Fließpfad- und Starkregenkarten zur Vorbeugung von Schäden: Starkregen im Landkreis Darmstadt-Dieburg

Sommerzeit, Starkregenzeit. Auch im Landkreis Darmstadt-Dieburg kommt es in den vergangenen Jahren vermehrt zu Starkregenereignissen, die Überschwemmungen nach sich ziehen, seien es vollgelaufene Keller oder auch Straßen und Plätze, die unter Wasser stehen. Zuletzt Anfang des Monats in Pfungstadt. Da es noch kein einheitliches kreisweites Warnsystem gibt, muss jede Kommune selbst vorbeugen. Hilfsmittel, die dazu derzeit zur Verfügung stehen, sind die Fließpfad- und Starkregen-Karten. Landrat Klaus Peter Schellhaas appelliert nun an die Kommunen, diese Karten für eine Bewertung von eventuellen Gefahrenpotenzialen zu nutzen. „Immer haben noch nicht alle Städte und Gemeinden diese Karten abgerufen, obwohl die Brisanz und Notwendigkeit vorhanden ist“, sagt Schellhaas. Schlüsse aus diesen Karten zu ziehen, sei derzeit die einzige Möglichkeit, um Überschwemmungen durch Starkregen zu begegnen. Der Landkreis habe bereits mit einigen Anbietern gesprochen, aber ein geeignetes System, das auch Starkregen berücksichtigt, sei noch nicht dabei gewesen, erklärt Uwe Avemarie von der Unteren Wasserbehörde des Landkreises. Also geben derzeit nur die Karten den Kommunen Hinweise auf eventuelle Gegenmaßnahmen, um Schäden künftig abzuwenden.

Fließpfadkarten bieten eine erste Übersicht der potenziellen Fließpfade, die das Regenwasser bei einem Starkregenereignis nehmen würde. Einbezogen werden Hangneigungen in unterschiedlichen Abstufungen, Landnutzungen und Gebäudeinformationen. Die Fließpfade werden mit einem Puffer von 20 Metern dargestellt, um die Gefährdung von Gebäuden oder anderer Infrastruktur besser sichtbar zu machen. Die Wirkungen von Gräben, Durchlässen und der Kanalisation sind in der Regel nicht berücksichtigt. Im Landkreis nutzen diese Karten, die kostenfrei vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) zur Verfügung gestellt werden, Alsbach-Hähnlein, Babenhausen, Bickenbach, Dieburg, Groß-Bieberau, Groß-Umstadt, Groß-Zimmern, Messel, Modautal, Mühltal, Münster, Ober-Ramstadt, Otzberg, Pfungstadt, Reinheim, Roßdorf, Schaafheim, und Seeheim-Jugenheim. Für Weiterstadt und Erzhausen war eine Bereitstellung aufgrund der Topografie nicht möglich, wie der Leiter der Zentralen Leitstelle, Matthias Maurer-Hardt, erklärt: „Hier trifft das Wasser auf eine überwiegend ebene Fläche, hier muss nur der Niederschlag von der Kanalisation aufgenommen werden.“ Dafür gibt es andere Modelle, die zu Rate gezogen werden können.
Fischbachtal und Groß-Zimmern haben vom HLNUG zusätzlich jeweils eine kostenpflichtige Starkregen-Karte angefordert. Diese stellen zusätzlich zu den Fließwegen auch Senken dar, in denen sich Wasser sammeln kann und die Wassertiefe, die bei einem angenommenen Starkregenereignis entstehen kann. In den Starkregen-Karten können auch die Kanalnetze mitsimuliert werden. Zudem werden kleinere Hindernisse wie Bordsteinkanten, Gartenmauern oder Einfahrten berücksichtigt. Mit einer Starkregen-Gefahrenkarte erfahren Sie genau, wo sich das Wasser im Fall eines Starkregen-Ereignisses in Ihrer Kommune sammeln würde und welche Gebäude oder Infrastrukturen besonders gefährdet sind.
Womöglich bietet für die Zukunft ein Starkregenfrühalarmsystem Abhilfe, das seit Ende April vollständig im Landkreis Fulda in Betrieb ist: In den dortigen 23 Kommunen – genauso viele wie im Kreis Darmstadt-Dieburg – sind rund 200 Sensoren in Abwasserkanälen, an Brücken, öffentlichen Gebäuden und an Gewässern installiert, die vor allem die Niederschlagsmengen, die Gewässerpegel und das Abflussverhalten in Echtzeit messen. Das System kombiniert diese Daten mit den Werten des Deutschen Wetterdienstes. Im Bedarfsfall löst es in Sekundenschnelle einen Alarm bei Bürgern, Rettungskräften und Verwaltung per SMS, E-Mail oder VoiceCall aus. Künstliche Intelligenz kommt bei der Auswertung der Daten zum Einsatz: Die Messergebnisse werden automatisiert analysiert, um den Alarmierungsprozess selbstlernend zu optimieren. Das Hessische Digitalministerium hat das Projekt mit 828.000 Euro aus dem Programm „Starke Heimat Hessen“ gefördert. Die Gesamtkosten belaufen sich auf knapp eine Million Euro. „Das ist aus unserer Sicht sinnvoll“, bewertet Matthias Maurer-Hardt das System, das auch auf andere Landkreise übertragen werden soll. Das Erfassen der Daten und die Alarmierung würden dann zentral vom Landkreis gesteuert. „Das Gute an diesem System ist, dass es über die Grenzen der Kommunen hinausgeht und so eine Gesamtbetrachtung ermöglicht“, sagt Landrat Schellhaas. Er kündigt an, dort Erfahrungswerte einzuholen. „Auf jeden Fall lernt man daraus, wie das Wasser sich bei Gewitter verhält“, ergänzt Uwe Avemarie, „und wo ich Vorsorge treffen muss.“ Bis es aber soweit sein könnte, bleibt aber den Kommunen nur die Nutzung der Karten und das Fachwissen etwa der Feuerwehren, um Schäden durch Starkregen vorzubeugen.   (tb)