„Wolln‘se ne Tüte?“ Die Plastiktüte in unserer Welt

So eine Plastiktüte bekommt man ja kostenlos dazu beim Einkauf. Wozu also sich die Mühe machen und an Stoffbeutel denken?
Die Plastiktüte macht fast ein Drittel der gesamten weltweiten Kunststoffproduktion aus und ist uns nullkommanichts wert.
Deshalb werfen wir sie nach spätestens einem halben Jahr weg. Wäre sie uns etwas wert, würden wir anders damit umgehen. Allein der wissenschaftliche Grips, der in den letzten 120 Jahren in PE, PVC, PET, PU, PP und wie sie alle heißen gesteckt wurde!
Ein Stück Kunststoff ist ein erstaunliches Produkt: als künstliche Herzklappe rettet es sogar Leben. Aber als Plastiktüte: weg damit!

Ausbeute eines einzigen Einkaufs für einen Zwei-Personen-Haushalt: die Verpackungen für Wurst, Käse und Fisch...


Es gibt lobenswerte „Plastikfrei“-Aktionen, bei denen zuallererst einmal ein kompletter Musterhaushalt ausgemistet wird. Zahnbürsten, Filzstifte, Leselampen, Tupperdosen, Tesafilm, Putzeimer, Klarsichthüllen, Brillengestelle, Reizwäsche, PC-Tastatur, Kaffeekapsel und Tetrapak - alles muß raus!
Ein großer Berg an Plastik wird nun entsorgt und durch natürliche Materialien ersetzt. Das bedeutet, daß alle eben genannten Dinge umsonst produziert worden sind - nein, leider nicht umsonst, sondern unnötig. Das Wortspiel mit "umsonst" bezeichnet ein weitverbreitetes asoziales Phänomen: Plastik kostet nämlich zweimal.
Beim Kauf zahlt der Verbraucher wenig dafür, denn Plastik ist billig. Bei der Entsorgung zahlen alle: Verbraucher, Mitmenschen, Natur, Kommunen und Staat; Letztere müssen für Entsorgung, Recycling und Lagerung viel Geld in die Hand nehmen.
Plastik sollte genauso wertgeschätzt werden wie Alabaster-Eierbecher und silberne Löffel, denn es hat uns genausoviel gekostet, wenn es erstmal da ist.

Würden diese Kosten direkt auf den Anschaffungspreis aufgeschlagen, würden wir unseren Plastikhaushalt mit ganz anderer Ehrfurcht betrachten. Schauen Sie mal bei Gelegenheit bei Koziol in Erbach rein, dort gibt es sogar ein Plastikmuseum.
Der bessere Ansatz als „alles muß raus“ ist zweifellos, sich ab sofort bei jedem Kauf zu überlegen, ob es wirklich Plastik sein muß. Viele Gebrauchsgegenstände lassen sich problemlos durch Holz, Porzellan, Glas oder Metall ersetzen - andere eben nicht.

Was jeder Einzelne tun kann, um unnötiges Plastik zu vermeiden, stellt das Plastiksparbuch des smarticular-Verlages gut vor, mit vielen Anregungen und Alternativ-Vorschlägen. Die Plastiktüte beispielsweise braucht 10-20 Jahre, um zu verrotten, eine Angelschnur dagegen 600 Jahre.

Wer sich noch an den stinkenden Eimer im Bad erinnert, in dem die Babywindeln der ganzen Woche eingeweicht wurden, wird sich über Wegwerfwindeln freuen. Die brauchen jedoch 450 Jahre, bis sie weg sind. In Deutschland sind das 11 Millionen Windeln jährlich. Das ist weniger erfreulich.
Sinnvolle Ersatzmöglichkeiten für Plastik gibt es aber genug, so daß man sich mit solch unerfreulichen Beispielen nicht rausreden kann.

