Einst trug es sich zu, daß ein junger Ritter auf der Suche nach Abenteuern in einen finsteren Wald kam, wo er eine noch viel finsterere Höhle entdeckte. Aus dem schwarzen Schlund der Höhle kräuselte sich blauer Rauch und zog in wunderschönen Ringen gen Himmel.
Der Ritter, Ottokar der Hübsche genannt, schüttelte seine schwarzglänzende Lockenpracht und sprach „wer wohl in dieser Höhle solch kunstfertigen Rauch ausstößt? Ich muß es wissen!“ Und er schnallte sich Taschen, Mantel und alle Bedenken ab und ließ sie mit seinem treuen Roß im Wald zurück. Ein bißchen allein fühlte er sich schon, so ganz ohne seine Tiegel und Töpfchen, seine Salben und Duftwässerchen. Aber „Nur wenn du auf Abenteuersuche gehst, wirst du eine Prinzessin finden, die dich heiraten will!“ hatte seine Mutter gesagt. Ottokar wollte gar keine Prinzessin, aber davon wollte seine Mutter nichts hören. Mit gebieterischer Miene hieß sie ihn, Vorbereitungen für das Abenteuer zu treffen und wies ihm schließlich den Weg zum Burgtor hinaus. Was sollte Ottokar da anderes tun, als zu gehorchen?
Vorsichtig schlich er die ersten Schritte hinein in die dunkle Höhle, den Rauchringen entgegen. Um eine Biegung herum - es wurde dunkler, um eine zweite Biegung herum - Ottokar mußte seine Laterne entzünden, um eine weitere Biegung herum - und Ottokar blieb die Luft weg. Doch nicht der Rauch ließ ihm den Atem stocken, nein: eine unermeßlich große, unermeßlich schuppige, und offenbar auch unermeßlich übellaunige Kreatur blickte ihm entgegen.
Ganz ohne Zweifel starrte dem Ritter Ottokar hier ein Drachen entgegen, einer von der grimmigen Sorte. Zornig rollten aus seinem tiefen Schlund böse Worte, Worte die Ritter Ottokar die Schamesröte ins Gesicht trieben.
„Ei Drache, warum fluchst du denn so gotteslästerlich?“ fragte er erstaunt und strich sich dabei durch seine Lockenpracht.
„Ach, wenn du wüßtest! Aber mit dir scheint ja auch nicht alles zum Besten zu laufen,“ stellte der Drache fest und begutachtete Ottokar den Hübschen von allen Seiten. „Seidene Kleider, silberne Schnallen an den Schuhen, Sammetbänder hier und Sammetbänder da, ein Glitzern wie von Sternentau in den Haaren, sag an, was für ein Ritter bist du denn? Und was, so verrate mir, hast du in deinem hübschen rosa Perlentäschchen?“
„Oh nein, mein Täschchen zeige ich dir nicht. Und ja, es läuft nicht alles zum Besten. Ich soll das Abenteuer suchen, und dann muß ich eine Prinzessin heiraten. Ich will keine Prinzessin heiraten!“ Und damit stampfte Ottokar mit dem Fuß auf. Der Drache schüttelte sacht den Kopf und sagte nachdenklich: „nein, eine Prinzessin ist wohl nichts für dich, und auch für Abenteuer bist du nicht gemacht. Aber ich will sehen, was ich für dich tun kann.“
Ritter Ottokar wunderte sich ein wenig, denn ihm waren bislang nur bösartige Drachen die wegen jeder Kleinigkeit Feuer spuckten, bekannt. Dieser hier aber wollte ihm sogar helfen!
„Nun“, sprach der Drache, „ich habs. Du wirst einfach bei mir bleiben. So brauchst du keine Prinzessin zu heiraten, aber deine Leute werden dich in ehrenvoller Erinnerung halten, denn du bist heldenmütig in die Drachenhöhle gezogen.“
„Und was“, so fragte Ritter Ottokar ganz verdattert, „was muß ich hier bei dir tun? Wirst du mich etwa fressen?“
„Nein, ich pflege keine Ritter zu fressen - die Rüstung, du weißt schon, sie macht mir Verdauungsprobleme. Aber du hast da solch einen hübschen Spiegel. Laß mich doch mal hineinsehen, auf daß ich meine Rauchringe noch schöner ausstoßen kann!“ Und der Drache nahm den silbernen Spiegel des Ritters, hielt ihn sich vor den Rachen und formte die allerliebsten Rauchringe. Kein Fluch kam mehr über seine Lippen, und ans Feuerspucken dachte der Drache überhaupt nicht mehr. Ottokar aber war es zufrieden und führte dem Drachen fortan den Haushalt. Und wenn sie nicht gestorben sind, so werden wohl noch heutigentags aus dem Wald, dort wo er am finstersten ist, hübsche Rauchringe aufsteigen.
Marieta Hiller, 2010