bergstraße.mobil beklagt mangelhafte Beteiligungskultur des Kreises in Mobilitätsfragen
Kreis Bergstraße, 20.02.2025
Am 03.02.2025 wurde in der Odenwälder Zeitung eine Stellungnahme des Kreises Bergstraße auf die Verbesserungsvorschläge des Netzwerk bergstraße.mobil zur Optimierung des Qualitätsmanagements veröffentlicht. Anlass hierfür waren die Startschwierigkeiten im Buslinienbündel "Odenwald Mitte" im Weschnitztal. Nun meldet sich bergstraße.mobil erneut zu Wort. "Mit gewisser Verwunderung und Enttäuschung" nehme die Bürgerinitiative zur Kenntnis, dass die geäußerte Kritik "nicht zum Anlass genommen wird, um Prozesse zu optimieren und Besserung zuzusagen." Stattdessen habe sich der Kreis in eine schwer nachvollziehbare Verteidigungshaltung begeben.
"Für uns ist das ein schlechtes Signal für die Fahrgäste, die die vom Kreis bestellten Buslinien nutzen wollen oder müssen. Damit und mit der noch immer nur vagen Zusage zur Machbarkeitsstudie für die Überwaldbahn, die längst vorliegen sollte, sowie dem weiterhin unklaren Umsetzungsstatus der im Nahverkehrsplan und Klimaschutzkonzept formulierten Prüfaufträge im Mobilitätsbereich steht für uns fest: Wenn der für den ÖPNV maßgeblich verantwortliche Kreis sich unverändert so weiterverhält, sehen wir schwarz für die Klimaziele im Verkehrsbereich", befürchtet Netzwerk-Sprecher Peter Castellanos.
Fundamente hätten rechtzeitig gesetzt werden können
"Irritierend" findet bergstraße.mobil, die Aussage, dass ausschließlich das kalte Winterwetter Schuld an den noch immer nicht gesetzten Fundamenten für die neuen Haltellenschilder im Weschnitztal sein solle und erinnert erneut an den Vorbereitungszeitraum des neuen Buslinienkonzeptes. Dass es bei einer von Beginn an bekannten Frist von zwei Jahren vor Inbetriebnahme angeblich nicht möglich sei im Frühjahr und Sommer vor der Betriebsaufnahme mit den nötigen Arbeiten zu beginnen, klingt für bergstraße.mobil "unglaubwürdig". Mit dieser Aussage hätten sich die Verantwortlichen "ein Eigentor geschossen", so bergstraße.mobil.
Der Kreis sei formell zwar nicht für das Setzen der Fundamente für die Haltestellen zuständig, das entbinde ihn aber nicht von regelmäßigen Gesprächen mit und einer Evaluation der Arbeit der Straßenbaulastträger - hier die Gemeinde Rimbach - um eine zeitgerechte Fertigstellung aller für die Inbetriebnahme der Buslinien des Kreises nötigen Maßnahmen im Auge zu behalten. "Für uns erscheint es so, als ob es da Kommunikations- und Projektmanagement-Probleme an den Schnittstellen der Zuständigkeiten gibt. "Durch harmlose strukturierte Kommunikation in regelmäßigen Abständen, die derzeit offenbar nicht oder nicht mit dem nötigen Ernst stattfindet, sind solche Probleme eigentlich vermeidbar. Angesichts der Tatsache, dass es die durch den Kreis erwähnten Abstimmungen gab, erscheint es uns etwas verwunderlich, dass am Ende - wie schon bei der Inbetriebnahme des Linienbündels Odenwald Süd im Dezember 2019 - bei neuen Haltestellen nur Provisorien durch das zuständige Verkehrsunternehmen eingerichtet werden mussten", wiederholt Castellanos die Kritik von bergstraße.mobil am Qualitätsmanagement.
Mobilitätskommission kein Ersatz für Fahrgastbeirat
Auch die Aussage des Kreises, dass die Mobilitätskommission (MoKo) den Fahrgastbeirat "ersetzt" habe, hält bergstraße.mobil für "befremdlich". Der Fahrgastbeirat sei formell nie stillgelegt worden. Er tage aktuell nur nicht, weil die schwarz-grüne Koalition die Idee einer MoKo offenbar reizvoller fand und testen wollte. Nach Unterzeichnung des Koalitionsvertrags wurde der Fahrgastbeirat nicht wieder einberufen. "Dieser Test ist nach hinten losgegangen. In Schulnoten ausgedrückt: Mangelhaft – Ziel nicht erreicht", so die Bewertung von bergstraße.mobil.
