Wird sie eine echte Odenwälderin? Die Kichererbse! Entwicklung einer Wertschöpfungskette

Kann die Kichererbse in Südhessen heimisch werden? So fragten sich im Sommer 2024 Familie Böhm vom Kohlbacher Hof bei Ober-Klingen. „Die Kichererbse als Superfood ist längst in der heimischen Küche angekommen - bisher allerdings fast nur als Importware. Sie eröffnet aber auch bei uns echte Perspektiven.“ so Landwirtschaftsminister Ingmar Jung. Für den Anbau der vielversprechenden Kultur in einem zweijährigen Projekt brachte er einen Förderbescheid über 95.000 Euro vom Land Hessen mit. Mit diesen Mitteln kann die Ökomodell-Region Süd mit ihren vier Partnerbetrieben in diesem Projekt nun weiteres Wissen zum Anbau in Südhessen erlangt und Strukturen für die Aufbereitung, Verarbeitung und Vermarktung geschaffen werden.
Der Ertrag 2024 war überschaubar, aber die gewonnenen Erkenntnisse sind wertvoll für den Fortgang des Projekts. Ob die Kichererbse im Odenwald heimisch wird, kann Landwirt Johannes Böhm noch nicht geben. Es gebe immense Sortenunterschiede, auch im Ertrag, so Böhm. 2,5 Hektar hatte er im Mai mit etwa 230 Kilo Saatgut je Hektar hatte er eingesät. Die schlechteste Sorte kam bei der Ernte jetzt nur auf etwa 60 Kilo pro Hektar, die besten Sorten auf etwa 230 bis 250 Kilo pro Hektar an Ertrag.

Aus den Erkenntnissen dieses Jahres will Johannes Böhm seine Schlüsse ziehen, denn: „Ein Jahr ist kein Jahr“, sagt er, „es muss weitergehen.“ Eventuell könnte der enttäuschende Ertrag – vorgestellt hatte sich Böhm eine Ernte von etwa 500, 600 Kilo bis hin zu einer Tonne pro Hektar – am Standort für die Kichererbsen gelegen haben, mutmaßt er. „Dort war immer Wasser vorhanden“, sagt er. „Ich glaube, dass die Kichererbse durchaus mit weniger zufrieden ist.“ Schließlich sei die Frucht karge Böden in Vorderasien gewohnt. Dort seien Erträge von bis zu drei Tonnen pro Hektar möglich. Auch der Zeitpunkt der Aussaat müsse eventuell etwas früher sein. Die gereinigten getrockneten Früchte sehen gut aus, aber noch lange nicht aus wie aus dem Supermarkt.

Für die regionale Wertschöpfung und für künftige Abnehmer der Kichererbse findet der langfristige Lernprozeß statt. Mit den Fördermitteln des Landes können Verluste ausgeglichen werden.
Was mit der diesjährigen Ernte passiert, steht noch nicht genau fest. Eventuell findet sich ein Gastronom oder ein Händler, der sie abnimmt. Oder sie wird wieder Saatgut im kommenden Jahr.  Denn gerade im Hinblick auf den Klimawandel könnte die Kichererbse eine Altarnative zum klassischen Anbau von etwa Kartoffeln oder Zuckerrüben werden. „Wenn man sich die Jahre 2018 bis 2020 mal anschaut, die waren staubtrocken“, sagt Johannes Böhm. Da hätte die Kichererbse bessere Bedingungen vorgefunden als in diesem Jahr. „Das war sehr nass mit wenig Sonnenstrahlung“, sagt Johannes Böhm. Damit auch Berufskollegen von den Erfahrungswerten profitieren, dokumentiert Böhm ebenso wie die anderen Höfe im Landkreis Darmstadt-Dieburg - in Ober-Ramstadt und Klein-Zimmern - den Anbau durch Fotos, Videos und das Führen eines Feldtagebuchs. Ansprechpartnerinnen bei der Ökomodell-Region sind für ihn Alexandra Hilzinger (Kreis Darmstadt-Dieburg) und Sylvia Barrero-Stadler (Odenwaldkreis).  
Eine Nachfrage nach Kichererbsen gibt es jetzt schon: „Es haben schon zig Leute angerufen, die Kichererbsen kaufen wollten“, sagt Böhm. Da standen die Hülsenfrüchte aber noch auf dem Feld. Nun bekommen die Leute einen Rückruf.

Für den Ersten Kreisbeigeordneten Lutz Köhler ein wichtiges Signal. „Ziel des Projekts ist es ja, neue Absatzwege für südhessische Landwirtschaftsbetriebe zu entwickeln, die auch angesichts des Klimawandels zukunftsfähig sind“, sagt er. „Deshalb ist eine Nachfrage schon mal ein gutes Zeichen. Und ich bin mir sicher, dass wir mit der Erfahrung, die wir bereits sammeln konnten, Schritt für Schritt besser darin werden, die Kichererbse auch in der Ökomodell-Region Südhessen etablieren zu können.“ Für ihn als Landwirt, erklärt Johannes Böhm, sei die Kichererbse auch eine Möglichkeit, die Risiken für seinen Betrieb besser zu verteilen – eben, wenn es wieder zu solch trockenen Jahren kommen sollte wie von 2018 bis 2020. 

