie und wollte ihnen Stärkung bringen, doch bei seinem ersten Wort zerfielen sie zu Staub. Elfen nehmen auch gerne die Pferde der Menschen, die dann morgens völlig erschöpft, fahläugig und zerzaust im Stall stehen. Von einer unglücklichen Liebe - einer wirklich wirklich sehr sehr unglücklichen Liebe im Zauberwald will ich euch erzählen: es ist ein altes finnisches Märchen, verdichtet zu einer wunderschönen Ballade, die von einem Musikanten*, der mir gut bekannt ist, gerne und mit viel Gefühl vorgetragen wird. Sie heißt: „Päivänsäde ja menninkäinen“ - Sonnenstrahl und Waldelf.

Päivänsäde ja menninkäinen

Aurinko kun päätti retken,
siskoistaan jäi jälkeen hetken
päivänsäde viimeinen.
Hämärä jo mailleen hiipi,
päivänsäde kultasiipi
aikoi juuri lentää eestä sen,

Vaan menninkäisen pienen näki vastaan tulevan;
se juuri oli noussut luolastaan.
Kas, menninkäinen ennen päivän laskua ei voi
milloinkaan elää päällä maan.

He katselivat toisiansa
menninkäinen rinnassansa
tunsi kuumaa leiskuntaa.
Sanoi: "Poltat silmiäni,
mutten ole eläissäni
nähnyt mitään yhtä ihanaa!

Ei haittaa vaikka loisteesi mun sokeaksi saa
on pimeässä helppo vaeltaa.
Käy kanssani, niin kotiluolaan näytän sulle tien
ja sinut armaakseni vien!"

Mut säde vastas: "Peikko kulta,
pimeys vie hengen multa,
enkä toivo kuolemaa.
Pois mun täytyy heti mennä,
ellen kohta valoon lennä
niin en hetkeäkään elää saa!"

Ja niin lähti kaunis päivänsäde, mutta vieläkin
kun menninkäinen yksin tallustaa,
hän miettii miksi toinen täällä valon lapsi on
ja toinen yötä rakastaa.

Sonnenstrahl und Waldelf

Als die Sonne ihre Mission beendet hatte,
blieb ein letzter Sonnenstrahl
einen Moment lang hinter ihren Schwestern zurück.
Die Dämmerung legte sich auf das Land,
Ein Sonnenstrahl mit goldenen Flügeln
war gerade dabei, vor ihr weg zu fliegen.

Aber sie sah einen kleinen Waldelf vorbei kommen
der gerade aus seiner Höhle gestiegen war.
Denn ein Waldelf kann vor der Dämmerung
niemals auf der Erde leben.

Sie sahen einander an.
Der Waldelf spürte in seiner Brust
ein seltsames Brennen.
Er sagte: „Du verbrennst meine Augen
aber noch nie in meinem Leben
habe ich etwas so wundervolles gesehen!

Es ist mir egal, dass dein Glanz mich blenden wird,
wie leicht ist es, im Dunkeln zu bewundern.
Komm mit mir und ich zeige dir den Weg zu meiner Wohnhöhle
und ich werde dich zu meiner Geliebten machen!“

Aber der Sonnenstrahl antwortete: „Lieber Gnom,
die Dunkelheit wird mir mein Leben nehmen
und ich will nicht sterben.
Ich muss auf der Stelle fort gehen.
Wenn ich nicht sehr bald ins Licht fliege
werde ich keinen Moment mehr leben!“

Und so verschwand der wunderschöne Lichtstrahl,
und wenn der Waldelf einsam herumstreift,
fragt er sich oft, warum einer von uns
hier ein Kind des Lichts ist
und der andere die Nacht liebt. (Übersetzung aus dem Finnischen ins Englische: Internet. Aus dem Englischen ins Deutsche: Julia Scales)

Doch die Geschichte ist noch nicht zuende: ein zartes Blütenelfchen verriet mir, wie sie weiterging: mit der allerersten Morgenröte wagte sich ein vorwitziger Sonnenstrahl weit hinein in den dunklen Wald, wo der Waldelf traurig und einsam in seiner Höhle schlief. Leise leise, mit einem feinen Kichern, huschte der Sonnenstrahl über den Pelz des Waldelfs. Behutsam legte er seinen Lichtfinger ihm auf die Brust, und wo er das Fell berührte, wurde es ganz weiß. Und so kommt es, daß viele Tiere einen weißen Brustfleck haben. Stolz wie einen Orden tragen sie ihn, und wenn ihr klug seid, so wißt ihr nun, wo überall im Wald sich ein kleiner Waldelf verbergen könnte... *der Musikant, der mir so gut bekannt ist, heißt Martin Ludwig, spielt Geige und singt und tritt alljährlich ganz in der Nähe des Zauberwaldes gemeinsam mit seinen Freunden Peter Kunert (Gitarre, Uillean Pipes, Tin Whistle, Gesang), Christina Kindinger (Akkordeon und Gesang) und Rudi Roth (Gitarre, Mandoline, Bass, Bodhran, Spoons, Gesang) auf. Sie heißen "Peter Kunert & Friends" und spielen Folksongs und Fiddletunes, Volkslieder und Lieder deutsch- und englisch-sprachiger Liedermacher. Mehr darüber findet ihr hier! Marieta Hiller, im Juni 2014