Münzen und Maßeinheiten: wie läßt sich das in unserer Vorstellung verständlich machen?
An dieser Stelle sammle ich alles was ich über alte Maßeinheiten finden kann.
Woher unser Euro kommt, daß Kapital ursprünglich etwas Kriminelles bezeichnet und warum pecunia vom Rind kommt ("pecunia non olet" - Geld nicht stinkt - hieß es bei den alten Römern, die den Urinverkauf zum Gerben mit einer Steuer belegten) sind spannende Details.
Von Fußballplätzen und Badewannen
Wir verwenden oft seltsame Maßeinheiten: statt Quadratmeter und Hektar führen wir den Fußballplatz als Maßeinheit. Statt Kubikmeter oder Liter die Badewanne und um den Geldwert einer Sache zu bezeichnen führen wir an, was die Maß beim Oktoberfest kostet. Das Internet wiegt soviel wie ein Ei oder eine Erdbeere. Doch so leicht das Internet auch ist: was es an spannenden Informationen hervorbringt, möchte ich Ihnen hier nicht vorenthalten.
Jedoch empfiehlt es sich, auf der Suche nach Umrechnungen oder regionalen Maßeinheiten auf das gute alte Buch zurückzugreifen. Hier sind oft wahre Schätze zu heben.
Müll und Recycling
Im Müll alter Kulturen und vergangenener Jahrhunderte findet man neben Keramik, Speisebestandteilen und Glas oft etwas Kostbares: Münzen. Bitte lesen Sie dazu auch was man in Latrinengruben so findet: z.B. in Bensheim und in Miltenberg.
Ist Ihnen nicht auch schon einmal Geld in die Toilette gefallen? Ich erinnere mich daß wir früher eine offene Toilettengrube hatten, mit einem echten Donnerbalken. Hatte man da den Geldbeutel in der hinteren Hosentasche stecken, konnte er ruck zuck im Orkus verschwunden sein. So erklären sich zahlreiche Funde von historischen Münzen.
Bis ins späte 19. Jahrhundert schmolz man Münzfunde meist wieder ein, um die Rohstoffe zurückzugewinnen.
Doch begann man schon Ende 18. Jahrhundert mit der Verzeichnung solcher Funde, und nach und nach rundet sich so unser Bild der archäologischen Entdeckungen, und Ausstellungen, Museen und Kataloge füllen sich mit Münzen aller Art - frei nach dem Motto „pecunia non olet“. Hier muß angemerkt werden, daß die Örtchen wo Münzfunde gemacht werden, oft auch nach Jahrhunderten durchaus noch einen strengen Geruch haben.
Eine exakte Kartierung von Münzfunden zeigte auch, daß der europäische Gedanke viel älter ist als erwartet: so verzichtete man im 16. und 17. Jahrhundert darauf eigene deutsche Münzen mancher Wertstufen zu prägen, weil extrem viel Münzen diesen Wertes aus niederländischer oder spanischer Prägung im Umlauf waren.
Auf Heller und Pfennig: Heller, Gulden, Taler...
Kurz vor 1190 wurde der Heller geschaffen, die am weitesten verbreitete und am meisten geprägte mittelalterliche Münze.
Der Heller hieß ursprünglich Haller, weil er aus Schwäbisch Hall stammt, denarius Hallensis. Er war einer der regionalen Pfennige, die möglichst nur dort als Zahlungsmittel gültig waren wo sie geprägt wurden. Diese Sitte kommt aus der Zeit Karls des Großen, dem 8. Jahrhundert. Man faßte mehrere Pfennige zusammen zu Schillingen (Solidus, 12 Pfennige) und Pfund (20 Schillinge) oder Mark (12 Schillinge). Ein karolingisches Pfund Silber wurde zu 20 Schilling bzw. 240 Pfennigen gemünzt und so zum Zählpfund.
Die Region um Hall herum hatte zur Zeit Kaiser Friedrichs I (1152-1190) sog gut wie keine Münzstätten, und der Kaiser führte daher hier seine kaiserliche Münze ein. Der Salzhandel zog seit eh und je viel Silber in die Region, so daß die Prägestätte hier guten Zufluß erhielt. Die Prägung der Haller festigte die ministeriale Politik. Ihre Vorderseite zeigte die rechte Hand die auf Christus (und den Kaiser) verweist, die Rückseite ein Kreuz.
