Die Witwe des Grafen Georg Wilhelm zu Erbach-Erbach erließ gemeinsam mit ihrem Neffen Graf Georg Ludwig II im Jahr 1969 die Mühlordnung, die genau regeln sollte, wie sich Müller und Bevölkerung zu verhalten hatten. Geldstraßfen zwischen 15 Kreuzern und 10 Reichstalern wurden bei Zuwiderhandlungen gegen ihre Vorschriften verhängt. Ämter, Mühlbeschauer und Müller erhielten jeweils Abschriften.
Aus drei Exemplaren, die erhalten geblieben sind, stellte der Odenwälder Historiker Georg Freiling aus Zell 1992 durch Vergleich einen vereinheitlichten Text her. Eine der Vorlagen war eine Kopie von Georg Dascher, eine stqammte aus dem Stadtarchiv Michelstadt und eine war eine Abschrift von Ingeborg Diersch, Stadtarchiv Erbach.
Der Bau einer Mühle
Niemand durfte ohne herrschaftliche Erlaubnis eine neue Mühle bauen, der Wasserbau mußte so eingerichtet werden, daß anderen Grundbesitzern kein Schaden entstand. Mühlgräben mußten sauber gehalten werden, Schutz- und Stellbretter mußten eingerichtet werden, um größere Gewässer vor Sand- und Kiesablagerungen zu schützen und zugleich die Anrainer vor Hochwasser zu bewahren.
Wenn ein Müller eine defekte Schaufel an seinem Wasserrad nicht binnen 24 Stunden ersetzte, wurden 15 Kreuzer Strafe fällig, wer aber dem Müller das Wasser ohne Not abstellte, der mußte 10 Gulden Strafe zahlen. Wie Wände, Fenster, Türen und Böden im Mühlengebäude auszusehen hatten, wurde hier geregelt ebenso wie die Steinwerke (Bodensteine und Läufer, Gerbsteine) erhalten und ersetzt werden mußten. Zu weiche Steine durften nicht verwendet werden, da sie zuviel Abrieb ans Mehl abgaben. Der Mehlkasten mußte ganz trocken sein, doppelte Böden oder Wändungen waren verboten. Zugluft durch offene Türen oder zu große Löcher für den Wellbaum mußte vermieden werden, um Staubentwicklung zu verhindern.
Wie die Müller betrügen konnten
Und ein Absatz verweist auf den Volksglauben, nach dem der Müller stets verdächtig war... : "Heimliche Gerb-Rohr oder Staub-Häuschen sind verboten. Keinem Müller ist erlaubt, sondern bei 10 fl Strafe verboten, daß er unter dem ordentlichen Gerbrohr und Staub-Häuslein ein heimlich oder gedoppeltes Rohr oder noch ein Staub-Häuschen halte, weil dadurch den Mahlgästen ein heimlicher Abtrag geschieht."
Ein ordentliches Stück Geld kostete es den Müller auch, wenn er dabei erwischt wurde, wie er Mehl oder Kleie zurückbehielt und das fehlende Gewicht durch Sand ersetzte: 10 Reichstaler = 1 1/2 Gulden.
Die Mahlsteine
Ein frisch behauener Mahlstein mußte zuerst mit Spreu "eingemahlen" werden, vorzugsweise im Beisein des nächsten Mahlkunden, bevor dessen Mahlgut aufgeschüttet wurde. Nach dem Mahlen mußte 3x an die Zargen geklopft werden, damit alles Mahlgut des Kunden herausfiel. Wichtig war auch, daß das Mehl durch ein geschlossenes System von Rohren und Kästen vom Mahlstein bis in den Mehlkasten lief.
Der Müller durfte seine eigenen Futter- und andere Kästen aus der Mühle schaffen, "um allen Verdacht eines Abtrages und Vorteilhaftigkeit abzuwenden".
Die Gerbmühle (hier wurde Dinkel entspelzt) durfte vom Mahlkunden jederzeit geprüft werden: "beibet nun etwas von den Kernen auf den Händen liegen, es mag so wenig seyn als es wolle, so ist die Gerbmühle nicht recht, und der Müller inst in 3 fl. Straf verfallen." Die saubere Trennung von Körnern und Spelzen war also sehr genau vorgeschrieben. Beim Entspelzen (gerben) fielen die Spitzen (Keimlinge der Kerne) an, die dem Mahlgast unbedingt ausgehändigt werden mußten, da sonst bei einer Mühlbesichtigung der Mühlbeschauer vermuten könnte, diese würden dem Mahlgut beigemengt. Dagegen wurde die Spreu (Spelzen) zwischen Mahlgast und Müller geteilt. Auch dies hatte sauber und gewissenhaft zu erfolgen.
