Nachdem Aktivisten für das Retten von Essen im Februar 2022 leider der ganzen Sache mehr geschadet haben als genutzt (es wurden Straßen blockiert, dies verärgerte alle betroffenen Autofahrer, aber nur diejenigen direkt vor der Blockade erfuhren den Grund und konnten Argumente hören - falls welche geäußert worden sind), möchten wir an dieser Stelle einen Beitrag veröffentlichen, der die Stimmung wieder etwas mehr auf den Inhalt von Essenretten richtet. Es gibt mehr seriöse Aktive als krawallige Aktivist*innen.
Jenny Neuroth aus Beedenkirchen schreibt über ihr Engagement:
"Verwenden statt verschwenden – das ist das Motto des Vereins Share & Save e.V., in dem ich seit Juni 2021 als Mitglied aktiv bin. Der im September 2020 gegründete ehrenamtliche Verein hat sich darauf spezialisiert, Waren vor sinnloser Entsorgung zu retten. Genau das ist es, was ich als Lebensmittelretterin tue.
Auf den Verein aufmerksam geworden bin ich durch eine gute Bekannte, die Bilder ihrer geretteten Lebensmittel in ihrem Status teilte. Ich dachte immer, dass aussortierte Lebensmittel der Supermärkte grundsätzlich bei Einrichtungen wie beispielsweise der Tafel landen. Daher wusste ich zuerst nichts mit diesen Fotos anzufangen – neugierig war ich aber schon und hakte nach. Wir telefonierten, sie erzählte mir vom Verein und ihrer Aufgabe als Mitglied, und mein Interesse war sofort geweckt. Also begleitete ich zuerst sie und dann einige andere Mitglieder bei sogenannten Schnupperabholungen, bei denen ich einen ersten Einblick in die Abläufe der Lebensmittelrettung bekam. Nachdem diese erfolgreich absolviert wurden trat ich dem Verein kurzerhand selbst als Mitglied bei.
Gute Lebensmittel, die im Laden "ausgemustert" wurden
Jeder aktive Lebensmittelretter bekommt zugewiesene Betriebe, die nicht öffentlich genannt werden dürfen. Bei der ersten Abholung ist immer ein erfahrenes Mitglied dabei und zeigt die Abläufe, die in jedem Betrieb unterschiedlich sind. Meistens werden die aussortierten Lebensmittel in zugewiesenen Bereichen bereitgestellt. Wir Mitglieder sortieren dann verdorbene Lebensmittel aus, entsorgen diese vor Ort und packen den noch guten Rest in eigene Kisten um. Anschließend werden diese ins eigene Fahrzeug geladen und mit nach Hause genommen. Das ist zum Teil richtige Knochenarbeit, wenn man die schwer beladenen Kisten von einer Laderampe runterheben muss – Sportprogramm ist bei einer solchen Abholung demnach inklusive. Neben Supermärkten zählen auch Bäckereien, Tankstellen oder Buffetrestaurants zu den Betrieben, die ihre übriggebliebenen Lebensmittel zur Rettung bereitsstellen.
Brot und Backwaren machen 14 % der vermeidbaren Lebensmittelabfälle aus: insgesamt 11 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle im Jahr in Deutschland
Die Kommunikation innerhalb des Vereins sowie mit dem eigenen Lebensmittelverteiler findet hauptsächlich über Whatsapp statt. Mit Beginn meiner ersten, sehr spontanen, eigenen Abholung habe ich angefangen, meine Freunde und Bekannte in mein Vorhaben einzuweihen und um Unterstützung bei der Rettung der Lebensmittel gebeten. Glücklicherweise hat dieses Vorhaben sehr schnell von sich Reden gemacht und so hat sich mein Verteiler prompt mit nunmehr über 50 Rettern gefüllt, die im Schnitt 1-2 mal pro Woche nach Ankündigung bei mir vorbei kommen um diese Lebensmittel vor der Verschwendung zu retten. Hierbei handelt es sich vor allem um Obst und Gemüse, die aufgrund strenger Richtlinien aussortiert werden, obwohl sie noch fern dessen sind, was wir als Müll bezeichnen würden.
Für mich ist jede Abholung ein Erlebnis, denn man weiß nie was und wie viel einen erwartet. Zugleich erschreckt es mich aber auch immer wieder zu sehen, wie viele Lebensmittel ohne unsere Arbeit vermutlich den Weg in die Tonne finden würden. Für diese Lebensmittel eine weiter Verwendung zu finden, das ist mein Antrieb und eine meiner größten Motivationen bei der Ausübung dieses Ehrenamts. Besonders wichtig ist es mir außerdem, einigen Abholern auch eine finanzielle Entlastung hierdurch bieten zu können. Wenn diese mir dann erzählen, wie viel ihnen die Lebensmittelrettung hilft, dann ist es das größte Lob für mich.
Die Reste jeder Abholungen bringe ich zum Verein Happy Kids e.V. nach Klein-Bieberau, einem gemeinnützigen Verein, der kranken Kindern und Jugendlichen ein besonderes Erlebnis mit verschiedensten Tieren ermöglicht. Hier freut man sich immer über die Lebensmittelspenden und somit schließt sich der Kreis und es wird bei jeder Abholung alles restlos verwertet."
Jenny Neuroth, Beedenkirchen, im Februar 2022