Endlich Ferien, endlich Freizeit! Doch woher kommt das Wort und seit wann gibt es Ferien? Wer Ferien oder Urlaub haben will, muß erstmal in die Schule oder zur Arbeit gehen, anders geht es nicht.
Fangen wir der Reihe nach an, Kindergarten zählt noch nicht als Arbeit. Also die Grundschule:
jeder kennt den Witz von Fritzchen, der nach dem ersten Schultag gefragt wird wie es war und der antwortet: „na ja ganz gut, aber ich bin nicht ganz fertig geworten, muß morgen nochmal hin.“
Die Grundschule geht auf die römische Elementarschule zurück, und die hieß „ludus“, was „Spiel“ bedeutet. Da hatten es die kleinen alten Römer wohl besser als Kinder hierzulande, denn wer möchte die Schule schon als Spiel bezeichnen? Hier bei uns dagegen war es viele Jahrhunderte lang üblich, daß Kinder ab dem siebten Lebensjahr richtig mitarbeiten mußten um den Familienunterhalt zu verdienen. Es gab keine Kindheit, keine Spiele, keine Schule - und keine Ferien.
So sahen die Schulbänke früher aus, heute zu sehen in der Schulstube im Regionalmuseum Reichelsheim
Die nämlich wurden erst erfunden, als man die Schulpflicht einführte, um Kindern Bildung zu vermitteln. Da stellten die Eltern fest, daß die kleinen Arbeitskräfte plötzlich fehlten, besonders im Sommer und Herbst, wenn auf den Feldern viel Arbeit anfiel. Deshalb wurden in den Schulen die Ferien eingerichtet: damit die Kinder in der Hauptsaison bei der Arbeit mithelfen konnten.
Pustekuchen also mit „schönen Ferien“, mit Spiel und Spaß. Gespielt haben früher nur die Kinder der vornehmen Leute, und mit deren Spielsachen vergnügten sich auch die Erwachsenen bei Hofe. „Ferien“ waren bei den alten Römern ursprünglich Feiertage, an denen die Götter geehrt wurden, dazu war an diesen Tagen arbeitsfrei. Während Kinder Ferien haben, haben Erwachsene Urlaub. Auch den gab es früher nicht, denn die Arbeit riß nicht ab. Erst mit Einführung der Industrialisierung und der arbeitsteiligen Welt entstand sich ein freier Tag, dann ein freies Wochenende, und eine - viel zu kurze - Zeit der Erholung im Urlaub. Das Wort Urlaub kommt von Erlaubnis, nämlich der Erlaubnis des Feudalherrn, sich von seinem Arbeitsplatz oder seinem Wohnort zu entfernen. Man merkt schon, daß heute nicht alles so schlecht ist...
Damit wurde früher in der Schule geschrieben, Ausstellung in der Schulstube im Regionalmuseum Reichelsheim
1526 wurde mit Einführung der Reformation auch die Einrichtung von Schulen in Hessen beschlossen. In kleinen Orten gab es lange Zeit nur im Winter Schule, und die Kinder mußten Brennholz oder Briketts mitbringen. Aufgabe der Pfarrer war es, die Eltern über den Nutzen und Wert der Schule zu belehren. Ein Lehrer sollte 1832 mindestens 155 Gulden verdienen, (ein Gulden war in etwa der Tageslohn eines Zimmermanns, laut einer Breuberger Quelle anno 1807 knapp 13 Euro wert. Der Lehrer bekam also 2015 Euro pro Jahr!) Vor 1832 mußte er sein Mittagessen reihum an den Tischen der Familien im Dorf einnehmen: das nannte man Wandeltisch, der wurde mit Einführung des Mindestlohns für Lehrer ab-geschafft. Kurze Zeit später begrenzte man die Klassenstärke auf 80 - achtzig! - Kinder pro Klasse und in Lindenfels entstand eine Lehrerbildungsanstalt. Man begann Schulhäuser zu bauen und die Schulzeit auf acht Jahre festzusetzen. 1919 übernahm das Deutsche Reich die oberste Gesetzgebung im Schulwesen.
Deutsche Schrift - Tafel in der Schulstube im Regionalmuseum Reichelsheim
1945 fiel der Unterricht von April bis September aus, wenig später ging es weiter, es folgte die Lernmittelfreiheit. Das war nicht überall so, denn inzwischen war die Hoheit über das Schulwesen auf die Länder übergegangen, und in Nordrhein-Westfalen etwa mußten alle Bücher gekauft werden. Ich habe meine noch heute, während ich die unappetitlichen hessischen Bücher, die vor mir schon durch viele Hände gegangen waren, nie mochte (außer den Diercke, den man getrost in der Schule lassen konnte, weil er ja nicht meiner war). 1960 entstanden die ersten Mittelpunktschulen, 1970 Gesamtschulen. Zuständig für das Schulwesen sind jetzt die Kreise. 1980 erst wurde die Fünftagewoche eingeführt, vorher mußte man auch Samstags zur Schule.
Die Brensbacher Schulordnung anno 1609
Roch köstlich nach Spiritus: Matrizen-Abzugsgerät in der Schulstube im Regionalmuseum Reichelsheim
M. Hiller, Dezember 2017
Draußen spielen in den Ferien? Oft Fehlanzeige
Ferien und Urlaub gab es früher nicht...
Wir haben es wirklich gut. Wir fahren zu einem Urlaubsort - sei es am Meer, in den Bergen oder anderswo. Manche lieben ländliche Ruhe, andere die Betriebsamkeit der Städte oder Touristenattrak-tionen. Und wer zuhause bleibt, für den gibt es im Odenwald und der näheren Umgebung viel zu entdecken.
Aber Ferien oder Urlaub gibt es noch gar nicht so lange: erst im 18. Jahrhundert wurde - nach der allgemeinen Schulpflicht - auch die Freizeit eingeführt. Vorher konnten viele Kinder nicht zur Schule gehen: sie mußten schon von klein auf in der Landwirtschaft helfen. Mit der Schulpflicht bekam man zunächst nur zur Kirchweih (Kerb) oder zu Märkten frei. Die Ferien wurden geschaffen, damit die Kinder während der wichtigsten Zeiten auf dem Bauernhof helfen konnten: zur Aussaat, zum Jäten und zur Ernte, also um Ostern, im Sommer und im Herbst.
Richtige Freizeit mit Spiel und Spaß hatten die Kinder da noch nicht. Mußten die Kinder früher auf dem Hof mitarbeiten, so leiden sie heute unter Schulstreß, viele können gar nicht mehr entspannt spielen - und schon gar nicht draußen:
53 % der Eltern finden es zu gefährlich, Kinder im Wald spielen zu lassen, gar ohne Aufsicht! Fast ein Fünftel aller Kinder hat noch nie ein frei lebendes Tier gesehen, die Hälfte ist noch nie auf einen Baum geklettert! Mit den Füßen fest auf der Erde stehen, mit allen Sinnen die Natur in sich aufnehmen, das ist ein Erlebnis, das oft nur noch wenige Kinder auf dem Land finden. Dagegen soll es Kinder geben, die in ein Bilderbuch schauen und versuchen durch Wischen die Seiten umzublättern.
Also genießt eure Ferien und euren Urlaub - und freut euch daß ihr zur Schule gehen dürft - das wünscht euch Marieta Hiller, Sommer 2018