Im Jahrbuch 2021 stellte ich die Frage: „Wie schwer ist das Internet - und was kostet es?“. Mein Kollege Thomas Glaser hat dazu ein umfangreiches Dossier angelegt:

Thomas Glaser: Ist das Internet ein Stromfresser?

Das Internet wächst, die Digitalisierung und Cloud-Lösungen verbreiten sich immer mehr. Dazu ist natürlich auch jede Menge elektrisch Energie notwendig und damit kommt es auch zu CO2 Ausstoß.


Wie groß ist der Energieverbrauch denn nun wirklich? Oft erwähnt wird die CO2 Menge die bei einer Google Suche anfallen, das ist zwar eine griffiges Beispiel, aber für eine realistische Einschätzung der Problematik unbrauchbar. Zum Einen ist „das Internet“ derart vielschichtig und wird für sehr viele verschiedene Funktionen und Aufgaben genutzt, und je nach Anwendung wird mehr oder weniger Energie benötigt. Zum Anderen ermöglicht die Vernetzung auch, Energie an anderer Stelle zu sparen. Home-Office und Videokonferenzen können etliche Fahrten zur Arbeit und Dienstreisen überflüssig machen. Nimmt man mit dem Notebook an einer einstündigen Videokonferenz teil, verursacht das Treibhausgasemissionen von 55 g CO₂(eq), also etwa so viel wie eine PKW-Fahrt von 260 Metern.

Die Struktur des Internets - somit auch von Clouds

Drei Bereiche - unterschiedliche Problemstellungen

1. Das Rechenzentrum (Data Center): hier stehen die Server und Datenspeicher sowie die Netzwerkkomponenten, die diese miteinander verbinden und die Verbindung zum Internet herstellen. Das sind die Kernkomponenten eines Rechenzentrums (RZ). Zum Betrieb ist Infrastruktur notwendig: da die elektronischen Komponenten Wärme abgeben ist eine Kühlung notwendig. USV-Anlagen federn Stromausfälle ab und die Administration braucht Arbeitsplätze.

2. Das Netz: das Netz das alles verbindet, ist das eigentliche Internet - die Kommunikation zwischen unterschiedlichsten Geräten. Egal welcher Hersteller, welches Betriebssystem oder wo auf der Welt das Ding steht, es kann angebunden werden. Das weltweite Netzwerk besteht aus einer Vielzahl von Komponenten und Übertragungswegen. Überseekabel verbinden Kontinente, die sogenannten Backbones bilden das Rückgrat des Netzwerks. Das sind Verbindungen und Knotenpunkte im Netz zwischen den großen Anbietern. Der Knotenbetreiber mit dem weltweit größten Datenvolumen ist die DE-CIX in Frankfurt. Die Telekommunikationsanbieter bringen dann die Anbindung per Festńetz in die Haushalte und Betriebe oder per Mobilfunk zu den Smartphones.

Grafik: Thomas Glaser

Grafik: Thomas Glaser

3. Die Nutzer und ihre Endgeräte: mit Smartphones oder Tabletts mobil ständig online und immer up-to-date sein und seine Musik streamen, das benötigt natürlich auch Energie, und zwar nicht wenig. Das lokale Netzwerk im Haushalt oder Gewerbe besteht aus Router, PCs, Internet-Radio, WLAN. Vieles davon läuft 24 Stunden am Tag und verbraucht dabei Strom.  Das Internet der Dinge (IOT), also smarte Lampen, Türen die sich per Cloud öffnen und der Kühlschrank der selbst neues Bier bestellt, all das ist im Kommen und wird Energie verbrauchen.

Die Verbräuche im Detail

In Deutschland gibt es die größte Ansammlung von großen Rechenzentren im Rhein-Main Gebiet in und um Frankfurt. Das e-shelter Rechenzentrum in Frankfurt mit seinen 65.000 m² ist größer als Apples großes Data Center in den USA mit 44.000 m². Hier wird ein eigenes 110-kV-Umspannwerks zur Stromversorgung unterhalten.
Die Zahlen von verschiedenen Studien zum weltweiten Energieverbrauch differieren stark. Schätzungen von 200 bis 1000 Milliarden KWh sind dabei zu finden. Für Deutschland liegen jedoch genauere Zahlen vor. Nach Angaben des Borderstep Instituts verbrauchten die Rechenzentren in Deutschland:  
    2016: 12,4 Mrd. kWh, (1 Mrd. kWh = 1 TWh)
    2017: 13,2 Mrd. kWh
    2018:  14 Mrd. kWh (Wachstumsschub durch Cloud-Computing)
    2020:  16 Mrd. kWh; Gesamt-Stromproduktion in Deutschland 500 TWh - die Rechenzentren sind mit über 3% davon noch ein relativ kleiner Brocken.

