Euphemismen sind Wörter, die besonders gern von Politikern und Statistikern verwendet werden. Euphemismus bedeutet Beschönigung, und wer kennt sie nicht, all die netten Umschreibungen: „Minuswachstum“ für Rezession; „friedenserhaltende Maßnahmen“ für einen Kriegseinsatz, „Entsorgungspark“ für eine Müllkippe, „notleidende Banken“ für das Versagen einer überbezahlten Kaste. Harmlos dagegen, daß Mohrenkopf und Negerkuß jetzt Schokokuß heißen, aber daß Fastfood-Ketten sich selbst als Restaurant bezeichnen, ist ein Unding.
Seit 1991 kürt eine Jury jedes Jahr das „Unwort des Jahres“. Ins Leben gerufen vom Sprachwissenschaftler Horst Dieter Schlosser, entlarvte die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) und später die Jury „Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres“ Jahr für Jahr solch beschönigende Worthülsen.
So wurde beispielsweise im Jahr 2000 das zynische „national befreite Zone“ für eine Region, die von Rechtsextremisten „ausländerfrei“ gemacht werden soll, zum Unwort des Jahres.
„Freiwillige Ausreise“ für Abschiebung (2006) „Döner-Morde“ als Diskriminierung der Opfer zum Wohl der Täter (Verfassungsschutz?!, 2011), „Sozialtourismus“ für unerwünschte Zuwanderer (2013), „Lügenpresse“ für kritische Medien, „Gutmensch“ für unbequeme Ehrenamtliche (2015) und „Volksverräter“ für demokratische Politiker (2016) sowie „alternative Fakten“ für Verschleierungen (2017) charakterisieren die politisch-soziale Haltung mancher Mitbürger und populistischer Gruppierungen.
„Alternativlos“ (2010) war auch so ein Wortungeheuer, geschaffen von Angela Merkel gegen die Politikverdrossenheit der Bürger.
Aus dem Arbeitsleben kommen weitere Euphemismen, die Unwort des Jahres wurden: 2009 etwa „betriebsratsverseucht“. 2005 war es „Entlassungsproduktivität“ - gemeint sind Unternehmensgewinne nach Entlassung zahlreicher „überflüssiger“ Mitarbeiter. „Humankapital“ (2004) als rein ökonomisch fokussiertes Menschenbild, die unsägliche „Ich-AG“ (2002), die mit einem einfachen Kniff die Arbeitslosenzahlen bereinigte.
Und 2018 liefert Seehofers „Erfüllungsgehilfe“ Alexander Dobrindt die „Anti-Abschiebe-Industrie“ als Unwort des Jahres. Laut Jury die Unterstellung an Helfer, mit der Verhinderung von Abschiebungen Geld zu verdienen und so Asylbewerber zu produzieren.
Mit solchen Begriffen werden „bildungsferne“ Bevölkerungsschichten versorgt, die diese dann fröhlich weiter ausformulieren, gern mit dem Zusatz „das wird man ja wohl noch sagen dürfen.“
Nein, manchmal darf man das eben nicht!
M. Hiller, im Januar 2019