Frische Lebensmittel können beim Einkauf in eigene Behälter gepackt werden, Gemüse und Obst gibt es ganz unverpackt bei der Solidarischen Landwirtschaft, Wurst und Fleisch lose beim Metzger, wenn der den Einkauf (berührungsfrei!) in eigene Mehrwegdosen legt. Unverpackt-Läden sind zwar gut, aber weit weg: die nächsten sind in Auerbach oder Lorsch, da verwandelt sich der Vorteil für die Umwelt durch die gefahrenen Kilometer schnell in einen Nachteil.
Besonders viel Plastik kommt  mit Fertigprodukten einher. Selber kochen ist aber sowieso viel besser. Selbermachen, reparieren, tauschen und nutzen verhelfen einem Produkt erst zu seinem wahren Wert verhelfen. Es macht Spaß, Waschpulver genau in der richtigen Zusammensetzung und Dosierung selbst zu mischen; es macht Spaß eigene Trockenfrüchte, Joghurt und Soßen in Schraubgläsern vorrätig zu haben; es macht Spaß selbst Wachstuch herzustellen als Ersatz für Klarsicht- und Alufolie. Manchmal hilft es, sich an Omas Haushalt zu erinnern, auch wenn der Windeleimer ein schlechtes Beispiel ist.

Privathaushalte sind aber nur ein Teil des Problems. Auch die Landwirtschaft verursacht eine große Menge an Mikroplastik in unserer Umwelt. Hier wird etwa ein Viertel des anfallenden Klärschlammes aus unserer Trinkwasserreinigung als Dünger eingesetzt. Kläranlagen können nicht alle Kunststoffteile aus dem Klärgut herausfiltern und setzen zudem synthetische Flockungsmittel zu. Beides wandert auf den Acker und in unser Essen.
Auch Folien für Obst und Gemüse bleiben oft auf dem Acker zurück, da sie leicht zerreißen und einfach untergepflügt werden.

Wie kommt so viel Mikroplastik in unser Abwasser? Füllstoffe in Waschmitteln, Flüssigseife, Zahnpasta, Cremes und Lotionen schmeicheln uns auf Haut und Wäsche, wandern aber letztlich in den Ausguß. Zudem entsteht beim Waschen von Kleidungsstücken aus Kunstfaser, z.B. Fleecejacken, Funktionshirts etc. bei jeder Wäsche eine Menge Faserabrieb, vor allem wenn hohe Temperaturen und ein hoher Schleudergang gewählt wird. Das Mikroplastik aus dem Abwasser gelangt in Flüsse und Meere, in Fische, Hummer und in das supergesunde Superfood Algen.
Deutschland gehört immerhin zu den Ländern mit der höchsten Recycling-Quote für Kunststoff: 46,6%. Verbrannt werden 52,8% und deponiert 0,6%. Anderswo sieht das ungünstiger aus: die USA recyceln 8,7% des Plastikmülls, weltweit liegt die Recyclingquote bei 16% und 60% wandern auf Deponien. Dort macht sich das Plastik dann gerne auf die Wanderschaft, bis es auf unserem Teller landet.
Von den 407 Millionen Tonnen Plastik, die 2015 weltweit erzeugt wurden, waren 146 Millionen Tonnen für die Tonne: Verpackungsmaterial. Von den 8,3 Milliarden Tonnen Plastik (das ist etwa eine Tonne pro Mensch!), das seit 1950 produziert wurde, wurden weniger als 10% recycelt.
Der große Rest bleibt in der Natur, verstopft die Mägen von Vögeln und Meerestieren, die so keine Nahrung mehr aufnehmen können. Tiere verheddern sich unauflösbar in Plastikschnüre und Netze. 100.000 Meeressäuger und eine Million Seevögel verenden aufgrund von Plastik.

Reifenabrieb: Haben Sie gewußt, daß entlang unserer Bundesstraßen und Autobahnen sogenannte Regenklär-becken angelegt wurden, in denen sich das Straßenwasser zusammen mit Reifenabrieb (1,2 kg pro Kopf und Jahr) und Straßenbelagsabrieb (230g pro Kopf und Jahr) in einer schwarzen blasigen Brühe sammelt. Vom Abrieb über das aus dem Fenster geworfene Bonbonpapier bis zu abgefallenen Radkappen und Stoßstangen fallen auf unseren Straßen Plastikteile an, die in Mikroplastik zerfallen und bis zu 1200 Jahre in der Umwelt bleiben, laut Fraunhofer Institut sogar bis zu 2000 Jahre.

