Wie kann sich der Kreis an den Klimawandel anpassen? Klimaschutzkonzept Kreis Bergstraße

7. Sitzung des Bergsträßer Nachhaltigkeitsbeirats im Naturschutzzentrum Bergstraße / Wasserversorgung künftig größte Herausforderung

Kreis Bergstraße (kb). Wie verändert sich unser Leben im Kreis Bergstraße schon jetzt durch den Klimawandel? Und wie können wir uns an die prognostizierten Veränderungen anpassen – wie beispielsweise Hitzewellen, Dürreperioden oder Starkregenereignisse? Diese und weitere Fragen zum Thema Klimawandelanpassung diskutierte Landrat Christian Engelhardt jüngst mit Mitgliedern des Bergsträßer Nachhaltigkeitsbeirats während dessen siebter Sitzung im Naturschutzzentrum Bergstraße.

„Wir Bergsträßer und Bergsträßerinnen können den Klimawandel – auch dank immer besserer Technologien – noch ganz gut bewältigen. Und Klimaveränderungen gehören zur Geschichte unseres Planeten. Aber das Tempo des Klimawandels ist ein echtes Problem für unsere Ökosysteme“, betonte Engelhardt. Dies habe letztendlich auch Auswirkungen auf die Menschen. Denn: Neue Arten, die sich aus wärmeren Regionen hier ansiedelten, beeinträchtigen das natürliche Gleichgewicht. Zudem könne sich nicht jedes Lebewesen dem Klimawandel anpassen.

Als Einstieg in den Abend gab Reiner Pfuhl, Klimaschutzmanager des Kreises Bergstraße, einen kurzen Überblick, wie sich die Gegebenheiten in der Region bereits in den vergangenen 30 Jahren verändert haben. So wachsen Pflanzen zum Beispiel bereits rund drei Wochen früher. Außerdem hat sich die Anzahl der Hitzetage fast verdreifacht und auch die Spitzentemperaturen, die an Hitzetagen erreicht werden, liegen höher als noch in den 90ern. „All diese Entwicklungen zeigen, dass ein ‚Weiter so‘ keine Option ist“, hob Pfuhl hervor.

Dr. Willi Billau, Vorsitzender des Regionalbauernverbandes Starkenburg, und Ronny Kolb, Leiter des Forstamts Beerfelden, berichteten darüber, wie die von Reiner Pfuhl vorgestellten Veränderungen die Land- und Forstwirtschaft schon jetzt beeinflussen und auch in Zukunft noch stärker prägen werden. „Fast alle Böden müssten beregnet werden. Das ist in der Regel jedoch nicht gewinnbringend“, merkte Billau an. Die Landwirte passten die von ihnen angebauten Kulturen den neuen Gegebenheiten so gut es ginge an. So sind an das Klima angepasstere Nutzpflanzen als Getreide wie zum Beispiel Süßkartoffeln oder Soja auf Bergsträßer Feldern keine Seltenheit mehr. Allerdings sind Wassermangel und starke Hitze auch für diese Pflanzen ein Problem. „Das Risiko in der Landwirtschaft war schon immer sehr hoch, aber der Klimawandel treibt es in schwindelerregende Höhen“, fasste der Landwirt zusammen.

Auch für den Wald sind lange Trockenperioden, gepaart mit hohen Temperaturen, ein echtes Problem. Kolb berichtete, dass die Forstämter schon lange Zeit versuchen, die Wälder in klimaresiliente Mischwälder umzubauen. Hier stellt sich derzeit die Frage, welche Baumarten für die nächsten 200 Jahre die besten Überlebenschancen haben und welche mit dem prognostizierten Klimawandel nicht zurechtkommen werden. Bei dieser Entscheidung werden auch fremdländische Bäume berücksichtigt, die in geringer Zahl die Wälder der Zukunft anreichern werden. Generell ist Kolb überzeugt: „Unsere Wälder im Überwald werden sich deutlich verändern. Die Fichte, die derzeit viele Flächen prägt, wird zum Beispiel nicht mehr die allein führende Baumart sein. Die Bergsträßer Wälder der Zukunft, werden sich durch mehr klimaresiliente Baumarten auszeichnen.“

