Im Jahrbuch 2021 habe ich am Ende des Landwirtschaftskapitels eine spannende Kopfnuß für Sie liebe Leserinnen und Leser veröffentlicht. Alle sind herzlich eingeladen, bei der Lösung zu helfen!

Bei Heinrich Winter habe ich eine sehr interessante Information gefunden, bei der mich der Verfasser leider mit mehreren Unbekannten sitzen läßt: es geht um ein Rauchhaus aus Vöckelsbach. Winter beschreibt das 1550 erbaute Haus 1966. Es hat eine Grundfläche von 12,4 x 16,8m (!!!). Winter zufolge ergab sich die Grundfläche eines Hauses aus der dazugehörigen Ackerfläche „in einem bestimmten, naturgegebenen Verhältnis“.

Das Großvieh stand in Queraufstallung = Haustiefe 12,4m. Das Jungvieh stand im Winkel dazu an der Längsseite, der Innenraum der beiden Ställe ergab die Küchenfläche mit dem offenen Herd, es gab keine Wände zum Stall, da der Herdabzug auch die Stalldämpfe mit nach oben zog und zugleich in den fensterlosen Räumen über der Küche (durchlässiger unbegehbarer Boden) die Fleischvorräte räucherte. Winter gibt die Acker-, Wiesen- und Waldfläche für 1875 mit 150 Morgen an, 1966 mit 100 Morgen, für 1550 fehlen die Angaben.
Jetzt kommen die vielen Unbekannten in seiner Gleichung, bei deren Lösung Sie mir vielleicht helfen können:
Wie groß waren Kühe im 16. Jahrhundert und wie viel Platz brauchte man im Stall daher?
Welche Fläche an Wiesen- und Ackerfläche brauchte man im 16. Jh. um eine Kuh zu ernähren?
Damit können wir festlegen, wieviel Tiere auf 12,4 m Stallfläche stehen konnten, und aus dieser Zahl wiederum auf die landwirtschaftliche Fläche 1550 rückschließen. Das Vöckelsbacher Rauchhaus wurde lange vor Einführung der Kartoffel gebaut und stellt damit die landwirtschaftliche Stufe vor diesem Quantensprung dar.
Ich habe mich an das Auerrindprojekt in Lauresham gewandt, aber bis zur Drucklegung leider keine nützliche Information erhalten. Denn es ist sehr interessant zu sehen, wie sich die Flächengröße pro Haus über die Jahrhunderte veränderte.
Im Almwesen begrenzte die Menge an Heu, die geerntet werden konnte, die Anzahl der Tiere im Winter: es konnten nur soviele Tiere überwintert werden wie die Almwiesen erbrachten. Das wurde genau vermessen pro Kuh / Pferd / Schaf / Ziege. Nach der Schafschur und dem Abtrieb im Herbst wurden alle Tiere, die nicht von der eigenen Ernte ernährt werden konnten, geschlachtet.

2019 wiegt eine Kuh 336 kg und benötigt einen Platz von 2,4x1m, liefert im Schnitt 27 Liter Milch pro Tag. Um 1900 wog eine Kuh bereits genausoviel, gab aber nur 6 Liter Milch am Tag. Im Mittelalter, also in der Zeit zwischen 6. und 15. Jahrhundert, wog eine Kuh 150-200 kg und gab 3 Liter Milch pro Tag. Im 16. Jahrhundert, als das Vöckelsbacher Rauchhaus erbaut wurde, waren die Kühe sogar noch kleiner als zur Römerzeit. Es herrschten sehr schlechte Futterbedingungen.

Hier nun die Antwort von Silke Strohmenger, Anthropologin M.A., UNESCO-Welterbestätte Kloster Lorsch:

"Hallo Marieta,ich habe gleich mal auf deine Frage von heute morgen hin recherchiert und ein interessantes Buch gefunden: Wolf Herre, Manfred Röhrs: Haustiere - zoologisch gesehen. Springer Verlag, 2. Aufl. 1990. 
Hier ist der Link von Seite 165. Hier steht etwas zur Größenzunahme der Hausrinder! Das ist auch das, was ich so im Hintergrund weiß und jetzt auch belegen kann.Viel Spaß beim Berechnen der Stallgröße."

Das Experimentalarchäologische Freilichtlabor Lauresham (UNESCO Welterbestätte Kloster Lorsch) befaßt sich seit langem mit der Urform unserer Hausrinder, dem Auerochsen. Aus ihm entwickelten sich vor etwa 6500 Jahren zwei Hauptgruppen: die buckellosen Hausrinder und die Buckelhausrinder. Sie verbreiteten sich von den Halbsteppen der Großen Salzwüste im Osten über Europa, Südwestasien, Afrika und später auch auf andere Kontinente. Ihr Lebensraum hatte sich heißen Regionen angepaßt. Die ältesten Hausrinder gehören zu den Langhornarten, die enorme Körpergröße hatten und hohe Ansprüche an ihre Weidegründe stellten. Es gab aber auch kleinere Rassen mit kürzeren Hörnern. Sie sind genügsamer und werden auch in Gebirgsregionen gehalten.

Hier wird man evtl. ebenfalls fündig: https://netzwerk-kryptozoologie.de/

Anmerkung von Gerhard Pfeifer aus Raidelbach

1. Februar 2022: "daß eine Kuh im Jahr 2019 336 kg wiegt kann nicht sein. Wahrscheinlich ist das Schlachtgewicht gemeint. Die Milchkühe waren früher, je nach Rasse, kleiner. 2,4 x 1 meter Platzbedarf pro Kuh ist ebenso falsch. Da würde mir das Veterinäramt gleich die Rinderhaltung verbieten." Herr Pfeifer hat vor 2 Jahren die Milcherzeugung aufgegeben, aber eine Schwarzbunte wog bei ihm zwischen 550 und 700 kg, und jede hatte 7,6 Quadratmeter Fläche zur Verfügung plus Warteraum und Melkstand. Seine Milchwirtschaft erfolgte konventionell, bei Biohaltung sind die vorgeschriebenen Flächen noch größer.