Nur mal angenommen: Sie wollten sich unsichtbar machen: keine Postadresse, keine Telefonnummer, keine Internetseite, keine Mailadresse.

Sie existieren einfach nicht. Geht gar nicht: Ihre Daten sind überall zu finden.

Irgendwann lassen Sie sich dazu hinreißen, einen besonders dummen Facebookeintrag zu kommentieren. Wenn Sie Pech haben, geht das Theater dann richtig los: shitstorm, jemand fotografiert Ihr Haus, Ihre Kinder, Ihren Hund, stellt Ihre Vorlieben online.

Googeln Sie mal Ihren Namen, Sie werden staunen. Der einzige mir bekannte Mensch, der nicht gefunden wird, war so schlau den gleichen Namen wie ein Tatortkommissar zu haben.
Ihre Straße ist Werbespezialisten bekannt: entweder wohnen Sie in einer Straße mit Nachbarn, die gern viel Geld ausgeben - dann werden Sie mit entsprechender Werbung überschüttet.
Oder Sie wohnen in einer Straße mit vorwiegend Hartz-4-Empfängern - dann bekommen Sie online nicht mal Kauf auf Rechnung angeboten.

Und haben Sie auch nur ein einziges Mal im Internet Schießer Feinrippunterhosen für einen alten Verwandten bestellt, können Sie keine Seite mehr öffnen, ohne daß Ihnen dieselben wieder und wieder angeboten werden. Als bräuchte man die täglich neu!

Ihre Spuren sind überall, und trotzdem überschlägt sich der Datenschutz mit Maßnahmen und Formularen. Alles muß geschützt werden - nur offenbar muß ich nicht vor Schießer Feinripp geschützt werden. Leider mußte ich dem Datenschutz sogar meinen nächsten Aprilscherz opfern: geplant war eine Glosse über geschwärzte Telefonbucheinträge und Türklingelschilder. Da war die Realität schneller als es wieder April wird: Neuerdings gibt es nämlich in den Wohnsilos bestimmter Vermietungsfirmen keine Namensschilder mehr an der Tür. Nur eine Platte mit 150 Klingelknöpfen. Wo Frau Meier wohnt? Probieren Sie mal den achten Knopf in der fünfzehnten Reihe. Frau Meier ist nämlich ab sofort nur noch Nummer 08/15. Das schützt sie zuverlässig vor der Verstopfung ihres Briefkastens.

Wird die Datenschutz-Hysterie am Ende tatsächlich noch dazu führen, daß Telefonbücher geschwärzt werden müssen?
Aber wer weiß überhaupt noch, was ein Telefonbuch ist?In Zeiten der Internetrecherche eine wichtige analoge Quelle!

Sucht man beispielsweise nach der Häufigkeit von Familiennamen in bestimmten Regionen, so hilft das Telefonbuch weiter. Einwohnerlisten lassen sich im Internet nicht finden, man erhält keinen Überblick über an bestimmten Orten vorkommende Namen. Im Telefonbuch stehen sie aber treu aufgereiht. Wer hier nicht erscheinen möchte, dessen Name taucht auch nicht auf. Zuverlässig.

Marieta Hiller, September 2021