Die Steigerung des Verbrauchs ist ausschließlich auf die steigende Anzahl der Server und die wachsende Menge der zu verarbeitenden bzw, zu übertragenden Daten zurückzuführen. Denn die Effizienz der notwendigen Infrastruktur stieg deutlich an. Der PUE-Wert (Power usage effectiveness) gibt an wieviel Energie die Infrastruktur im Verhältnis zum Energiebedarf der Server benötigt. Diese Wert hat sich in 10 Jahren von fast 2 auf ca. 1,6 verbessert. Das bedeutet pro Watt, die ein Server für seine Arbeit benötigt, war ein Watt für Kühlung und Lüftung, USV (Notstrom) und weitere Infrastrukturen notwendig. Die Kühlung der Server, Datenspeicher und Netzwerkkomponenten hat also einen erheblichen Anteil am Energiebedarf eines Rechenzentrums, bei neuen Rechenzentren versucht man deshalb diesen Anteil zu reduzieren oder die Abwärme sinnvoll zu nutzen. Beispielsweise durch strikte Trennung von zu kühlenden Bereichen (Kaltgangeinhausung; engl. Cold Aisle Containment) vom Rest oder Warmwasserkühlung sowie Einspeisung in Fernwärmenetze. Doch trotz der Effizienzsteigerung wird der Gesamtbedarf wieder steigen und vermutlich 2025 bei 18 TWh liegen.

Was verbraucht meine Internetseite?

Der Energiebedarf für den Betrieb einer einzelnen Internetseite lässt sich nur schwer beziffern, für eine einfache Informationsseite können es zwischen 7 und 20 kWh pro Jahr sein.  Beim derzeitigen deutschen Strommix bedeutet dies einen CO2 Ausstoß von 1,4 bis 8,5 kg pro Jahr. Zum Vergleich: laut japanischen Forschern verursacht die Produktion eines Steaks 22 kg.
Das Netz als Transportweg für Daten
Das globale Netzwerk besteht aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Komponenten, vom großen Internetknoten (der selbst ein RZ ist), bis zum Hausanschluss oder dem nächsten Mobilfunkmast. In der Summe wurden 7,1 TWh/Jahr der Telekommunikation zugerechnet, bis 2025 werden 8,6 TWh/Jahr prognostiziert. Eine Effizienzsteigerung wie sie im RZ möglich ist, kann bei verteilten Netzwerkkomponenten nicht überall erreicht werden. Trotzdem wird auch hier an Energiesparmaßnahmen gearbeitet, das liegt bei steigenden Stromkosten schon im Interesse der Provider.
Aber auch als Benutzer am Ende der Kette kann man dazu beitragen, den Verbrauch zu senken, denn je nach Übertragungsweg ist der Energiebedarf sehr unterschiedlich.
Zu Hause, unterwegs oder bei der Arbeit fast immer sind internetfähige Geräte vorhanden. Viele davon sind 24 Stunden/Tag eingeschaltet auch wenn sie nicht benutzt werden.
Trotz der enormen Wachsrum bei der Anzahl der vorhandenen Geräte ist in den letzten 10 Jahren der Stromverbrauch in diesem Bereich deutlich gesunken. Laut einer Studie sank der Energiebedarf von 28.9TWh in 2010 bis 2020 auf 15,4 TWh.
Im Rahmen der Europäischen Ökodesign-Richtlinie wurden für viele Produktgruppen Mindestanforderungen zur Energieeffizienz festgelegt. Auch in den USA und Japan gibt es ähnliche gesetzliche Vorgaben. Sparsamer mit Energie umzugehen wurde aber auch ein Verkaufsargument, denn Firmen mit vielen Geräten legten vermehrt ein Augenmerk auf den Stromverbrauch. Zum Anderen haben neue Technologien die ehemaligen Stromfresser, z.Bsp. Röhrenmonitore, abgelöst und der Trend mehr mit Smartphones und Tabletts statt mit dem PC zu arbeiten tragt dazu bei.
So sind die eingesetzten Geräte wesentlich sparsamer geworden. Wie sich der Smart-Home Trend auswirkt ist noch nicht absehbar, denn gerade diese IOT-Geräte haben alle einen Standby-Verbrauch. Die smarte Lampe verbraucht 24 Stunden am Tag Strom um darauf zu warten ein oder zweimal am Tag geschaltet zu werden, das ist energetischer Unsinn. Bedarfsgerechte Temperaturregelung kann dagegen Heizenergie sparen.

