Das Nibelungenkorn: ein anspruchsvoller Filmstar Ökomodell-Region Südhessen
Darmstadt-Dieburg. „Von Odenwäldern für Odenwälder“: So fasst Bäckermeister Georg Schellhaas aus Groß-Bieberau das Projekt Nibelungenkorn, das zurzeit durch die Ökomodell-Region Südhessen umgesetzt wird. Hinter dem Sammelbegriff Nibelungenkorn verbergen sich die Urgetreide Emmer, Dinkel und Einkorn. Schellhaas verarbeitet für seine zehn Filialen und Back-Shops im Landkreis Darmstadt-Dieburg Dinkel-Vollkorn zu zwei Broten: Das Mühlenbrot, das noch Roggen enthält, und – in Anlehnung an die Nibelungen-Sage – das Drachenbrot, das noch Chia, Melonenkerne und Sesam enthält. Nachhaltigkeit und Regionalität sind die Ziele bei diesem Projekt, das durch den Ökoaktionsplan des Landes Hessen gefördert wird. Für Schellhaas war das der Grund mitzumachen: „Das Anbaugebiet erstreckt sich zwischen Dieburg und Höchst, ich weiß, welche Sorten angebaut werden und ich habe ein reines Gewissen.“ Das Mehl, das im Stammhaus in Groß-Bieberau vermahlen wird, ist nämlich frei von Pestiziden und Fungiziden.
In einem neuen Kurzfilm werden nun die Vorzüge des Nibelungenkorns, die Schellhaas beschreibt, vorgestellt: „Auf den Spuren des Nibelungenkorns: Wie regionaler Genuss und Grundwasserschutz Hand in Hand gehen“ lautet der Titel. Zu finden ist der Film auf Youtube (www.youtube.com/watch?v=KoYiIQ38hxY). In 6 Minuten und 11 Sekunden wird dabei erklärt, wie Umweltschutz mit der Stärkung der regionalen Wertschöpfung vereint werden. Zur Premiere in der Herrnmühle in Reichelsheim kamen vor kurzem rund 40 Besucher.
Die Idee zum Nibelungenkorn entstand bereits 2015, als die in Otzberg gegründete Arbeitsgemeinschaft Gewässerschutz und Landwirtschaft (AGGL Region Starkenburg) zusammen mit Landwirten und der Herrnmühle über Lösungen für Standortnachteile in der Landwirtschaft nachdachte. Nach intensiver Recherche wurde der Entschluss gefasst, ursprüngliche Getreidesorten zurückzubringen und in der Region zu verarbeiten. Der Name „Nibelungenkorn“ reflektiert die regionale Verankerung des Projekts im Nibelungenland. Seitdem arbeiten Landwirte, Müller und Bäcker zusammen, um das Urgetreide nachhaltig anzubauen und zu verarbeiten.
In der Tat wird Umweltschutz beim Anbau großgeschrieben: Chemische Pflanzenschutzmittel sind verboten, das Unkraut muss mit einem Gerät entfernt werden. Die Stickstoffdüngung ist reglementiert und Klärschlamm darf auch nicht aufgebracht werden. Das schont das Grundwasser. Die regionale Wertschöpfung ergibt sich daraus, dass das Korn hier angebaut und dann auch hier in der Region verarbeitet wird. In Darmstadt-Dieburg etwa haben bereits drei Landwirte in Groß-Umstadt, Otzberg und Groß-Zimmern Erfahrungen mit dem Nibelungenkorn gesammelt. Verarbeitet wird es etwa von Bäckereien wie Reimunds Backstube in Modautal oder eben der von Georg Schellhaas aus Groß-Bieberau. „Dinkel ist ein anspruchsvolles Getreide, dem schadet es sogar, wenn es zusätzlich gedüngt wird“, sagt er. „Und ich achte darauf, dass wir alte Sorten haben, denn bei neuen wird gerne Weizen mit eingekreuzt, um den Ertrag zu steigern.“ Seit acht Jahren backt Schellhaas nun mit dem Ur-Dinkel aus dem Odenwald, bereut hat er es nicht.
Gelagert wird das Korn in der Herrnmühle in Reichelsheim, wo es unter anderem zu Mehl verarbeitet wird für andere Bäckereien. Dort wurde bei der Film-Premiere deutlich, dass die Wege zwischen Anbau und Verarbeitung – vom Feld zur Mühle bis zur Bäckerei – zum Teil so kurz sind, dass man sie sogar bequem mit dem Fahrrad abfahren könnte. Die Besucher der Premiere konnten zudem verschiedene Backwaren aus Nibelungenkorn probieren. Auch frische Nudeln aus Emmer und Einkorn, angeboten von Martinas Nudelträume, einer kleinen Manufaktur aus Otzberg, waren Teil des Programms.
Um das Projekt zielgerichtet weiterzuentwickeln, fand vor Ort eine Evaluation statt. Die Teilnehmer konnten Fragebögen ausfüllen, die erste Ergebnisse lieferten: Die Urgetreide-Nudeln kamen in der Befragung besonders gut an, auch Gebäck wie Plätzchen und Waffeln scheint vielversprechend. Auf www.Nibelungenkorn.de/umfrage können interessierte Verbraucher ebenfalls mit ihrer Stimme die Weiterentwicklung unterstützen. Hier gibt es auch alle weiteren Informationen rund um das Projekt. (tb)
Die Veranstaltung wurde im Rahmen der Hessischen BioTage 2024 angeboten. Die Ökomodell-Regionen sind Teil des hessischen Ökoaktionsplans. Sie vernetzen Landwirte, Handel und Verbraucher und engagieren sich in Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern und Verarbeitern für eine bessere Vermarktung von biologischen und regionalen Produkten sowie die Schärfung des Bewusstseins für regional erzeugte Lebensmittel beim Verbraucher. Ziel ist es, regionale Wertschöpfungsketten zu etablieren und die regionale Vermarktung zu fördern. Die Ökomodell-Region Südhessen besteht aus den Landkreisen Darmstadt-Dieburg, Odenwald, Bergstraße und Groß-Gerau sowie der Stadt Darmstadt.