Für übergeordnete Schnittstellenthemen habe die MoKo grundsätzlich ihre Berechtigung, gesteht bergstraße.mobil zu. Die Erfahrungsberichte von Teilnehmenden zur Arbeitsweise und -atmosphäre dieses Gremiums würden jedoch zeigen, dass es für die Erörterung von Detailfragen innerhalb der jeweiligen Verkehrsarten ungeeignet sei. De facto habe die MoKo nur die bis dato existierende Verkehrskommission ersetzt. "Weder dies noch die im Ausschuss für Regionalpolitik und Nachhaltigkeit stattfindenden - nicht auf Eigeninitiative des Kreises initiierten - Berichte der Kreisverwaltung zu aktuellen Mobilitätsthemen stellen einen adäquaten Ersatz für den Fahrgastbeirat oder einen anderweitig strukturierten Dialog mit den ÖPNV-Kunden dar", stellt bergstraße.mobil fest und begründet dies mit fünf Beobachtungen:
- Die MoKo tagt im Gegensatz zum damaligen Fahrgastbeirat ausnahmslos nicht-öffentlich. Den Sitzungsteilnehmenden ist es also gesetzlich untersagt, die Sitzungsinhalte z.B. in Vereinsgremien oder Fachnetzwerke zu spiegeln. "Nicht nur die intendierte bestmögliche Beratung der Kreispolitik in Fachfragen wird damit aktiv unterbunden, auch die Kommunikation und öffentliche Fürsprache von durchaus vorhandenen positiven Projekten, die der Kreis verfolgt, leidet darunter. Damit schneidet sich der Kreis doppelt ins eigene Fleisch", urteilt Castellanos über dieses Vorgehen.
- Die Agenda der MoKo-Sitzungen werde ausschließlich durch die Kreisverwaltung bestimmt.
Die Sitzungsteilnehmenden hätten kein Recht, eigene Tagesordnungspunkte mit den im Gremium vertretenen Fachleuten und der Kreisverwaltung zu erörtern. Es sei schon vorgekommen, dass von einzelnen Teilnehmenden geäußerte Themenvorschläge für die Tagesordnung "diplomatisch ohne weitere Kommunikation unter den Tisch fallen gelassen" wurden, indem sie einfach nicht auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt und danach auch nie wieder aufgegriffen worden seien.
Das dem Sitzungsformat geschuldete Monopol auf die Agenda der MoKo in Kombination mit der Nicht-Öffentlichkeit der gesamten Sitzung ist juristisch zwar nicht zu beanstanden, verfehle aber das politisch gesetzte Ziel der MoKo aus dem Koalitionsvertrag weil damit jegliche öffentliche Bewertung zu bestimmten Fachfragen und Reaktionen unterbunden werde. "Darunter leidet letztlich der öffentliche Diskurs, der häufig zur Schadensbegrenzung in Detailfragen beitragen kann", ist sich bergstraße.mobil sicher und nennt dazu ein Beispiel: In einem offenen Sitzungsformat hätten situativ direkt betroffene Akteure aus dem Weschnitztal zur Beratung des Buslinienkonzeptes hinzugezogen werden können, um ihren Anliegen eine Stimme zu geben. In der aktuellen MoKo dürfen diese weder bei den Sitzungen zuhören, noch an den Diskussionen mitwirken.
Diesen "amtlich verordneten Maulkorb" bewertet Netzwerk-Sprecher Castellanos als "effektiven Beitrag gegen eine transparente Diskussion von Mobilitätsthemen". Sollte in Ausnahmesituationen die Herstellung der Nicht-Öffentlichkeit aus juristischen Gründen nötig sein, kann diese auf die jeweiligen Sitzungsteile beschränkt werden. Eine solche Regelung gebe es in der Geschäftsordnung des Fahrgastbeirats, die während seines Bestehens in den relevanten Einzelfällen entsprechend praktiziert wurde.