Und dann gibt es da ein Gesetz: schlechtes Geld verdrängt gutes Geld aus dem Umlauf. Denn Münzen mit höherem Silbergehalt behielt man für sich, da ihr „Wert“ ja dem eines niedrigeren Gehaltes gleich war, und die höhergehaltigen Münzen wurden nach und nach umgeprägt. So setzte sich der Heller durch und wurde zum allgemeingültigen Zahlungsmittel in vielen Städten, auf vielen Märkten. Bis zum 14. Jahrhundert war der Heller bis nach Nordhessen vorgedrungen. Doch man akzeptierte den Heller nicht: Verträge enthielten oftmals Klauseln, nach denen bei Zahlung in Hellern ein schlechter Kurs eingesetzt wurde. Aber andererseits wurden bald an vielen verschiedenen Münzstätten Heller geprägt.
Der Gulden: Wie der Name schon sagt, war der Gulden ursprünglich aus Gold. Sein Wert war nicht einheitlich, so ergab um 1400 in Frankfurt ein Gulden 12 Turnosgroschen zu jeweils 20 Hellern - aber auch 24 Schilling zu je 9 Hellern. Hatte der Heller ursprünglich zu einer Vereinheitlichung im Handel geführt, so zersplitterte sein Wert nun wieder zu lokalen Differenzen.
Die Landgrafschaft Hessen trat 1509 dem Kurrheinischen Münzverein bei, dessen rheinischer Gulden fortan galt. Es folgten Albus zu 8 Pfennige oder zu 12 Heller. Aus dem Norden wanderte der Taler nach Hessen ein und machte dem Gulden Territorium streitig. 1873 setzte das Deutsche Reich eine Einheitswährung ein, der letzte Heller in Hessen und in ganz Deutschland wurde 1866 in Kassel geprägt, als kurhessischer Kupferheller.
Der Wert eines Gulden im 17. Jahrhundert
Auf der Suche nach dem Elmshäuser Silber- und Kupferbergwerk wanderten die Gebrüder Poitier aufgrund einer alten Bergurkunde vier Jahre lang in allen deutschen Gauen umher und verbrauchten 1000 Gulden an Zehr- und Reisegeld, bis sie das richtige Elmshausen gefunden hatten. Drei Brüder, vier Jahre: 1000 Gulden; das sind pro Person und Jahr 83,3 Gulden, pro Tag also 0,23 Gulden für Essen, Unterkunft und Fahrkosten. Ohne Bausparvertrag und Reiserücktrittsversicherung, Steuern und Rentenrücklage.
Schatzgräberei
Als Schatz wird in der Numismatik ein Münzfund aus drei oder mehr gemeinsam versteckten Münzen. Doch oft gibt es nur Einzelfunde, die für die Archäologie dennoch als Schätze gelten können.
Schätze mit über 100 Hellern fand man in Spachbrücken und Steinbuch, in Groß-Umstadt, Ober-Roden, Dietzenbach und Frankfurt. Wer jedoch erwartet, daß der sagenumwobene Nibelungenschatz ebenfalls kartiert wurde, der sucht an der nebulösen Ortsbeschreibung „ze loche“ vergeblich. Für den Heller aber läßt sich anhand der Schatzfunde erkennen, daß einzelne Münzen 100 bis 150 Jahre im Umlauf waren, sie waren oftmals sehr abgegriffen, daß ihre Herkunft kaum noch erkennbar war. In Pfungstadt fand man 1629 einen Schatz mit 509 Münzen, darunter zwei Heller. Verwendet als Zahlungsmittel wurden Heller bis ca. 1500, so daß diese beiden 1629 schon recht alt waren. Einer davon hatte ein Loch, war also als Schmuck oder Amulett nicht mehr im Umlauf gewesen.
Wer sich intensiv mit Münzfunden befassen möchte, dem sei der Artikel von Niklot Klüßendorf empfohlen: „Der Heller in Hessen - Numismatische Fundhorizonte des Hoch- und Spätmittelalters, Landesamt für Denkmalpflege 1995.
1592: 25 Gulden für Freikauf aus der Leibeigenschaft
Winfried Wackerfuß vom Breubergbund legt in Heft 3/65 "der Odenwald" dar, welchen Wert der Gulden Ende des 16. Jahrhunderts im Odenwald hat. Friedrich Höfer, Sohn des Reinheimer Pfarrers, kauft 1592 seine Ehefrau aus der Leibeigenschaft der Löwensteinschen Grafen frei. Dafür sind 25 Gulden quittiert, und Wackerfuß setzt diesen immensen Betrag in seiner Anmerkung 7 in Relation zu Einkommen und Kaufkraft: 1 Gulden (fl) = 27 Albus = 216 Pfennige. Für das Jahr 1594/95 finden sich Vermerke: hier erhält der Habitzheimer Schultheiß ein Jahressold von zwei Gulden (!), der Büttel erhält einen Gulden. Ein Zimmermann verdiente 19 Albus pro Tag. Dieser letzte Betrag ergibt einen Monatslohn von etwa 18 Gulden. Daraus läßt sich der Freikauf mit 25 Gulden in Relation setzen: eineinhalb Monatseinkommen eines Handwerkers war dem Friedrich Höfer die Tatsache wert, daß seine Ehefrau aus der Leibeigenschaft freikam. Ihre Familie hat, so belegt es ein Dokument von 1535, Abgaben von Getreide und Geldzinsen an die Grafen abzuführen.