Zum Thema Starkregen- und Überflutungsereignisse im Kreis Bergstraße informierte Ulrich Androsch, Geschäftsführer des Gewässerverbandes Bergstraße, die Anwesenden. Er hielt fest, dass auch im Kreis Bergstraße bei einem echten Starkregenereignis schlimme Überschwemmungen möglich wären. Es gebe dafür Kartenmaterial, mit dem sich die Bürgerinnen und Bürger informieren könnten, ob ihre Immobilie gefährdet ist. Allerdings wissen nur die wenigsten von diesen Karten. Da die meisten dieser Karten zudem bis jetzt nur auf Landesebene und bei einigen wenigen Kommunen existierten, werden bis Ende 2024 für alle Bergsträßer Kommunen vom Gewässerverband eigene Starkregengefahrenkarten aufgesetzt. Zudem werden in den nächsten zwei Jahren auch noch kommunale Hochwassergefahrenkarten für den Kreis Bergstraße erstellt. „Jede und jeder Einzelne soll wissen, ob sein oder ihr Gebäude bei Starkregen oder Hochwasser gefährdet ist, denn nur so können frühzeitig geeignete Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden“, so Androsch. Die überregionalen Hochwasser-Gefahrenkarten des Landes sind etwa beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie unter folgendem Link abrufbar: https://rp-darmstadt.hessen.de/umwelt-und-energie/gewaesser-und-bodenschutz/hochwasserschutzhttps://www.hlnug.de/themen/wasser/hochwasser/hochwasserrisikomanagement/mittel-oberrhein/hw-gefahrenkarten

Die an die Vorträge anschließenden Diskussionen zeigten deutlich, dass Wasser von zentraler Bedeutung beim Thema Klimawandelanpassung ist. Einerseits kann es zu lange Dürreperioden ohne Wasser geben, andererseits steigt die Gefahr, dass es zu viel Wasser auf einmal ist, wenn es dann doch einmal regnet. Generell müsse sich der Kreis Bergstraße auch dem Thema Klimawandelanpassung annehmen, ist der Bergsträßer Landrat überzeugt. Denn: „Unser Klimaschutzkonzept konzentriert sich darauf, Treibhausgase einzusparen, um einem weiteren Aufheizen der Erde entgegenzuwirken. Es ist jedoch nicht zielführend, nur darauf zu schauen. Sondern wir müssen Lösungen finden, wie wir mit dem Wandel, den es schon jetzt gibt, bestmöglich leben können“, betonte Engelhardt.

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Juli 2022: Umsetzung des Klimaschutzkonzepts schreitet voran: Sechste Nachhaltigkeitsbeiratskonferenz fand digital statt / Klimaschutzmanagement des Kreises Bergstraße informiert über Umsetzung der Maßnahmen aus dem Klimaschutzkonzept

Was gibt es Neues in den Bereichen Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Kreis Bergstraße? Welche Maßnahmen des Integrierten Klimaschutzkonzeptes wurden bereits umgesetzt? Und wie können Hauseigentümerinnen und -eigentümer erneuerbare Energien und Denkmalschutz in Einklang bringen? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigte sich jüngst der Bergsträßer Nachhaltigkeitsbeirat in seiner sechsten Konferenz. Rund 30 Mitglieder konnten Landrat Christian Engelhardt und Klimaschutzmanager Reiner Pfuhl beim digitalen Treffen begrüßen.

Reiner Pfuhl informierte die Anwesenden über den aktuellen Stand bei der Umsetzung der Klimaschutzkonzept-Maßnahmen. Für 2022 sind im Haushalt des Kreises 18 Maßnahmen budgetiert. Sieben dieser Maßnahmen konnte das Klimaschutzmanagement bereits umsetzen und sechs weitere bereits anstoßen. Die verbleibenden fünf Maßnahmen befinden sich noch in der Planungsphase und werden im zweiten Halbjahr 2022 starten.

Fünf der sieben umgesetzten Maßnahmen sind sogar bereits abgeschlossen. So gibt es unter anderem seit Neuestem ein E-Lastenrad-Angebot für Bürgerinnen und Bürger, mit dem zu sehr günstigen Preisen Lastenräder getestet werden können. Darüber hinaus hat der Kreis Bergstraße seine Kommunen dazu aufgerufen, am sogenannten Wattbewerb teilzunehmen – einem Wettbewerb, mit dem Städte und Gemeinden ihre Photovoltaik-Leistung verdoppeln wollen. Vor dem Aufruf war nur Bensheim Wattbewerbteilnehmer. Seitdem das Klimaschutzmanagement alle Bergsträßer Bürgermeisterinnen und Bürgermeister über diesen Wettbewerb informiert hat, haben sich mit Abtsteinach, Fürth, Gorxheimertal, Heppenheim, Lautertal, Mörlenbach und Wald-Michelbach sieben weitere Kommunen für den Wattbewerb angemeldet.

Projekte, mit deren Umsetzung das Klimaschutzteam des Kreises Bergstraße bereits begonnen hat, sind etwa die Umstellung der Dienstfahrzeug-Flotte des Kreises auf klimaneutrale Antriebe, den Aufbau einer Plattform zum Koordinieren von Mitfahrgelegenheiten oder ein Projekt zum Thema Cradle to Cradle. „Alles in allem kommen wir gut voran, aber wir dürfen uns auf unseren Erfolgen nicht ausruhen. Denn: Der Klimawandel bleibt nicht einfach stehen, sondern schreitet immer weiter und – wie aktuelle Studien zeigen – auch immer schneller voran“, weiß Klimaschutzmanager Reiner Pfuhl.