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Oktober 2024: Nun wird diese Hülsenfrucht auch im Ried im Kreis Bergstraße angebaut

Biblis, 15. Oktober 2024. Sie ist kugelig und köstlich und vor allem kerngesund. Die Rede ist von der Kichererbse. Verarbeitet als Falafel oder Hummus ist sie schon längst ein beliebtes Lebensmittel, ein echtes Super-Food, das auch hierzulande verstärkt nachgefragt wird. Bislang kommt vor allem Importware auf den Tisch.

In der heimischen Landwirtschaft ist sie noch ein seltener Gast. Jetzt hat ihr die Ökomodell-Region Süd ein herzliches Willkommen bereitet. Mit dem Projekt „Hier bin ich! Die südhessische Kichererbse“ haben die zwei Projektmanagerinnen Sylvia Barrero-Stadler und Alexandra Hilzinger ein Entwicklungsvorhaben gestartet: Ob die Anbaubedingungen in Südhessen stimmen und wie heimische Erzeugung einen wichtigen Beitrag zu nachhaltigen und gesunden Ernährungsweisen leisten kann, soll dabei ermittelt werden. Das Projekt ist auf zwei Jahre angelegt, um weiteres Wissen zum Anbau zu generieren und Strukturen für die Aufbereitung, Verarbeitung und Vermarktung auszuloten. Dieses Entwicklungsprojekt zur Schaffung von einer oder mehrerer Kichererbsen-Wertschöpfungsketten unterstützt das Land Hessen im Rahmen des Ökoaktionsplans 2020-2025 mit Fördermitteln bis zu einer Höhe von 95.000 Euro.

Erste Ernte bereits von Großküche nachgefragt

Den Zuwendungsbescheid hatte der Hessische Landwirtschaftsminister Ingmar Jung bereits im August auf einem der derzeit vier Partnerbetriebe überreicht. In der Bergstraße hat Siegbert Ochsenschläger vom Riedgockel in Wattenheim als Partnerbetrieb vor wenigen Tagen seine Ernte eingefahren. Eine halbe Tonne wurde gedroschen. „Der Ertrag entspricht dem, was bei einem so feuchten Jahr zu erwarten war“, sagt der Landwirt. Die Kichererbse liebt es nämlich warm und trocken, Verhältnisse wie in 2022 hätten ihr besser gefallen. Und doch ist die Projektpartnerschaft von Siegbert Ochsenschläger bereits in diesem Jahr eine Erfolgsgeschichte: Denn noch während die Erbsen auf dem Acker reiften, hat die Ernte des engagierten Landwirts bereits Abnehmer aus der regionalen Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung gefunden. 

Kurze Lieferwege sind ein Glücksfall

„Meine Kichererbsen gehen nach der Reinigung direkt in die Großküche der Firma Freudenberg in Weinheim“, freut sich Ochsenschläger. Begleitet und unterstützt wird er dabei von den Projektmanagerinnen der Ökomodell-Region, die auch die Öffentlichkeitsarbeit und Verbraucheraufklärung im Betriebsrestaurant übernehmen. Der Konzern Freudenberg bereitet am Hauptsitz täglich mehr als 1000 Essen zu. Die Kichererbse steht in ihren vielen Zubereitungsvarianten fast täglich auf dem Speiseplan. Dass jetzt eine regionale Kichererbse verfügbar wird, ist für Alexander Thiel, den Director Canteens & Catering bei Freudenberg Verpflegungsdienste KG, ein Glücksfall. Denn der Betrieb ist auf dem Weg zur „Green Canteen“, einer EU-Gewährleistungsmarke, die Gastronomen für nachhaltiges Wirtschaften belohnt. So kurze Lieferwege wie vom Hof Ochsenschläger in Biblis bis nach Weinheim tragen dazu bei, dieses Ziel zu erreichen. 

Öffentlichkeitsarbeit soll positive Umweltaspekte beleuchten

Bei Freudenberg wird bereits seit längerem auf regionale Herkunft der Speisen geachtet. Ihre Erzeuger bekommen ein Gesicht, indem sie auf dem Menüplan genannt werden. Zur regionalen Kichererbse von Siegbert Ochsenschläger wird das Projektteam der Ökomodell-Region zusätzlich in den nächsten Monaten die Geschichte dahinter erzählen. Medien wie etwa Tabletteinleger sollen über das nachhaltige Projekt berichten. Auch Verkostungen und kleine Umfrageaktionen sind angedacht. Wichtig ist den Projektmanagerinnen, nicht nur den Gesundheitsaspekt der Kichererbse in der Ernährung in den Vordergrund zu stellen. Auch ihre Bedeutung in der landwirtschaftlichen Fruchtfolge unserer Breitengrade soll beleuchtet werden: Ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Hitze und Trockenheit machen sie zu einer zukunftsfähigen Kulturpflanze. Auch die Bodenfruchtbarkeit wird verbessert, weil sie mit ihren Wurzelknöllchen eine Symbiose mit stickstofffixierenden Bakterien eingeht. Neben diesen positiven Umweltaspekten eröffnet sie insbesondere auch für die Außer-Haus-Verpflegung und die regionale Lebensmittelwirtschaft Perspektiven, hochwertige pflanzliche Proteine und die Vielfalt des südhessischen Anbaus in die Speisepläne von Schulen, Kantinen, Mensen und Restaurants zu integrieren. Ein vielversprechender Anfang ist jetzt gemacht.