Wer im Büro oder Haushalt Energie und Kosten sparen will kann Einiges dazu tun:

  • Wenn möglich Laptops, Tabletts statt PC verwenden
  • Energiesparoptionen der Geräte einstellen und nutzen, z.Bsp WLAN im Router nachts abschalten
  • Energiesparmodus im Betriebssystem optimal einstellen
  • Schaltbare Steckdosenleisten verwenden um Monitore, Laserdrucker und andere Geräte gemeinsam aus- und wieder einzuschalten
  • Beim Kauf darauf achten, dass das Produkt sparsam ist und keinen oder nur geringen Standby-Verbrauch hat
  • Ungewollte Inhalte lassen den Zähler laufen: bei der Nutzung des Internets zur Informationsbeschaffung wird man immer mal mehrere Browserfenster bzw. Tabs im Browser offen haben. Leider ist es durchaus üblich den Nutzer ungefragt mit Videos, Musik oder automatisch ablaufenden Bildgalerien zu beglücken. Letztere scheinen momentan bei Webdesign und Werbeindustrie sehr in Mode zu sein und. Diese verbraten aber einiges an Rechenleistung, was sich auf den Stromverbrauch auswirkt. Die CPU muss arbeiten, verbraucht mehr Energie, wird warm und muss stärker gekühlt werden. Laptop Nutzer kennen das Phänomen, dass bestimmte Webseiten den Lüfter deutlich lauter werden lassen. Dagegen hilft, nicht benötigte Tabs im Browser schließen, besonders solche mit automatisch wechselnden Inhalten
  • Einen Browser mit Werbeblocker verwenden (z.B. Firefox mit „uBlock Origin“)


Fazit: der Energiebedarf von Internet und Digitalisierung wird weiter steigen. Er hat aber trotzdem noch geringen Anteil am gesamten Energiebedarf und bietet die Möglichkeit an anderen Stellen Energie einzusparen (durch Home-Office, Video-Konferenzen statt Dienstreisen, intelligentes Parkplatzmanagement, intelligente Energiemanagement...)
Der Trend zum IOT und SmartHome dagegen birgt die Gefahr, dass der Mehrverbrauch das Einsparpotential übersteigt. Es kommt darauf an was die Menschheit damit macht.
Man kann IOT-Technologie zum Komfortgewinn, zum Spaß, zur Selbstoptimierung (bzw. Selbstausbeutung) oder zur Überwachung nutzen. Man kann sie allerdings auch sinnvoll und zur Schonung natürlicher Ressourcen einsetzen.
Bei allen Betrachtungen in diesem Artikel geht es nur um den Energiebedarf der Geräte im Einsatz bzw. bei der Nutzung. Der Energie- und Ressourcenverbrauch bei Herstellung, Transport, Vertrieb und Recycling ist nochmal ein ganz anderes Thema. Ebenso sind die positiven Einspar-Effekte nicht eindeutig bezifferbar. Die Corona Pandemie hat den Einsatz der Technik befördert, es ist allerdings noch nicht absehbar ob der Trend anhält.

Quellen und weitere Informationsmöglichkeiten:

https://www.drweb.de/10-groessten-rechenzentren-deutschlands/

https://www.borderstep.de/wp-content/uploads/2021/03/Borderstep_Rechenzentren2020_20210301_final.pdf

https://strom-report.de/strom/ und https://energiestatistik.enerdata.net/ Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie Projekt-Nr. 29/14 (Entwicklung des IKT-bedingten Strombedarfs in Deutschland)

Und in den Anhängen:

Green Cloud Computing:  Lebenszyklusbasierte Datenerhebung zu Umweltwirkungen des Cloud Computing

Borderstep Institut: Klimawirkung des privaten Internet- und Medienkonsums – Exemplarisch dargestellt an sechs Modellhaushalten unterschiedlicher Lebenswelten.

Umweltbundesamt: Bilanz 2019: CO2-Emissionen pro Kilowattstunde Strom sinken weiter

Entwicklung der spezifischen Emissionen des deutschen Strommix 1990-2020 und erste Schätzungen 2021 im Vergleich zu Emissionen der Stromerzeugung

Entwicklung des IKT-bedingten Strombedarfs in Deutschland (IKT = Informations- und Kommunikationstechnik)

Umweltbundesamt: Hintergrundinformationen Klimawirkung von Videostreaming & Co.

Die grüne Cloud - Gestaltungsansätze zur ökologischen Optimierung

Deutscher Bundestag 2021: Energieverbrauch von Rechenzentren

Interessante Frage:  Was benötigt mehr Energie: Fernseh-Programm direkt anschauen oder aus der Mediathek streamen?

Eine Frage, die klar erscheint, wenn auch das Fernsehprogramm an attraktiven Inhalten immer mehr zu wünschen übrig läßt. Direkt fernsehen kostet nur einmal Energie: für den Uplink je nach Technik und Dauer geschätzt vermutlich unter 5 kWh - Emissionen pro kWh 2021: 485 g. Der Downlink, also der Weg vom Satelliten zum Endgerät, wird über Solarmodule gespeist. Beim Streamen sieht das anders aus: jeder einzelne Nutzer verursacht Kosten in unterschiedlichem Umfang, je nach Weg.

  • Stream über Glasfasernetz: 2 Gramm CO2 Treibhausgasemissionen pro Stunde
  • kabelgebunden per Breitbandanschluss 4 g CO2 /Std.
  • Mobile Zugangsnetze:  5G-Netz 5 gr, 4G-Mobilfunknetz LTE 13 gr, 3G-Netz UMTS 90 gr CO2 Emission pro Stunde