Aschenbrödel bei Božena Nemcová, der um 1820 als Kind einfacher Leute in Wien geborenenen tschechischen Schriftstellerin, Aschenputtel in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, Cinderella bei Walt Disney - sie alle haben viel mit der Hasel zu tun.
Und so heißt einer der wohl schönsten Filme aller Zeiten „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Dieser Film aus den 70er Jahren erweckte eine eigene Fanpage zum Leben: www.dreihaselnuessefueraschenbroedel.de. Der tschechisch-ostdeutsche Märchenfilm, im Original „Tři oříšky pro Popelku“ orientiert sich am Märchen von Božena Nemcová, die das Grimmsche Motiv Aschenputtel aufgriff, in dem sie den sie drei Haselnüssen eine wichtige Aufgabe gibt: sie bergen eine jede ein Geheimnis, das dem Aschenbrödel - schönes Stiefkind, von seiner Stiefmutter und deren richtiger Tochter erniedrigt und schikaniert - zu einem besseren Leben verhelfen kann.
Sicher 400 Varianten dieses Märchens leben seit der Antike auf mehreren Kontinenten, und die Hasel stellt ihr zentrales Motiv dar. So wie die Nuß Sinnbild für Werden und Vergehen ist, wie aus ihr ebenso ein stattlicher großer Baum heranwachsen kann oder auch nichts außer schimmliger Luft darin stecken kann, so steht die Haselnuß im Märchen für all das Geheimnisvolle, das wir nicht sehen, das wir aber erleben können.
Eine wunderschöne Sage erzählt man sich im Odenwald: eine Nuß fällt vom Baum, und aus ihr wächst ein Nußbaum heran. Dieser trägt selbst wieder Nüsse, viele Jahrzehnte lang. Dann wird der Baum gefällt, denn sein Holz ist kostbar. Ein Meister schnitzt eine Wiege aus diesem Holz, und bald liegt ein neuer kleiner Mensch darin. Und erst wenn dieser Mensch einen Nußbaum pflanzt, dann erst ist eine Sekunde der Ewigkeit vergangen. Märchenhaft nacherzählt hier: Das Märchen von der Waldkiefer auf dem Auerbacher Schloß
Diese Nuß ist eine Walnuß, auch Welschnuß genannt. Wer kennt nicht die hübschen Zeichnungen der Kindheit, wo in einer halben Walnußschale ein winziges Wichtelbaby wohlgeborgen liegt? Wer erkennt nicht die Ähnlichkeit zwischen der Walnuß und dem menschlichen Gehirn? Die Walnuß ist ein besonderes Symbol - für uns Menschen und für die Märchen. Aschenbrödel aber bekommt wie durch Magie drei Haselnüsse.
Beide - Walnuß und Haselnuß - begleiten uns Menschen sicher schon genauso lange wie die Märchen. Schon in der Steinzeit galten sie nicht nur als gutes wertvolles und leicht verfügbares Nahrungsmittel, sondern auch als Symbol: für Lebens- und Liebesfruchtbarkeit, für Unsterblichkeit, für Glück. „Frau Haselin“, die Haselstaude, durfte nicht gefällt werden, und Fremde durften von Haselsträuchern nicht mehr als eine Handvoll Nüsse nehmen. Die Johannistriebe der Haselbüsche (Sommeraustriebe) wurden zu Grenzmarkierungen, wichtigen Zeichen also. Der Haselzweig diente in allen Zeiten als Friedenssymbol, und mit einem Haselzweig konnte man sich vor Schlangen und Hexen schützen.
Noch heute werden Haselruten als Wünschelruten verwendet, denn sie sollen fähig sein, Kraftströme fließen zu lassen. Aschenbrödel wünschte sich das Erstbeste, das dem Knecht - in Grimms Version ist es der Vater - in den Schoß fiele, als Mitbringsel aus der Stadt. Und ausgerechnet drei Haselnüsse - bei Grimm ein Haselzweig mit drei Haselnüssen - werden dies sein.
Im Grimmschen Märchen hat nun der Froschkönig ein Wörtchen mitzureden, denn er holt für Aschenputtel die in den Brunnen gefallenen Haselnüsse eine nach der anderen herauf. Im Märchen Der Froschkönig muß die Prinzessin den Frosch küssen, und darum geht es auch hier: um einen Prinzen, um Zueinanderfinden. Aschenbrödel findet in den drei Haselnüssen wunderschöne Kleider, das letzte sogar das Brautkleid.
Auch dies geht auf einen uralten Brauch zurück, aus der Zeit, als die Märchen noch wahr waren: denn damals ging man noch „in die Haseln“, wenn man ein Stelldichein hatte. „Viel Hasel, viel Kinder ohne Vater“ wies auf diese frühe Ausprägung von „careless love“, und wer „aus einer Haselstaude entsprungen“ ist, der ist ein außereheliches Kind - ein Kind der Liebe. Die Liebe ist es wiederum, die den Prinzen und Aschenputtel / Aschenbrödel endlich zusammenführt. Und so schließt sich der Kreis -oder sollten wir sagen: die Nußschale - wieder.
Marieta Hiller