Hallo! Kennt ihr eigentlich Gandalf den grauen Ganter?
Er lebt bei einem Menschen - ja, das gibt es wirklich! Ein Mensch, der Gänse liebt, aber nicht zum Fressen gern hat...
Aber hört selbst, was Gandalf euch zu sagen hat: „Wirklich wirklich, zu beneiden bin ich. Ich, Gandalf, liebe meinen Menschen, watschle ihm hinterher wo auch immer er hingeht, picke meine Körner mit ihm am Tisch und stecke meinen Kopf neben seinem Bett unter den Flügel, wenn es Abend wird.
Ihr glaubt das nicht? Von so etwas berichten schon die alten Griechen, lest nur mal euren Plinius! Niemals, niemals würde mein Mensch mich essen - oder eine meiner armen Gevatterinnen. Arm dran sind sie, die Gänse. Jetzt ist wieder die Zeit, wo all ihr Gezeter und Geschrei nichts mehr hilft - aufgegessen werden sie alle ohne Ausnahme! Schrecklich, schrecklich ist ihr Leben: eingepfercht in engen Käfigen ohne Bewegung, ohne Freiheit, ohne Fröhlichkeit müssen sie wachsen, wachsen, wachsen. Die Ärmsten bekommen davon Knochenbrüche und Atemnot, und die Gelenke tun ihnen weh.
Nur zwölf Wochen währt ihr Leben, dann werden sie dahingeschlachtet... Besser, gack gack, besser geht es den Wenigen, die auf die Wiese dürfen, bevor sie gegessen werden. Beim Biobauern in unserem Dorf zum Beispiel, gack gack, da dürfen sie raus, so oft sie wollen. Und sie dürfen wenigstens ein bißchen länger leben, und sie müssen nicht mit Abertausenden ihresgleichen den Stall teilen...
Älter, gack gack, älter als alle Gänse bin ich schon: im Frühjahr watschle ich das 21. Jahr über diese Erde! Einzig die eine oder andere Feder muß ich herschenken: denn mein Mensch ist Zeichner, und er weiß die Güte meiner Federkiele zu schätzen, gack! Aach gackgackgack, ach wenn ich nur dran denke, wird mir ganz schwindlig: nicht nur gegessen werden meine Vettern und Cousinen, nein aufs Gröbste gerupft werden sie obendrein zuvor! Brutal und lieblos von Menschen zum Frieren verurteilt, nur damit die sich die Daunen in Kissen und Decken stopfen können - ungerecht, gack gack, ungerecht!
Dabei - und jetzt verrate ich euch ein Geheimnis, gack gack, dabei schuf Gott der Herr das Geflügel am fünften Tag, nur einen Tag vor den Menschen! Sind wir damit nicht etwas ganz Besonderes? Schaut uns nur an, wie elegant wir den Hals schwingen, wie wir unser glänzendes Gefieder putzen, wie wir alle gemeinsam über grüne Wiesen watscheln und uns gackernd unseres Lebens erfreuen - aber ach, das könnt ihr ja alles gar nicht sehen! Ihr kennt uns ja nur knusprig gebraten auf dem Teller, mit Eßkastanien gefüllt und mit Knödeln geschmückt...
Traurig, traurig ist das. Früher - also ganz früher, als die Menschen noch an Mythen glaubten, da wußten sie auch, daß wir Gänse ganz besondere Wesen sind. Schließlich sind wir es, die im Märchen für Glück und Wohlstand unter den Menschen sorgen. Wir sahen Gefahr und sogar ein klitzekleines bißchen in die Zukunft, wir halfen dem Menschen, Krankheiten zu heilen. Da waren wir Gänse heilig, ein treuer Begleiter des Menschen, und wir gaben das Unsere gern: unser Fett gegen Gicht, unser Blut geben Fieber, unsere Knochen zum Wahrsagen, und was wir zu Lebzeiten fallen ließen, das half auch noch ein bißchen! Gack!!!“
Tja, liebe Leute, das ist die Botschaft die Gandalf der Ganter euch sagen wollte... Mir bleibt nur noch eins: schaut genau hin, wo euer Weihnachtsbraten herkommt, und laßt euch nur dann eine knusprige Gänsekeule servieren, wenn ihr sicher seid, daß die Gans ihr Leben glücklich auf der Wiese verbracht hat. Ihr seid es Gandalf schuldig...
Dies kann euch aus dem Zauberwald berichten: Euer Kieselbart