Papier: Deutschland verbraucht so viel Papier wie die Kontinente Afrika und Südamerika zusammen. Da hilft auch die Verwendung von Recyclingpapier wenig: Papier läßt sich nur ca. 6x wieder aufarbeiten, der Energieverbrauch liegt bei 38 % (5 kWh) und der Wasserverbrauch bei knapp 30 % (38 Liter), gemessen an der gleichen Papiermenge auf Frischfaserbasis. Skurril und heute undenkbar: früher wurden Mumien aus ägyptischen Gräbern nach USA verschifft, weil man die Hadern zur Papierherstellung brauchte.
In Europa wurden im Jahr 2015 45 Mio Tonnen Verpackungen aus Papier verbraucht, dazu acht Mio Tonnen Klopapier. Dazu kommen Stapel an hochfeinem weil holzfreiem 80g Druckerpapier: Für eine 500 Blatt-Packung A4-Papier (=2,5kg) braucht man 5,5 kg Holz, 130 Liter Wasser und 13 kWh Energie. Der jährliche Papierverbrauch pro Einwohner in Deutschland liegt bei etwa 250 kg. Der Energiebedarf (1.300 kWh) für die Papierproduktion pro Person ist genauso hoch wie der gesamte Jahres-Stromverbrauch einer Person in einem durchschnittlichen Drei-Personen-Haushalt.

Altpapier ist ein wertvoller Rohstoff. Vereine organisieren regelmäßig Sammlungen in verschiedenen Lautertaler Ortsteilen (siehe Veranstaltungskalender S. 12). Für Modautal sind ähnliche Sammlungen leider nicht bekannt. Vereine erhalten eine Vergütung. Sammeln Sie also für einen guten Zweck! Was aus Altpapier werden kann und früher auch wurde, lesen Sie im Beitrag "Pappenfabrik Tempel"

Mobiltelefone: fast zwei Milliarden werden jedes Jahr produziert, ein jedes produziert bei der Herstellung 35 kg Treibhausemissionen – so viel wie vier Monate Wäschewaschen. Auf die Jahresproduktion hochgerechnet entspricht das dem ökologischen Fußabdruck Österreichs.
Grund genug also, zu reparieren, was das Zeug hält! Bei den in der Region stattfindenden Repair-Cafés bekommt man Anleitung zur Selbsthilfe, um defekte Geräte zu reparieren, auf Wertstoffhöfen kann man auf Nachfrage Ersatz- und Bauteile finden. Ein interessantes Modell in Jena kombiniert das: die ehrenamtlichen Reparaturhelfer dort dürfen auf weggeworfene Schrottgeräte des Abfallservice Jena zuzugreifen.
Das Repair Café Bergstraße konnte seit Anfang 2020 wegen Corona nicht mehr stattfinden, jedoch haben ideenreiche Helfer inzwischen ein sinnvolles Konzept erarbeitet. Mit etwas Geduld findet man hier Hilfe zur Selbsthilfe: www.repaircafe-bergstrasse.de       

CDs DVDs und Blu-Rays: diese enthalten wertvolle Materialien. Das Umweltbundesamt rät daher, sie zum Wertstoffhof zu bringen. Die Hüllen gehören in den gelben Sack.
Ab 2022 können Tablets, Toaster und andere kleine Elektrogeräte bis 25 cm Kantenlänge im Supermarkt abgegeben werden.  Filialen mit mehr als 800 m2 Ladenfläche sind dann zur Rücknahme verpflichtet. Quelle: Stiftung Warentest, Testheft  2/21

Ausflugsmüll: Was man an Verpflegung für unterwegs mitnimmt, wiegt wesentlich schwerer als die übrigbleibenden Verpackungen. Warum manche Ausflügler diese dann nicht mehr nach Hause schleppen können, sondern sie in der Landschaft deponieren ist rätselhaft. Im Freien aufgestellte Papierkörbe werden nachts gern von Wildschweinen oder anderen Räubern geplündert, und morgens sieht es dann so aus wie auf dem Foto.