"Aufgrund unserer Erfahrungen aus dem Fahrgastbeirat bis 2021 und aus anderen Regionen wissen wir, dass Pannen, wie die Sicherstellung einer ordentlichen Haltestelleninfrastruktur und Fahrgastinformation, durch mehr Beteiligung der Betroffenen hätten vermieden oder wenigstens auf wenige Einzelfälle minimiert werden können", ist sich Castellanos sicher. "Auch die nun zeitversetzt stattfindende Anpassung der Fahrzeiten im Schulverkehr hätten durch mehr Dialog mit Schulen, Eltern und Schülern im vornherein ohne den Ärger bei den Betroffenen besser berücksichtigt werden können. Die kürzlich öffentlich gewordene Kritik, dass es nicht nur im Weschnitzal, sondern auch in Laudenbach Probleme mit der Bewerbung des neuen Buskonzeptes gab, bestätigt hier nochmals, dass es beim Marketing erheblich hakt.“
- Anders als im damaligen Fahrgastbeirat seien die relevanten Akteure in der Mobilitätskommission „sehr unausgewogen“ vertreten, kritisiert bergstraße.mobil. Im Fahrgastbeirat wurden die Bewerberinnen und Bewerber aus der Bevölkerung nach ihrer Herkunft aus den Teilräumen des Kreises ausgewählt. Dies fehle in der Moko vollständig. Hier seien nur Verbände und Behörden im Gremium vertreten.
- Für die Besprechung und Evaluation von Maßnahmen im ÖPNV oder Radverkehr ist die Mobilitätskommission ungeeignet, da die Themenfülle innerhalb dieser Fachbereiche insgesamt zu groß ist. Erschwerend hinzu kommt, dass die MoKo bisher nicht mehr als zwei bis dreimal pro Jahr tagte, sodass relevante Themen bestenfalls nur zeitversetzt bearbeitet werden konnten.
Fazit: „Frustrierende und unproduktive Arbeitsumgebung“
In der beschriebenen "frustrierenden und unproduktiven Arbeitsumgebung der MoKo", die keinem Beratungsgremium gerecht werde, sondern vielmehr "an ein reines Informationsgremium" erinnere, könne keine ordentliche Beratung stattfinden. Die mit dem Gremium verbundenen politischen Ziele könnten so jedenfalls nicht erreicht werden, so bergstraße.mobil.
Im Ergebnis fühlt sich das Netzwerk, das 2021 nach der politischen Absage des Fahrgastbeirats gegründet wurde, durch die Stellungnahme der Kreisverwaltung und seine Beobachtungen in der Praxis in seiner Kritik bestätigt. Die Managementprozesse beim Kreis und in den Kommunem müssten im Bereich des ÖPNV verbessert und bewährte Beteiligungsstrukturen wiederaufgebaut werden. Passende Vorbilder dazu gebe es in allen hessischen Nachbarkreisen. Dort würden Fahrgastbeiräte nie infrage gestellt. Auch das ÖPNV-Management sei dort insgesamt professioneller und kundennäher aufgestellt.
Abschließend betont Castellanos, dass sich die Kritik von bergstraße.mobil zum Missmanagement auf der Kreisebene ausdrücklich nicht an die in direktem Kundenkontakt stehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreisverwaltung richte, "die nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten Schadensbegrenzung und Mangelverwaltung leisten". Das Problem liege "auf den oberen Management-Ebenen des Kreises und dem Desinteresse der Kreispolitik ordentliche Strukturen zu schaffen, um den ÖPNV im Kreis Bergstraße spürbar voranzubringen".
Solange sich in diesen fundamentalen Fragen nichts ändere könne die im Klimaschutzkonzept des Kreises geforderte Verlagerung des Verkehrs auf klimafreundliche Verkehrsmittel nicht gelingen.
Stellungnahme bergstraße.mobil vom 29.01.2025
(Reaktion auf Bericht in OZ vom 27.01.2025 https://www.wnoz.de/nachrichten/odenwald/das-sind-die-14-neuen-bushaltestellen-in-rimbach-und-moerlenbach-605405.html )
Abgesehen von einzelnen Zeitungsberichten nach einer Pressekonferenz im Dezember und einem Social-Media-Posting der Kreisverwaltung wurden keine weiteren Marketing-Aktivitäten unternommen. Wen wundert es also, dass kaum jemand über das neue Buskonzept informiert war?
