Eine 1100 Jahre alte Beschwörung aus einer alten Handschrift: Beleg für die Kostbarkeit der Biene für die Menschen in althochdeutscher Zeit.

Magie war zu jener Zeit im Bewußtsein der Menschen, es konnte keinen Zweifel geben, daß der Bienensegen wirksam wurde, wenn er ausgesprochen wurde. Im Unterschied zum Gebet soll ein magischer Spruch Wirkkräfte im Menschen selbst entfalten, übernatürliche Kräfte um seine Wünsche selbst verwirklichen zu können. So etwas konnte den Kirchenvätern nicht gefallen, wurden doch im Gebet Wünsche ausschließlich durch Gottes Gnade erfüllt. Dennoch blieb dieses althochdeutsche Spruchwerk erhalten, denn ein Mönch nutzte den Text zu Schriftübungen. Hierzu nahm er sich einen Text aus dem 9. Jahrhundert zur Vorlage, und uns konnte er dadurch überliefert werden. Am Rand eines Pergamentes mit Texten von Augustinus, Bonifatius u.a. zeigt sich der Bienensegen. Nicht einmal das große Feuer im Kloster Lorsch anno 1090 konnte ihn vernichten. Heute ruht die Handschrift im Vatikan unter der Signatur Pal.lat.220.

Der Bienensegen

Soviel Magie für ein solch winziges Tierchen! Und doch müssen wir Menschen voller Bewunderung einräumen, daß es in einem Bienenvolk gesitteter und geordneter zugeht als in unserer Menschenwelt. Honig und Wachs waren in früheren Jahrhunderten unerläßlich für Haushalt und Arznei. Süßen konnte man nur mit Honig, denn Rohrzucker wurde erst viel später entdeckt. Mit Wachs konnte man Gefäße luftdicht verschließen. Honig wirkte antibakteriell und versüßte bittere Arzneien. Im - ebenfalls berühmten - Lorscher Arzneibuch (ca. 790 n. Chr.) gehört in einem Viertel aller Rezepte Honig dazu, außerdem Propolis und Wachs. Ursprünglich lebten Bienen in Baumhöhlen, weshalb abgestorbene Bäume eine wichtige Aufgabe im Wald haben! Der Zeidler sammelte den Waldhonig aus den Höhlen. Aber es drohte Todesstrafe, nahm der Zeidler den Bienen zuviel Honig weg, so daß sie selbst nicht über den Winter kamen. Aber auch die Bienenhaltung in Krügen oder Körben gibt es schon sehr lange: die alten Ägypter kannten sie schon. Im Kloster Lorsch wurde viel Honig gebraucht, daher vermutet man daß die Mönche dort selbst Bienenvölker hielten. Hinzu kamen Abgaben der Untertanen. Und schwärmte nun ein Bienenvolk aus seinem Korb aus, um eine neue Königin zu finden, so mußte alles daran gesetzt werden, den Bie wieder einzufangen. Aus diesem Grunde entstand der Lorscher Bienensegen - ein starker Spruch! Honig galt übrigens schon seit der Antike als Himmelstau, im Mittelalter bewahrte er vor Unheil und Dämonen. Siehe auch "Lebkuchenbäckerei im Odenwald" Marieta Hiller, Oktober 2017

Hier der Text nochmals in kopierbarer Form:

Kirst, imbi ist hûcze
Nû fliuc dû, vihu mînaz, hera
Fridu frôno in munt godes
gisunt heim zi comonne

Sizi, sizi, bîna
Inbôt dir sancte Maria
Hurolob ni habe dû
Zi holce ni flûc dû Noh dû mir nindrinnês
Noh dû mir nintuuinnêst
Sizi vilu stillo
Uuirki godes uuillon

Übersetzung

Christ der Bienenschwarm ist hier draußen!
Nun fliegt,ihr meine Bienen,kommt.
Im Frieden des Herren, unter dem Schutz Gottes.
kommt gesund zurück.

Sitzt sitzt Bienen.
Der Befehl kommt von der Jungfrau Maria.
Ihr habt keinen Urlaub;
fliegt nicht in den Wald;

Weder sollt ihr von mir entgleiten.
Oder vor mir flüchten.
Sitzt im absolut Stillen.
und erfüllt Gottes Willen.