Hundekotbeutel: braucht kein Mensch und kein Hund!
Hundekot wird innerhalb von drei Wochen von Würmern, Insekten und Kleinstlebewesen verwertet und in guten Waldboden umgewandelt. Mitten auf Wege oder entlang gut besuchter Spazierpfade muß allerdings kein Hund sein Geschäft machen.

Humoristische Warnung (von Walter Koepff): "Castellar de la Frontera /Lautertal. Nicht nur in Deutschland sind Hinterlassenschaften von Hunden ein Ärgernis, wie dieses Plakat aus Andalusien zeigt. Mit einem humoristischen Augenzwingern was das Bild anbelangt wird jedoch deutlich gemacht, welche Strafen den Hundebesitzer erwartet, wenn er die Hinterlassenschaften seines vierbeinigen Freundes nicht beseitigt. Dort ist zu lesen:
WENN ER ES NICHT KANN, TU DU ES

Im Park und auf der Straße gibt es Leute und Kinder, die zum Wohle aller den Kot ihres Hundes aufnehmen.
Sei eine kultivierte Person! Wir werden alle gewinnen!
DER GEMEINDERAT VON CASTELLAR DE LA FRONTERA
Wer die Exkremente nicht aufnimmt, wird mit einer niedrigen Geldstrafe zwischen 75€ und 750€ sanktioniert.“

Foto: Walter Koepff  koe/Foto: koe

Eine Leserin merkt zum Thema Hundekot und Pferdeäpfel an: "nicht alles, was unsere Haustiere auswerfen, sollte einfach in der Landschaft verbleiben. Haustiere, vor allem wenn sie älter werden, bekommen oft zahlreiche Medikamente, die über den Kot wieder ausgeschieden werden. Dazu gehört auch die regelmäßige Wurmkur. Dieser Kot kann für Insekten in der freien Natur tödlich sein und sollte daher über den Hausmüll entsorgt werden! Einfach in eine Plastiktüte füllen und in der Landschaft herumliegenlassen ist aber nicht der richtige Weg. Wer verantwortungsvoll mit der Natur umgeht, nimmt das Tütchen oder die Pferdeäpfelladung mit."

Gastronomie unterstützen und Essen für zuhause abholen:
Wer sich im Gasthaus mit Speis und Trank versorgt, hilft diese zu erhalten. Essen to go: das bedeutet aber auch jede Menge Verpackungsmüll. Es ist aus Hygienegründen verboten, mitgebrachte Behälter in Gastronomieküchen zu befüllen. Die Gasthäuser sind so gezwungen, Unmengen von Plastikmüll zu finanzieren, der nach dem Essen in der Tonne landet. Seit Beginn der Corona-Pandemie fallen in der Bundesrepublik etwa 10 Prozent mehr Verpackungsabfälle an. Es gibt jedoch Alternativen: der Gastwirt gibt Mehrwegbehälter aus, gegen Pfand oder auch kostenlos. Diese müssen zurückgegeben werden, werden in der Gastrospülmaschine bei hohen Temperaturen gereinigt und können wiederverwendet werden. Möglicherweise gleicht der höhere Preis in der Anschaffung auf Dauer die Menge an Wegwerfverpackungen aus.
Es gibt inzwischen einige Pfandsysteme, die jedoch miteinander konkurrieren, so daß es länger dauert, bis alle ein flächendeckendes Netz an Rückgabemöglichkeiten schaffen. Interessant ist das "Merkblatt für Pfandsysteme": es wirft ein Licht auf unsere Regulierungssucht. Ich habe es für Sie hier verlinkt.
Im Juni 2020 wurde von der Bundesregierung die Umsetzung der zwei Jahre zuvor beschlossenen EU-Richtlinie zum Verbot für Einweggeschirr angestoßen. Dieses Verbot betrifft jedoch nur Plastik-Besteck und Einweg-Trinkhalme. Die Styroporboxen für das Schnitzel mit Pommes sind weiterhin erlaubt.
Es könnte aber auch so gehen: Sie bestellen und lassen sich Ihre Speisen auf Tellern servieren, packen sie vor Ort selbst in mitgebrachte Dosen, die in der Kühlbox mit vorgewärmten Kühlelementen schön warm bleiben.
Genießen Sie Ihr Essen to-go: es wurde mit Liebe zubereitet und unterstützt Ihre Gastwirtschaft. Denken Sie stets an diese Weisheit: "Ein Volk, das seine Gastwirte nicht ernähren kann, ist es nicht wert eine Nation genannt zu werden". Und wenn erst alle Odenwälder Gasthäuser als Museumsstück im Hessenpark stehen, dann werden wir feststellen, daß wir daheim die Küche selber aufräumen müssen...

