Also, das ist ja das Dümmste was ich je gehört habe, daß Mohn dumm machen soll. Und ich muß es wissen, hab ich doch neulich erst in einer Bauernküche ein Säcklein Mohnsamen gefunden und mitgenommen! Ja, stimmt schon – ich hab vergessen zu fragen. Aber es war ja auch niemand zuhause, und die Tür stand offen und das Fenster auch... Man muß ja so eine arme Räuberbraut und Köhlerstochter nicht um jeden Preis in Versuchung führen! Und ich schwör, ich hab sonst nichts mitgenommen. Der Mohn – hmmmm, der war lecker! In Milch gekocht und aus dem Dibbe gelöffelt, das war ein Genuß.
Ich weiß, ich hätts nicht nehmen sollen. Wo ich doch die Bauerntochter auch noch kenne! Es ist nämlich keine andere als die, die einstmals von einem König geheiratet wurde. Und das kam so – ihr wollts doch bestimmt wissen, ich sehs euch doch an! Rückt her ans Feuer und lauscht:
den Leutchen in dem Bauernhaus ging es nämlich nicht immer so gut: einst hatten sie kaum mehr als unsereins, der unter Räubern ums täglich Brot bangen muß. Sie baten den König um ein Stück Land, auf daß sie selbst für ihren Unterhalt aufkommen könnten. Der König gewährte es, und bald geschah es, daß der Bauer just auf diesem Acker einen goldenen Mörser fand. Den Stößel aber, den konnte er nicht finden. Treudoof wie die Mannsleut halt so sind, brachte er das Goldstück zum König, aber auch der war ja ein Mann – ich sags euch, man hat ja nur Ärger mit dem Mannsvolk! Ach wenn wir Räuberweiber doch allein im tiefen Wald zurecht kämen, was wärs für ein freies Leben! - Aber weiter: der König also bekam beim Anblick des Goldmörsers blitzende Augen und forderte den Stößel dazu, konnte einfach nicht genug haben. So spann sich die Geschichte fort, und nur der Tochter, die in dem Bauernhaus lebt und der ich neulich das Mohnsäckchen gestohlen hab, der Tochter also ists zu verdanken, daß alles noch gut ausging. Aber was hatte sie für eine Arbeit bis es endlich soweit war! Nur weil sie klug und weise war – wie wir Weiber ja allgemein so sind – konnte sie ihren Vater vor dem Gefängnis retten, ließ sich auch vom König heiraten und half wo es ging. Der törichte König aber war einfach nicht zu retten. Er erkannte nicht, was für ein Goldstück ihm der Vater da mit seiner Bauerntochter in Wahrheit gebracht hatte. Er verstieß die Tochter, gewährte ihr aber, daß sie das Liebste mitnehmen dürfe.
Was tat die Gute nun? Sie kochte ihrem König einen guten Trunk aus Mohn, auf daß er bald in tiefsten Schlaf fiel und sie ihn ohne weiteres Drumherum aus dem Schloß und in ihre ärmliche Bauernkate bringen lassen konnte. Aber immer noch ging dem König kein Licht auf: sie mußte es ihm ganz langsam und in einfachen Sätzen erklären, bis er endlich erkannte, wie klug sie wirklich war.
Ob er auch erkannt hat, wie dumm er selber war – und das doch wohl, bevor er den Mohntrunk bekam – davon weiß ich nichts zu berichten. Und weil der König dafür sorgte, daß es ihr und ihrem Vater gut geht – denn er liebte sie doch von Herzen, wenn er auch dumm war – weil sie also jetzt alles hatte, was ihr Herz begehrte, deshalb dachte ich auch, daß so ein kleines Säckchen mit Mohnsamen sicher nicht auffällt, wenn ich es vorsichtshalber an mich nehme, bevor es noch jemand stiehlt! Es grüßt euch, bis wir uns mal wieder an einem Feuer im Räuberwald begegnen, euer Köhlers Bawweddsche aus dem finstern Odenwald!
M. Hiller