Für viele ältere Mitbürger weckt das ehemalige Reichenbacher Schwimmbad schöne Erinnerungen an erfrischende Abkühlung und nette Erlebnisse. Ab dem 19.Mai 1927 bis in die 60er Jahre war das kleine Freibad im Höllacker der Freizeitspaß Nummer eins im Lautertal. Für viele bot das Bad erst einmal die Gelegenheit schwimmen zu lernen. Leider musste die Freizeiteinrichtung nach einem Todesfall durch Herzversagen geschlossen werden.
Schwimmbadschild: Schon an der Ecke Nibelungenstraße/Friedhofstraße in Reichenbach wurden die „Sommerfrischler“, wie Touristen früher bezeichnet wurden, mit diesem Schild auf das Freibad im Höllacker hingewiesen
Wie Hilde Hogen in einem Rückblick auf das Bad schrieb, konnten die Betreiber, das Ehepaar Elise Reiche, geborene Dude und Friedrich (Fritz) Reiche, die dem Unfall folgenden behördlichen Auflagen nicht erfüllen. Trotz einiger „Modernisierungsmaßnahmen“ war die endgültige Schließung in den 60er Jahren nicht aufzuhalten, was nicht nur von der Reichenbacher Jugend bedauert wurde, wie Heinz Eichhorn in einer Abhandlung über den früheren Verkehrsverein schreibt. Besonders das Sprungbrett soll bei jungen Männern sehr beliebt gewesen sein, konnten sie doch mit einem eleganten Kopfsprung die anwesende Mädchenwelt beeindrucken. Wem der Sprung zu einem „Bauchplatscher“ misslang, dem war der Spott der Zuschauer sicher. Beliebter Treffpunkt der örtlichen „reiferen“ Teenager war die hintere Liegewiese. die den älteren Gästen vorbehalten war. Hier wurden die ersten Flirtversuche unternommen oder bahnte sich gar die eine oder andere dauerhafte Beziehung an. Die jüngeren Besucher mussten Punkt 18 Uhr das Bad verlassen, da war Elise Reiche unerbittlich.
Badespaß für Jung und Alt bot das Reichenbacher Schwimmbad fast vier Jahrzehnte in jedem Sommer
Das betonierte Schwimmbecken hatte Ausmaße von 14 mal 23 Meter und war durch eine Flachwasserzone auch für kleiner Kinder und Nichtschwimmer geeignet. In dem für Schwimmer abgegrenzten Teil sank der Beckenboden am Ein-Meter-Brett bis auf 2,20 Meter Tiefe. Beliebtes Spiel war „Wasserfang“, wobei man dem „Fänger“ durch möglichst langes Abtauchen in die naturtrüben Fluten entkommen konnte. Die kleine Badeanstalt hatte einen hohen Abhärte-Faktor, wenn das Schwimmbecken -meist montags- mit dem kalten Wasser des vorbeifließenden Reichenbachs frisch gefüllt war. Dafür war die Dusche bereits „solarbeheizt“. In einer Betonwanne über der Dusche erwärmte die Sonne das Duschwasser. Ganz „Hartgesottene“ legten sich nach der Dusche in den vorbeifließenden Reichenbach. Legende sind die Holzwänden der nach Geschlechtern getrennten Umkleidekabinen. Durch deren Astlöcher war der eine oder andere neugierigen Blick zu den Mädchen nebenan möglich. Da sich das herumsprach, wurde diese Kabine von den einheimischen Damen gemieden.
In ihrer Rückschau wusste Hilde Hogen über die Entstehung des Reichenbacher Freibades zu berichten, dass 1926 die Scharschmidt-Wiese gekauft wurde und, Heinrich Dude zusammen mit Georg Mink die Grube für das Becken ausgehoben haben. Im Winter sackten die Wände immer wieder ein. Dennoch konnte am 19.Mai 1927 die Einweihung mit einem großen Fest samt Blaskapelle und mit Fackeln auf einem schwimmendem „Floß“ gefeiert werden.