Kaffeebecher To Go: oft nur Pseudo-Umweltschutz
Wann hat das eigentlich angefangen, daß jeder bei jedem Schritt einen dampfenden Kaffee dabeihaben muß? Einweg-Kaffeebecher prägen unser Straßenbild - sei es in der Hand eines müden Kriegers, der es anders nicht durch den Tag schafft, sei es leer und weggeworfen am Straßenrand.
2019 wurden in Deutschland 2,8 Milliarden Einwegbecher verbraucht, das sind 320.000 Becher pro Stunde! (Studie des deutschen Bundesumweltamtes). Die Becher bestehen aus Verbundwerkstoff, der das Recycling fast unmöglich macht.
Umweltfreundliche Becher aus Papier mit Wachsschicht (Bienenwachs, Carnuba) können nur Getränke bis 60 grad Wärme aufnehmen, dafür verrotten sie auf dem heimischen Kompost. Eine ökologisch sinnvolle Version sind Papierbecher die innen eine Beschichtung aus Zuckerrohrfasern haben. Das ist ein Abfallprodukt und verträgt auch heißen Kaffee. Ähnlich ist es bei Beschichtung mit Bio-Kunststoff aus Maisstärke (PLA), jedoch verrottet der Bio-Kunststoff auch auf  großen Kompostieranlagen nur langsam. Selbst "FSC"-Becher aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz gibt es leider auch mit PE-Beschichtung. Solche Verbundwerkstoffe beim Recycling wieder zu trennen ist sehr aufwändig und damit unrentabel, sie werden daher meist verbrannt.
Mein Kollege Thomas schreibt dazu: "Wir hatten auf der Messe BioFach verschiedene Systeme gesehen. Papier mit Wachsschicht (Bienenwachs, Carnuba), nur bis 60 grad möglich, also nur für Kaltgetränke gut geeignet, verrottet auch auf dem heimischen Kompost; innen eine Beschichtung aus Zuckerrohrfasern - Auch für heiße Getränke geeignet - ökologisch sinnvoll da die Fasern ein Abfallprodukt sind; innen eine Beschichtung aus Bio-Kunststoff aus Maisstärke (PLA) - Auch für heiße Getränke geeignet, jedoch bedenklich da es auch auf  den großen Kompostieranlagen nur langsam verrottet und landwirtschaftliche Lebensmittel, Futtermittel verwendet werden). Es gibt aber auch noch andere Anbieter und Systeme, die sind jedoch aus gutem Grund nicht auf der Biofach vertreten.
Die "FSC"-Becher gibt es leider auch mit PE-Beschichtung. (Verbundwerkstoff --> meistens Verbrennung da Recycling nur bei "sortenreiner" Sammlung wirtschaftlich sinnvoll ist.) Teilweise wird Einweggeschirr als kompostierbar angepriesen obwohl dieses nichts auf dem Kompost oder in der Biotonne zu suchen hat.  Z.Bsp. bunt bedruckte Becher mit bedenklichen Bestandteilen in den Farben oder mit PLA-Kunststoff. PLA ist zwar biologisch abbaubar aber das dauert viel zu lange (180 Tage) in den bestehenden Kompostierungsanlagen. Im Bio-Abfall werden diese deshalb vom Abfallunternehmen aussortiert und in den Hausmüll / Müllverbrennung geschickt. PLA kann u.A. helfen die Problematik mit dem Mikroplastik  zu verringern aber momentan für Verpackungen nicht sinnvoll. https://utopia.de/ratgeber/pla-wie-nachhaltig-ist-der-kunststoff/"

