Die Weidehaltung von Kühen ist heute eher die Ausnahme. Welche Gründe haben Milchviehbetriebe, ihre Tiere im Stall zu lassen?

Dass immer weniger Milchkühe auf die Weide dürfen, ist ein Trend, der bereits vor vielen Jahren eingesetzt hat. Schon im Jahr 2010, aus dem die letzten Erhebungen zur Weidehaltung stammen, ermöglichten nur 42 Prozent der Betriebe ihrer Herde einen regelmäßigen Weidegang.

Seitdem dürfte der Anteil noch einmal deutlich gesunken sein. Davon ausgenommen sind Verbands-Bio-Betriebe, bei denen ein Zugang zur Weide vorgeschrieben ist.

Dabei spricht einiges für die Weidehaltung. Die Kühe haben hier mehr Bewegungsfreiheit, können ihrem natürlichen Liegeverhalten besser nachgehen und ihre Klauen und Gelenke werden geschont. Außerdem fördern Sonneneinstrahlung und frische Luft die Gesundheit der Tiere und sie bleiben auch meist sauberer als im Stall.

Bessere Kontrolle der Futteraufnahme

Dennoch haben Milchviehhalterinnen und -halter auch gute Gründe, ihre Herde ganztägig im Stall zu halten. Wichtigster Punkt ist dabei die Intensivierung der Haltung in Form höherer Milchleistung und immer größerer Herden. Eine hohe Milchleistung erfordert ein anspruchsvolles Fütterungskonzept. Im Stall kann man jeder Kuh eine perfekt auf ihre Leistung zugeschnittene Futterration aus unterschiedlichen Komponenten vorlegen und kontrollieren, ob diese Ration vollständig gefressen wurde.

Bei Weidegang nimmt jede Kuh dagegen Gras in ungewisser Menge und Qualität auf. Vor allem der Energiegehalt, der für die Milchleistung entscheidend ist, liegt meist deutlich niedriger als bei den Stallrationen. Durch die Weide steigt auch die Gefahr für die Aufnahme von Parasiten wie Lungen- oder Bandwürmern. Der Befall senkt die Leistung der Tiere und erfordert eine Behandlung, die zusätzliche Kosten verursacht.

Weideauftrieb ist zeit- und arbeitsintensiv

Ein weiteres Problem ist, dass Weideflächen oft weiter entfernt vom Betrieb liegen. Gerade bei größeren Herden mit 100 oder mehr Kühen wird der Weideauftrieb dadurch sehr aufwändig, da man zum Teil mehrere Personen dafür benötigt oder eine gute Absicherung der Treibwege erforderlich ist. Auch der Zeitaufwand für das Treiben kann beträchtlich sein, besonders, wenn normale Verkehrsstraßen überquert und entsprechend gesichert werden müssen.

Wenn die Herde durchgehend im Stall bleibt, ist es für die Betriebsleitung zudem einfacher, das Brunstverhalten der Kühe zu beobachten oder mögliche Krankheiten frühzeitig zu erkennen.

Ein weiterer Faktor ist der große Aufwand für das Einzäunen und Absichern der Weiden. Auch die notwendigen regelmäßigen Kontrollen und die Instandhaltung der Zäune kosten Zeit und Geld. Das gilt auch für die Tränken auf der Weide, die für eine tiergerechte Weidehaltung elementar sind. Und nicht zuletzt ist ein Weidegang oft nicht kompatibel mit der Nutzung von Melkrobotern, die inzwischen auf vielen Betrieben eingesetzt werden.

Moderne Ställe erfüllen viele Ansprüche ans Tierwohl

Es bleibt die Frage, wie problematisch der Trend zur reinen Stallhaltung aus Sicht des Tierwohls ist. Hier lautet die gute Nachricht, dass Milchkühe insbesondere auf Großbetrieben nahezu ausschließlich in modernen Boxenlaufställen gehalten werden. Diese Stallform erlaubt es den Kühen, sich jederzeit frei zu bewegen, zu fressen oder eine Liegefläche mit Gummimatte oder Einstreu zu nutzen.

Die meisten Ställe sind zudem als Offenstall konzipiert, bei denen bewusst auf mindestens einer Stallseite auf eine Wand verzichtet wird. Damit ist im gesamten Stall eine großzügige Frischluftzufuhr sichergestellt.