Wasser und Wein: zwei Flüssigkeiten, von denen der Odenwald nicht gerade viel bietet. Was den Wein betrifft: das war vor 350 Jahren anders. Zum Thema Wasser  bzw. Gewässer hat der Mühltaler Torsten Schäfer, Umweltjournalist und Professor an der TH Darmstadt, 2021 das Buch "Wasserpfade - Streifzüge an heimischen Ufern" -  veröffentlicht

(Oekom-Verlag Mündchen, ISBN 978-3-96238-226-1). Es beginnt mit dem Satz "Ich bin in der Hitze 2018 losgelaufen. Ich habe die Ufer verfolgt, bin eingetaucht..."

Schön ist, daß sich das Buch eher unwissenschaftlich leicht und flüssig (paßt ja zum Thema) liest, passagenweise auch etwas gefühlsduselig vielleicht. Aber Wasser ist etwas, das mit dem Gefühl erfaßt und verstanden werden kann. Wo es um die Modau geht, die Schäfer von der Quelle bis zur Mündung zu Fuß begleitet hat, spricht der Autor sehr konkret Probleme und Mißstände an. Auf seinen Wanderungen unterhielt er sich mit Naturschützern und Wasserwerkern, also Menschen, die beruflich und im Hobby viel mit der Modau zu tun haben und ihre Schwachstellen genau kennen. Die erste Erkenntnis, die die Lektüre vermittelt ist: jeder Mensch, auch ich, hat eine enge urtümliche Beziehung zu einem Gewässer. Welches Kind hat nicht im Bach gespielt? Mußten wir nicht als Jugendliche unbedingt - alkoholisiert - in Baggerseen und Steinbruchteiche hüpfen? Und sind nicht die Spaziergänge an Bachufern am idyllischsten?

Die kleinen Bäche sind namensgebend für Ortschaften und Gemeinden wie Modautal oder Lautertal. Mit dem Wasser beginnt das soziale Leben im Ort.
Bevor wir in diesem Beitrag die Modau - und später die Lauter - ausführlich vorstellen, soll jedoch auf den Titel "Weinbau im Odenwald?!" eingegangen werden. Denn bei Torsten Schäfer findet sich im Kapitel "Waldbrunnenland" der Hinweis, daß  Landgraf  Georg I (1567-1596) im Darmstädter Land nicht nur zahlreiche Mühlen und die Wasserversorgung für Darmstadt einrichten ließ, sondern auch den Weinbau vorantrieb.

Im letzten Heft hatten wir die Waldkarte des Hieronymus Zamminer vorgestellt, in der man die landgräflichen Anlagen rund um Darmstadt findet; diese gehen ebenfalls zum großen Teil auf Georg I zurück, ebenso wie die Eßkastanien, die er auf Reisen als Stecklinge aus Italien mitbrachte und um 1569/1570 im ganzen vorderen Odenwald anpflanzen ließ, damit die Untertanen etwas zu essen hatten.
Georg I führte die flächendeckende Schulpflicht ein, ließ jedoch auch in den Hexenverfolgungen 37 Menschen wegen Hexerei hinrichten, unter anderem ein 11jähriges Kind.

Für die von ihm neu konzipierte Residenzstadt Darmstadt führte Georg I die ersten einfachen Sozialsysteme ein. Für seine Untertanen probierte er vieles aus: Weinbau, Kastanienzucht, Melonenanbau, Seidenraupenzucht und Silberbergbau.
Schäfer berichtet von seinem Lieblings-Schlittenhang, dem Schmallert, der nun unterhalb mit Weinbergen zugebaut wurde, weil ein Gastwirt die alte Tradition nach 350 Jahren wiederbeleben möchte. Nieder-Ramstadt  trägt noch heute Weinblätter im Wappen und war damals ein bedeutender Weinort: es gab ca. 33 Weinbergbesitzer und viele Gasthöfe. Der letzte Wingert wurde 1887 abgeerntet.  

Auch im Lautertal wurde Wein angebaut: der Straßenname "Am Wingertsberg" in Elmshausen zeugt davon, ebenso gibt es ihn in Ober-Ramstadt, in Nieder-Beerbach und Fränkisch-Crumbach; einen Wingertsweg gibt es in Michelstadt. Wenn der Klimawandel sich so weiterentwickelt und nicht den Leugnern irgendwann zerknirscht klein bei gibt, werden wir vielleicht in den nächsten Jahren wieder einen kernigen Odenwaldwein genießen können, wer weiß.

Die Modau beschreibt Torsten Schäfer sehr detailliert, konstatiert ihr ein fröhliches Wildbachleben bis zum Staubecken bei Ober-Ramstadt, das Fischwanderungen bachauf - bachab vereitelt. Dies und zahlreiche Fischsterben aufgrund von Unfällen, privat oder wirtschaftlich, oder von harten Verstößen wie das Einleiten von Motoröl, prangert Schäfer an.
Er berichtet aber auch von schönen Seiten: vom Eisvogel und dem Warten auf den Biber, der an der Gersprenz bereits zurück ist.

44 Kilometer lang ist die Modau von ihrer Quelle in Neunkirchen bis zur Mündung bei Stockstadt in einen Altrheinarm am Kühkopf, ihr Einzugsgebiet umfaßt 243 Quadratkilometer und beherbergt 140.000 Menschen.
Lebensraum für ruhesuchende Bewohner ebenso wie für schwer arbeitende Landwirte, was Konflikte mit dem Naturschutz und zurückkehrenden Wildtieren herbeiführt. Steine  als Störstellen im Bachlauf bringen mehr Leben in den Bach, stören mit ihrem Gurgeln aber auch Anwohner. Bauern platzieren immer wieder Misthaufen direkt am Ufer. Und der Biber - wenn er da ist - wird den Bachlauf nach seinem Gusto verändern, ob es den Menschen gefällt oder nicht. Der Wasserverband Modaugebiet wird sich um ihn kümmern, mit knappem Budget.

Die Renaturierung der Modau wurde in der Wasserrahmenrichtlinie 2015 festgeschrieben. 107 Hindernisse für Fische wurden noch 2019 festgestellt und können aus Geldmangel, aber auch aufgrund von Nachwuchs- und Fachkräftemangel nicht beseitigt werden.

Förster Ralph Baumgärtel entfuhr im Gespräch mit Schäfer, daß in der Modau alles katastrophal sei. Obwohl heutzutage keine Farbchemikalien aus Fabriken mehr eingeleitet werden und Waschmittel weniger Phosphate enthalten. Hohe Nitrateinträge, vor allem im Ried, können nicht einmal die Kläranlagen ganz neutralisieren. Und ganz schlimm wird es mit  Arzneimittelrückständen und Mikroplastik, wofür aktuell in einigen Klärwerken die vierte  Klärstufe eingerichtet wird. Wie und was sie filtern oder neutralisieren soll, wer zuständig ist und zahlt, ist vielfach noch gar nicht geregelt. M. Hiller

Lieblingsplatz an der Modau... Hier, am Modautalweg zwischen Ernsthofen und Hoxhohl, zeigt die Modau Wildwuchs

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Die Modauquelle - siehe auch Ausflugstipp Modau und Gersprenz per Pedale erkunden
 
 
Die Lauterquelle - siehe Das Durchblick-Jahrbuch: Spinnstubb 2.0, deshalb online nicht zu finden