Muß man nicht wegwerfen: Spargelschalen und Karottengrün
Das Bundeszentrum für Ernährung empfiehlt: Schalen und Endstücke vom Spargelschälen müssen nicht im Müll landen. „Mit dem Spargelkochwasser kann man die Reste auskochen und als Fond für Soßen und Suppen verwenden“, so Harald Seitz, Ernährungswissenschaftler beim Bundeszentrum für Ernährung. „Wer mehr Spargel eingekauft hat, als für die Mahlzeit nötig sind, kann die geschälten, nicht gekochten Stangen für sechs bis acht Wochen einfrieren.“ So wird das Gemüse restlos genutzt und Lebensmittelverschwendung verringert.
Rezepte mit Spargel gibt es u.a. hier: https://www.in-form.de/rezepte/
Obst- und Gemüseschalen sind kein Abfall, sondern kostbar: Wer einen Garten hat, oder auch nur Balkonkästen, der geizt mit seinem Biomüll. Bananenschalen, Eierschalen, Kaffeesatz und Teeblätter sind begehrter Dünger, sogar für Zimmerpflanzen. Karottengrün, Putzreste von Gurken, Lauch, Radieschen, Zwiebelschalen und Kartoffelschalen: unbedingt wieder dem natürlichen Kreislauf zuführen - auf den eigenen Kompost oder in die Biotonne damit. Mit Küchenabfällen lassen sich gut noch unbepflanzte Beete abdecken, um Erosion und Feuchtigkeitsverlust zu verringern. Nicht auf den Kompost sollen gekochte Speisereste, vor allem wenn Fleisch oder Fleischreste dabei sind. Das freut sonst die Ratten...

Sturz der Natur: jahrtausendealte Tradition der Rohstoffausbeutung und Umweltverschmutzung
Schon die alten Römer übten Kritik am unverantwortlichen Umgang mit der Umwelt: Plinius der Ältere, Geschichtsschreiber im 1. Jahrhundert nach Christus, beklagt: "Wie Sieger blicken sie auf den Sturz der Natur." Plinius war vom Kaiser als Minenverwalter in eine Goldgrube nach Hispanien geschickt worden, aber was er dort sah, gefiel ihm nicht. "Ständig wird die Erde gequält, ihrer Erze, ihres Holzes, der Gesteine, des Feuers und des Getreides wegen, was sie auf ihrer Oberfläche zu ertragen hat, mag man noch akzeptieren, aber wir durchwühlen ihre Eingeweide, graben uns durch ihre Adern aus Gold und Silber, durch Kupfererz und Blei."
Der Bedarf des römischen Imperiums an Metall für Waffen, Werkzeuge und Münzen, an Holz für Bauten und Heizung, an Steinen für Gebäude und Straßen entzog den Provinzen Rohstoffe in modernen Ausmaßen. 100000 Kilometer gepflasterte Straßen durch das gesamte Imperium Romanum wurden gebaut, und für das Militär wurde Eisen gebraucht: 35 Legionen zu je 5500 Soldaten mußten mit knapp 1500 Tonnen Eisen bekleidet werden, das entspricht (nein, weder in Fußballplätzen noch in Badewannen gemessen) 20 Leopard-2-Panzern.
Brandrodung gab es schon bei den Jägern und Sammlern der Steinzeit, doch die Römer verfeuerten für eine einzige Großtöpferei mit 15 Brennöfen jährlich 360 Kubikmeter Holz.
Abwasser aller Art landete im Tiber und später im Meer, Müll wurde auf die Straße gekippt. Die Städte, vor allem Rom, waren von Smog durchweht. In Eisbohrungen auf Grönland fanden Forscher in insgesamt 7700 Jahre alten Eiskernen für die Zeit von 400 vor Christus bis 300 nach Christus (= griechisch-römische Antike) Rückstände einer enormen Luftverschmutzung.
Gold fanden die römischen Steinbrucharbeiter zwar damals schon: fünf Tonnen in 200 Jahren. Dafür wurden 100 Millionen Kubikmeter spanische Steine von ihrem Platz gerissen.
"Wir vergiften die Flüsse und die Elemente der Natur, und selbst die Luft verderben wir." Nun, Plinius war kein Hellseher - eher ein Schwarzseher, der unsere Gegenwart in finsteren Farben schilderte - vor 2000 Jahren. mh, nach einem Beitrag in Natur Heft 2/2016