Die offensichtlich mangelhafte Kommunikation des Kreises Bergstraße und des VRN zur Einführung des neuen Buskonzeptes sind nur ein Symptom. Sie zeugt nur über die Defizite des Nahverkehrsmanagements im Kreis Bergstraße. Wir nehmen das zugegebenermaßen wenig überraschend zur Kenntnis, kennen wir seit der Aussetzung des Fahrgastbeirats im Jahr 2021 nichts anderes.
Besonders bestürzend finden wir, dass die Gemeinde Rimbach mit der Umsetzung der Maßnahmen aus dem Nahverkehrsplan Mitte Dezember 2024 offenbar überrascht wurde. Und das obwohl Kreis Bergstraße und VRN mit einem Vorlauf von zwei Jahren(!) die Ausschreibung des Linienbündels initiiert und danach den Zuschlag an das bestbietende Verkehrsunternehmen (hier: DB Regio Bus Mitte) erteilt haben.
Zwischen Bezuschlagung und Inbetriebnahme war also eigentlich genug Zeit vorhanden, um mit der Gemeinde das Gespräch zu suchen und insbesondere ordentliche Haltestellenschilder mit Fundament im Boden plus ausreichend Aushangkästen für alle Aushänge zu installieren.
Weil es nach unseren Beobachtungen kein ordentliches Qualitätsmanagement im Kreis Bergstraße gibt, ist das auch im übrigen Kreisgebiet leider die Regel, dass bei größeren Konzeptänderungen mit neuen Haltestellen und Linienführungen Fahrgäste wochen- bis monatelang mit unansehnlichen und alles andere als den Standards einer barrierefreien Fahrgastinfo entsprechen Provisorien (z.B. mit Kabelbindern befestigten Liniennetzpläne, fehlende oder falsche Aushänge bzw. Zielschilder an den Haltestellen) zu tun haben.
Damit und mit der seit 2022 auf Anweisung von Landrat Christian Engelhardt eingetretenen Abschottung vor jeglicher konstruktiver Kommunikation mit uns - dem VRN wurde der Austausch mit uns auf unseren öffentlichen Netzwerktreffen untersagt -
bestätigt sich einmal mehr unser Eindruck, dass der Kreis als zuständiger Aufgabenträger sich nicht ausreichend um seinen ÖPNV kümmern möchte und vor allen Dingen den konstruktiven Dialog mit den direkt Betroffenen - den ÖPNV-Kunden - scheut wie die Pest. Das betrifft sowohl den Busverkehr, als auch Bahnthemen (z.B. Reaktivierungsbemühungen zur Überwaldbahn, die nicht wirklich weiterkommen).
Angesichts der vielversprechenden politischen Signale zur langfristigen Entwicklung des ÖPNV, die man den Inhalten des 2020 unter breiter Öffentlichkeitsbeteiligung aufgestellten und fast einstimmig durch den Kreistag beschlossenen Nahverkehrsplans entnehmen kann, ist das umso bedauerlicher.
Info:
bergstraße.mobil ist ein Netzwerk, das an Mobilitätsthemen im Kreis Bergstraße interessierte Bürger und Organisationen vereinigt. Es setzt die erfolgreichen Aktivitäten des Fahrgastbeirats des Kreises Bergstraße fort, der zwischen 2017 und 2021 bestand, und engagiert sich vor allem für eine Verbesserung öffentlicher Verkehrsmittel, sowie des Rad- und Fußverkehrs. Die Gruppe ist für alle Interessierten offen und lebt vom Erfahrungsaustausch! Über unseren b.mobil-Newsletter, unsere Threema-Gruppen und Netzwerktreffen tauschen wir uns aus. Jetzt unter www.bergstrassemobil.de eintragen!
ICS-Links zu unseren digitalen Kalendern – jetzt abonnieren:
Veranstaltungen https://posteo.de/calendars/ics/0kjj07nne1eh0w0yfevydiz1b9ol3npp
Fahrplanänderungen https://posteo.de/calendars/ics/vodc2luhf5yehiy5men0saphkzumn9ul
Unterstützung: https://www.bergstrassemobil.de/foerderung