Öffnet die Spritzbücher der Landwirtinnen und Landwirte! das fordert Katharina Schmitz im aktuellen GEO (02/2023). Diese Spritzbücher müssen von Landwirten geführt werden, darin werden sämtliche eingesetzten Spritzmittel vermerkt, also Herbizide, Fungizide, Insektizide, Düngemittel. Wo wann und in welcher Menge sie ausgebracht werden. Aber nur die Landwirtschaftskammern haben Einblick in diese Spritzbücher.

Forscher könnten aus regionalen Artenvorkommen sowie deren Verschwinden einen Bezug herstellen, wenn die Ausbringung von oben genannten Mitteln bekannt wäre. Dann ließe sich formulieren, welche Mittel für welche Effekte verantwortlich sind, und es ließen sich Modelle entwickeln, um sid verträglicher einzusetzen.

Die Diskussion um die Offenlegung der Spritzbücher zieht sich schon über Jahre hin.

Ein aufsehenerregender Fall war der Pestizideinsatz im Vinschgau, Südtirol. Das Umweltinstitut München e.V. (https://umweltinstitut.org/) engagiert sich seit Jahren dafür, daß die Öffentlichkeit dazu informiert wird, wurde dafür mit Klagen überzogen. Das Umweltinstitut schreibt:

"Zum ersten Mal überhaupt konnte das Umweltinstitut nun hunderte Spritzhefte von Obstbetrieben aus dem Südtiroler Vinschgau unter die Lupe nehmen – eine europaweit wegweisende Untersuchung. Nach monatelanger Arbeit stellen wir heute einen Bericht mit den Ergebnissen unserer Auswertung vor, der ein genaues Bild der Verwendung von Pestiziden in einer der wichtigsten Anbauregionen für Äpfel in ganz Europa zeichnet. Die alarmierenden Ergebnisse finden Sie auf unserer Website. Dass wir an die Spritzhefte gekommen sind, ist ironischerweise dem Versuch der Südtiroler Landesregierung und der dortigen Apfelindustrie geschuldet, unsere Kritik am hohen Pestizideinsatz in der Region durch eine Strafanzeige zum Schweigen zu bringen. Doch das ging kräftig nach hinten los. Denn der Prozess wegen angeblicher „übler Nachrede“ endete für uns nicht nur mit einem Freispruch, sondern führte auch zur Beschlagnahmung der Spritzdaten als Beweismittel. So hat ausgerechnet der Südtiroler „Pestizidprozess“ gegen das Umweltinstitut dazu geführt, dass wir heute genauer denn je zuvor untermauern können, wie groß das Südtiroler Pestizidproblem tatsächlich ist.

Die Auswertung der Spritzdaten bietet einen brisanten Einblick in die landwirtschaftliche Praxis im intensiven Obstbau: Insgesamt wurden mehr als 80 unterschiedliche Pestizidwirkstoffe verwendet, von denen etliche als besonders gefährlich für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt gelten. Zu den besonders häufig eingesetzten Substanzen gehörte etwa das Fungizid Fluazinam, das unter anderem vermutlich krebserregend und fruchtbarkeitsschädigend ist. Auch Stoffe, die für Honigbienen oder Wasserorganismen gefährlich sind, kamen zum Einsatz. Und damit nicht genug: Von März bis September 2017 gab es im Vinschgau, einer beliebten Urlaubsregion, keinen einzigen Tag, an dem Mensch und Umwelt nicht dem Pestizidnebel ausgesetzt waren. Oft kommen die Gifte zudem als „Cocktail“ mehrerer Substanzen zum Einsatz – bis zu neun verschiedene Wirkstoffe wurden am gleichen Tag angewendet.

Der Preis, den die Menschen und die Umwelt im Vinschgau für die Massenproduktion von Äpfeln zahlen, ist hoch. Denn der kontinuierliche Einsatz von Pestiziden in den Apfelplantagen schädigt die Artenvielfalt und gefährdet die Gesundheit von Anwohner:innen und Urlaubsgästen, und nicht zuletzt die der Obstbäuer:innen selbst. Das muss sich endlich ändern! In unserem Bericht geben wir deshalb auch Empfehlungen, was sich in der Landwirtschaft in Südtirol, aber auch in Europa insgesamt tun muss, damit sie sich endlich aus der Abhängigkeit von Ackergiften befreien kann."

Der ausführliche Bericht des Umweltinstituts ist hier nachzulesen: https://umweltinstitut.org/wp-content/uploads/2023/01/20230125_Umweltinstitut_Auswertung-Pestizideinsatz-im-Apfelanbau-1.pdf

25. Januar 2023