Auch Müll? Nachgeahmte Fleisch- und Fischformstücke für Pseudo-Vegetarier
Manch einer aus unserer Spezies, die sich seit Entdeckung des Feuers enorm weiterentwickelt hat (wäre  ohne Fleischkonsum nicht möglich gewesen), möchte auch als Bürohengst, Couchkartoffel und Bit-&Pixelschubser nicht auf den wohlschmeckenden Happen Eiweiß verzichten, obwohl wir es längst nicht mehr so nötig hätten wie einst die Jäger und Sammler.
Wir haben aber wenigstens ein schlechtes Gewissen dabei: auf dem Markt tummeln sich vegane Fischstäbchen und Tofuburger. Algen fürs Fischaroma, Weizenkleber (das kennt man auch als Gluten!) für vollen Fleischgeschmack ersetzen die liebgewordenen Hauptbeilagen auf dem Teller. Aber Ersatz bleibt Ersatz, und veganer Kaviar besteht vielleicht aus Brombeermarmelade mit Fischaroma - wer weiß.
Warum also nicht konsequent sein? Entweder Fleisch und Fisch essen, dann aber in ordentlicher Qualität und aus ethisch vertretbarer Erzeugung, oder sich vegetarisch (meinetwegen auch vegan, wenn ich nicht mitmachen muß) ernähren. Vegetarische Ernährung ist so vielseitig! Aus saisonalem und regionalem Gemüse lassen sich für jeden Tag des Jahres andere Gerichte zaubern, ohne daß es langweilig wird. Und zu besonderen Tagen gibt es dann auch mal ein gutes Stück Fleisch!
Aus der Region natürlich: deshalb empfiehlt EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski ja auch allen Beefatarians, Fleisch zu essen. Aus Portugal, Frankreich und sonstwoher - gefördert mit 3,6 Millionen Euro für Steaks vom Rind. Klingt ein bißchen old school heutzutage, oder?
Übrigens: mit gutem Fleisch ist nicht nur Steak oder Lendchen gemeint: das ganze Tier kann und sollte verwertet werden. Daraus folgt: das ökologischste und ethisch sinnvollste Fleischprodukt ist der Schwartemagen! Und den - vom Metzger Ihres Vertrauens - empfiehlt Ihnen - Ihre Schwartemagenvegetarierin!

M. Hiller, im April 2021

Lesetipps:

  • Das Plastik Sparbuch, smarticular 2019 ISBN 978-3-946658-33-7
  • GEO Heft April 2021
  • Harald Lesch / Klaus Kamphausen: Die Menschheit schafft sich ab, 2017 ISBN 978-3-8312-0424-3
  • Weggeworfen und nie mehr wiedergefunden? Ein Grabstein von 1778
  • Geschichten-Zettelkasten: hier habe ich einiges zum Thema Müll zusammengetragen, und mehr noch unter dem Link "was wäre Archäologie ohne Müll!":
    - Warum im Felsenmeer keine Mülleimer stehen...
    - Littering - oder wie lange bleibt was in der Natur bis es vergeht?
    - Was uns der Müll der Jahrhunderte erzählt
    - Recycling und Müllvermeidung: Sinn und Unsinn...
    - Plastik-Abfälle im Meer
    - Gerade noch entkommen: Welterbe Grube Messel wäre beinahe Müllhalde geworden                          
    - Ein Stadtviertel der Hoffnungslosen, umgeben von einem Müllberg
    - Papier und was man draus machen kann

                                  M. Hiller