Unfallverhütungsvorschriften anno 1769
"Kämme, Zapfen und Spindeln sind fleißig zu schmieren, damit nicht der Mühlgast oder der Müller selbst ein Unglück bekomme" - mit 1 fl. oder mehr geahndet.
Vom richtigen Maß...
Der wichtigste Absatz handelt von den vorgeschriebenen, erlaubten oder verbotenen Maßen und Gewichten. Nur geeichte Maße und Gewichte durften eingesetzt werden, und jede Mühle hatte einen vollständigen Satz davon vorzuhalten. Die Eichung erfolgte durch das Centzeichen (Cent von Zent, dem Verwaltungsbezirk). Dem Mühlgast stand es frei, seine Frucht in Hohlmaß oder in Gewichten messen zu lassen. Nicht frei stand es ihm, zu einer anderen Mühle zu gehen, wenn ihm in dieser etwas nicht paßte. Welche Mühle wessen Gut mahlen durfte, war ganz genau festgelegt (Bannmühle). Erst wenn ein Müller einen Mahlgast vier Tage und vier Nächte nicht bedient hat, darf er seine Frucht aus der Mühle wieder mitnehmen zu einer anderen Mühle.
Eine Tabelle mußte Aufschluß darüber geben, "was ihnen nach dem Gewicht gebühret": 1 Center (Zentner = 100 Pfund = 50 kg) Frucht ergibt (z.B.) 80 Pfund Mehl und 10 Pfund Kleie (Kleie = Schrot) bei Korn, bei Dinkel ergibt sich 70 Pfund Weißmehl, 20 Pfund Bollmehl (schlechtere Qualität) und 10 Pfund Kleie. Da aber "bisweilen die Frucht schlecht sey oder allzuviel Staub haben sollte, kann oder soll der Müller solches gleich erinnern, da dann ein jeder Mahlgast, besonders wenn er selbst die schlechte Beschaffenheit seiner Frucht sieht, sich weisen und billig finden lassen wird."
Diese Tabelle muß sichtbar in der Mühle aufgehängt sein, die Gewichte oder Hohlmaße der gelieferten Frucht und des sich ergebenden Mehls muß auf einer Holztafel notiert werden. Streitigkeiten hierüber mußten vom Mühlbeschauer geklärt werden bzw. von Centgraf und Centschöffen entschieden werden.
Mahlgäste und Vieh und "wer zum ersten kommt, der mahlt zum ersten"
"Die Müller sollen nicht mehr Schweine, Gänse, Enten, Hahnen, Hühner, Kapaunen, Tauben und anderes Geflügel halten, als was sie nach Vermuthen wohl halten können. Keines davon durfte - ebenso wie anderes Vieh - in die Mühle gelassen werden, insbesondere die Lastesel mit den Säcken nicht.
Die Mahlgäste dagegen durften sich so lange in der Mühle aufhalten, bis ihr Mahlgut komplett ausgemahlen, abgesackt und aufgeladen ist. Das Mahlgut verschiedener Mahlgäste durfte nicht vermischt werden.
Der Müller hat einen Handkarren für den Transport der Säcke zu benutzen, damit die Säcke nicht über den Boden schleifen und kaputt gehen. Auch mußte das Mahlgut eines Mahlgastes vor dem Absacken vermischt werden, damit jeder Sack die gleiche Qualität enthielt.
Heikles Thema: wieviel Mahlgut steht dem Müller zu?
"Wie die Mitz zu nehmen ist" heißt es in der Mühlenordnung. Mitz oder Mitze ist Naturallohn des Müllers, ein Anteil am Mahlgut. Bei Dinkel wird die Mitz in Höhe von jedem 12. Molzer (Fruchtmaß 1/3 Simmer = 6,45 Liter) vor dem Mahlen von den Kernen genommen, bei Korn vom Mehl. "Der Müller solle aber bei Straf 5 fl. die Mitze nicht ohne des Mahlgastes oder der Seinigen Anwesenheit nehmen."
Will sich der Müller über die Höhe oder Angemessenheit einer Strafe beschweren, so geht dies nur über die Centschöffen. Diese können an die Ämter oder an die Regierung appellieren.
Gegeben Erbach und Schönberg, den 11. September 1769.