Seit Menschen seßhaft wurden, läßt sich das Wohnen - und damit verbunden das Bauen - nicht mehr aus ihrem Alltag wegdenken. Am Beginn stand das Feuer am Lager; es bot Sicherheit, Wärme und Behaglichkeit. Das Feuer bildete die Mitte der Gemeinschaft, die umgeben war von einer schützenden Wand aus Dunkelheit, undurchdringlich für gefährliche Tiere oder Geister. Lebte man in einer Höhle, so vermittelte gerade das

„Aus-der-Höhle-Herausschauen“

ein besonderes Behaglichkeitsgefühl. Wer in die Höhle hineinschaute, der sah bestenfalls nichts. Das Wort Behaglichkeit ist für uns moderne Menschen untrennbar mit einer wohligen Heizquelle verbunden, der Wortstamm kommt jedoch von Hag, der Hecke. Mit Hecken - ganz ähnliches Wort wie Hege - umgaben wir unseren allerersten Besitz.

Auf Höhle, Feuer und Hecke folgte der Herd in der Hütte, wir waren inzwischen vom Jäger und Sammler zum Bauern geworden. Noch heute klingt im Wort für Hütte das Hüten mit.

Hütte aus dem Histotainment Park Adventon

Älteste Wohnformen wie Flecht-Lehm-Bauweise schufen für uns ein trockenes Dach über dem Kopf, schützende Wände - und eine Türschwelle, die fortan von großer Symbolkraft für uns wurde. Ebenso die Fenster: Friedensreich Hundertwasser sagte einmal „die einen behaupten, Häuser bestehen aus Mauern. Ich sage, Häuser bestehen aus Fenstern“.

Denn aus Fenstern schauen wir hinaus (siehe aus-der-Höhle-schauen!) und zugleich schützen sie unseren privaten Raum.

So schön können Fenster sein: historisch in Büdingen und modern in Gelnhausen...

 

Schilf oder Schieferplatten dienten als Dach, das Regen und Kälte abhielt, jedoch zu Beginn noch einen offenen Rauchabzug hatte. Schilfdächer müssen sehr steil sein, damit das Regenwasser gut abläuft, so daß nur die oberste Schicht von etwa 3 Zentimeter feucht ist. Stein- oder Ziegeldächer dagegen sind flacher, damit die Deckung keine abwärtsgehende Eigendynamik entwickelt. Ziegel lassen sich einfach herstellen, sofern man Ton in der Nähe hat. Das Wort Ziegel kommt von lateinisch tegula, was in unserem „Deckel“ nachklingt. Wer kein Geld für ein Dach hatte, der machte sich Holzschindeln.

Inzwischen ist aus unserer einfachen Hütte ein ordentliches Haus mit Schornstein geworden, in der Stube wärmt uns vom Kanonenofen bis zum zimmergroßen Kaminofen alles, was feuerfest ist und abstrahlt, auf dem Herd wird die Suppe niemals kalt.

Aus drei vier Hütten wurden Dörfer und Städte. Ihre Herkunft läßt sich oftmals aus den Namen der Vorstädte erkennen: der äußere Ring um eine große alte Stadt hat oftmals Namen, die auf -rod enden, der innere Ring dagegen hat „Gries“ oder „Ried“ im Namen. Rod klingt durch in Haurod, Herchenrode, Rodau, Riedrode, Rodgau, Hummetroth, Bayreuth, Reutte in Tirol...

Die unzähligen „Griesheims“ in Deutschland weisen auf eine sandige Fläche mit Gewässer hin, und Ried zeigt feuchte Wiesen an, wie sie oftmals am Siedlungsrand auf Rodungen entstanden sind. Hier weidete das Vieh, später betrieb man Landwirtschaft rings um die neu entstandenen Städte. Die Dörfer der Gürtel wuchsen mit der Kernstadt zusammen, es bildeten sich Ballungsräume wie das Rhein-Main-Gebiet oder das Ruhrgebiet. Die Industrie verlagert sich an die Peripherie der Städte, es entstanden Industriegebiete abseits der reinen Wohnviertel.

Doch die Geschichte des Wohnens geht noch etwas weiter: wo eine Industriebrache entsteht, wo also Fabriken schließen, dort stirbt auch das Leben der Dörfer. Historische Dampfzugfahrten durch manche Gegenden führen uns durch ein surreales Märchen: die industrielle Revolution ist hier längst Geschichte, der Zug rattert durch einen flächendeckenden Friedhof aus vor 30 Jahren stillgelegten Fabrikanlagen.

Hat uns die Geschichte des Wohnens nun von der Höhle bis zur Industrieruine geführt? Mitnichten! Verlagert hat sich die Art der Erwerbstätigkeit - wieder einmal. Vom Sammeln und Jagen über das Hüten und Ackern zu den Gilden und Zünften bis in den schwärzesten Industriekapitalismus und weiter in das digitale Zeitalter, in dem mit Information gehandelt wird.

Mitentwickelt haben sich auch unsere Häuser: auch sie vernetzen sich, versenden Informationen, kommunizieren mit uns wenn wir nicht zuhause sind. Gesundes Raumklima, klimaneutrale Heizung, intelligente Haustechnik, smart home.

Aber wenn mein Kühlschrank mich unterwegs über mein Handy anplärrt, daß ich gefälligst Bier mitbringen soll, dann ist es mit der Behaglichkeit schnell vorbei...

Marieta Hiller, im Februar 2018