Bis 1936 gab es durch Frost immer wieder Einbrüche der Wände, die jedes Mal mit Zement verfestigt wurden. Ab 1936 war dann rundherum alles stabil. Jedes Jahr eröffnete man die Badesaison mit einem Schwimmbad-Sommerfest mit Musik, Getränken und Würstchenstand bei regem Zuspruch. 1928 haben sich aber Heinrich Dude und Georg Mink getrennt. Mink wurde ausbezahlt. 1929 starb Heinrich Dude, Die Erben waren seine Geschwister Elise Reiche, Anna Berg und Wilhelm Dude. Elise Reiche zahlte ihre Geschwister aus und übernahm das Schwimmbad.
Bis etwa 1928, so Hilde Hogen, standen an der Nordwestseite zwei ausgediente Omnibus-Oberteile, die für Wohnlichkeit für die Familie in der Sommerzeit gesorgt hatten. Diese Busaufbauten hatte man von Heinrich Lipka erworben, der die Unterbauten und Motoren zum Lastwagenbau für seinen Fuhrbetrieb verwendete.
Zwischenzeitlich wurden auf dem Gelände noch Solebäder in Holzbottichen betrieben Als das 1936 eingestellt wurde, baute Familie Reiche an der Stelle Wohnräume und versetzte die bis dahin querstehenden Kabinen an die Straßenseite.
In den Jahren vor dem Krieg kauften Reiches von Scharschmidts noch ein Stück Land rechts vom Eingang dazu und stellten die „Omnibusse“ an die Straßenseite, wo später das Kassenhäuschen hinkam. 1946 wollte Fritz Reiche eigentlich eine kleine Elektrikerwerkstatt an die Stelle der Omnibusse bauen. Als 1946 Ludwig Reiche aus Norddeutschland nach Reichenbach kam, beschloss man die Werkstatt etwas größer zu machen und ein Stockwerk plus Kniestock aufzuschlagen, um noch eine Wohnung zu erhalten.
Mit dem schweren Pferdefuhrwerk der Steinindustrie wurden die Granitsteine für das Fundament vom Felsberg geholt. Die erforderlichen Backsteine bekam man durch den Abriss der alten Werkstatt im Oberdorf. Die Backsteine klopfte man sauber, um sie beim Hausbau wieder zu verwenden. Ende 1948 konnte das Haus von der Familie Gretel und Ludwig Reiche bezogen werde.
Nach der Schließung des Reichenbacher Schwimmbades bauten die alten Reiches am hohen Haus Küche und Nebenräume an. Im kleinen, niedrigen Haus wohnten lange Zeit Jugoslawen bis es mehrere Jahre leer stand und beinahe verfiel. Im März 1982 starb Gretel Reiche und Ludwig Reiche wollte im „Schwimmbad“ neu bauen. Ein mehrere Jahre dauernder Papierkrieg mit den Behörden ließ ihn Ende 1981 resignieren und er zog Anfang 1982 mit seiner zweiten Frau Hildegard nach Roßbach bei Erbach.
Das Schwimmbadgelände erwarben Ignatz und Hilde Hogen. Heute wohnt in dem niedrigen Gebäude Sohn Günter Hogen, der die Reste des alten Schwimmbeckens in ein Biotop umgewandelt hat mit einem Sitzplatz, um die eingewanderten Amphibien und Insekten zu beobachten. Das „hohe“ Haus gehört dem anderen Sohn Alfred Hogen, dem heutigen Ortsvorsteher von Reichenbach.
Schwimmbad heute: Nur noch einige Mauerreste (l.) erinnern an das ehemalige Schwimmbad in Reichenbach, das der heutige Besitzer in ein Feuchtbiotop umgewandelt hat
Text und Fotos bzw. Repro Walter Koepff, Reichenbach