Während der Nachhaltigkeitsbeiratskonferenz hielt Angela Exo von der Abteilung Ländlicher Raum und Denkmalschutz des Kreises einen kurzen Vortrag zum Thema Denkmalschutz und PV-Anlagen. Nicht immer ließen sich die Spannungen zwischen Denkmalschutz und erneuerbare Energien auflösen, doch der Denkmalschutz bemüht sich, Lösungen zu finden. „Die Möglichkeiten, PV-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden zu installieren sind da – beide Seiten müssen dabei aber zu Kompromissen bereit sein“, stellte Exo klar. „Wenn Sie planen, PV-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden zu installieren, sprechen Sie uns frühzeitig an. Gemeinsam werden wir eine Lösung finden.“ Da die Bürgerinnen und Bürger sich wünschen, für ihr Eigenheim erneuerbare Energien nutzen zu können, werde der Denkmalschutz in Zukunft genauer schauen und Alternativvorschläge machen, wie PV-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden integriert werden könnten. „Es kann sein, dass das Hauptdach aus Denkmalschutzsicht nicht für PV-Anlagen geeignet ist, dafür aber Dächer von Nebengebäuden.“

Bei der Konferenz ging es aber auch um die großen Herausforderungen im Bereich Klimaschutz und erneuerbare Energien. Alle Nachhaltigkeitsbeirats-mitglieder waren sich darin einig, dass vor allem der Fachkräftemangel im Handwerk eine der größten Herausforderungen in Sachen Klimaschutz darstellt. Viele Bürgerinnen und Bürger wollen sich insbesondere vor dem Hintergrund der aktuell stark steigenden Energiepreise unabhängiger von fossilen Energieträgern machen. Sei es, dass sie eine PV-Anlage auf ihrem Dach installieren lassen wollen oder ihre alte Gas- oder Ölheizung durch eine Wärmepumpe ersetzen lassen wollen. Doch die Auftragsbücher der Handwerker sind zum Bersten voll. Mehr Aufträge ließen sich nur bearbeiten, wenn es mehr Fachkräfte gäbe. „Es ist deshalb essentiell, Klimaschutzberufe so attraktiv zu gestalten und zu bewerben, dass junge Menschen in diesen Bereichen auch arbeiten wollen. Eine herausfordernde Aufgabe, die wir alle gemeinsam angehen sollten“, betonte Reiner Pfuhl.

Auch das Thema Windkraft diskutierten die Nachhaltigkeitsbeiratsmitglieder. Chancen für einen stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien und dabei vor allem der Windkraftanlagen sieht der Bergsträßer Landrat nur dann, wenn sich die Rahmenbedingungen verändern würden. „Die neue Bundesregierung will den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben. Allerdings müssen sich die äußeren Bedingungen dafür deutlich verbessern, sodass sich der Einsatz von Windrädern und PV-Anlagen auch an nicht optimalen Standorten lohnt. Wenn sich die Rahmenbedingungen dahingehend ändern, wird der Ausbau von solchen Anlagen noch deutlich attraktiver“, so Engelhardt.

Das Klimaschutzmanagement des Kreises Bergstraße, mit Reiner Pfuhl und Katrin Heuer, wird zunächst für die kommenden drei Jahre vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit rund 244.000€ aus der Nationalen Klimaschutzinitiative weiter gefördert. Diese gute Nachricht teilte der Bergsträßer Landrat den Mitgliedern des Nachhaltigkeitsbeirats mit. „Aber auch über den 31. Mai 2025 hinaus wollen wir unser engagiertes Klimaschutzteam dauerhaft etablieren – unabhängig davon, ob wir auch über diesen Zeitraum hinaus weiter Fördermittel erhalten. Denn: Klimaschutz ist die zentrale Aufgabe der nächsten Jahre und Jahrzehnte“, so Christian Engelhardt. Als weiteren Ausblick kündigte Landrat Engelhardt auch eine Klimaschutzveranstaltung für den Spätsommer im Kreis an. Das Klimaforum Bergstraße soll dabei keine bloße Eintagsfliege bleiben, sondern voraussichtlich auch in den kommenden Jahren stattfinden. Dabei soll es immer an einem anderen Ort im Kreis stattfinden. Genaueres hierzu soll zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben werden.

Nationale Klimaschutzinitiative

Mit der nationalen Klimaschutzinitiative initiiert und fördert das Bundesumweltministerium seit 2008 zahlreiche Projekte, die einen Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen leisten. Ihre Programme und Projekte decken ein breites Spektrum an Klimaschutzaktivitäten ab: Von der Entwicklung langfristiger Strategien bis hin zu konkreten Hilfestellungen und investiven Fördermaßnahmen. Diese Vielfalt ist Garant für gute Ideen. Die Nationale Klimaschutzinitiative trägt zu einer Verankerung des Klimaschutzes vor Ort bei. Von ihr profitieren Verbraucherinnen und Verbraucher ebenso wie Unternehmen, Kommunen oder Bildungseinrichtungen.

 

Kreis Bergstraße (kb).