Leseempfehlung: die Hefte "Der Odenwald", herausgegeben vom Breuberg-Bund sind seit Ersterscheinen 1953 noch vollständig erhältlich. Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich und enthält spannende Beiträge zur Heimatforschung im Odenwald und seinen Randlandschaften.
Ein Eimer Wein für einen Gulden
Wenn wir heute lesen, daß man für einen Gulden einen Eimer Wein erhielt, dann wissen wir weder wieviel ein Gulden an heutiger Kaufkraft hat noch wie groß der Eimer war.
Nun, der Eimer maß 56 Liter und war ein gängiges Hohlmaß, ähnlich wie Simmer, Kumpf und Malter. Soviel Wasser paßte in die Brunneneimer, die über Seilwinde und Kurbel aus der Tiefe geholt wurden. Füllte man einen solchen Eimer mit Wein, so hatte er den Wert von etwa - und hier kommt es entscheidend drauf an, WANN wir diese Frage stellen! Im 15. Jahrhundert bekam man für einen Gulden 48 Kilogramm Rindfleisch, im 17. Jahrhundert 12 Kilo und im 19. Jahrhundert noch 1,2 Kilo.
Leseempfehlung: Wie Inflation funktioniert, erklärt das GEO Heft vom August 2015 ausführlich.
Für eine Handvoll Kreuzer
Man findet im Brunnenbuch von Axel W. Gleue den Hinweis, daß ein Zimmermann auf Burg Breuberg 1803 pro Tag 50 Kreuzer verdiente. Außerdem findet man den Vergleich, daß 4343 Gulden 56.000 Euro wert waren. Daraus ergibt sich, daß der Zimmermann einen Gulden pro Tag = knapp 13 Euro verdiente. Er hätte sich also pro Tag einen Eimer Wein gönnen können, aber dann wäre er kein Zimmermann mehr gewesen sondern ein Trunkenbold.
Das Kloster Schönau schaffte auf der Frankfurter Messe Tischservietten zu ca 0,75 Gulden pro Stück an. Außerdem liefen hier auch unsaubere Geschäfte: die Klosterleitung verkaufte ihre Weinbestände für 6000 Gulden an den Miltenberger Kaufmann Petraglia, der aber nur 4500 Gulden erhielt. So hatten Abt und Dignitäre (Gönner) des Klosters auf die Schnelle 1500 Gulden gutgemacht. Doppelte Buchführung mit Gottes Segen sozusagen.
Ein Mönch jedoch lebte in etwa von soviel Geld wie ein Tagelöhner und Handlanger erhielt. Aber er bekam in Schönau auch 2,3 ltr. Wein pro Tag! Hätte er die nun wieder in einem Eimer gesammelt, den er dann dem Miltenberger Kaufmann als Doppeleimer verkauft hätte, dann.... Aber natürlich mußte der Mönch jederzeit das Mene Mene Tekel, den göttlichen Feuerfinger, fürchten.
Noch eine Maßeinheit mit Geschichte: ein Achtel Wein war früher kein Piffchen (0,1 ltr) sondern ein Achterring eines Eimers, und damit gut und gerne 2 Liter. Nun werden einige sicher mit mehr Hochachtung über die Vierteleschlotzer denken...
Der Preis des Fleisches
Was ein Kilo Rindfleisch kostete, haben wir schon gelesen. Aber woher wissen wir das?
Es gibt auf dem Dach der Abteikirche Amorbach die Figur der Maria Immakulata, die auf einer Weltkugel steht. Und diese Weltkugel stellt eine Zeitkapsel dar. Darin fand sich bei Renovierungsarbeiten ein Notizzettel: 1893 kostete 1 kg Rindfleisch 20 Pfennig.
Das Pfund Rindfleisch – also ein halbes Kilogramm – kostete laut den Aufzeichnungen des Wiener Bürgerspitals Mitte des 15. Jahrhunderts rund 0,7 Kreuzer. Mitte des 16. Jahrhundert bezahlte man rund zwei Kreuzer und um 1650 lag der Preis bei rund drei Kreuzern. Den Aufzeichnungen des Wiener Marktamtes zufolge bezahlte man in der Mitte des 18. Jahrhunderts etwa fünf Kreuzer, Mitte des 19. Jahrhunderts rund 30 Kreuzer. Für das 19. Jahrhundert sind Vergleiche auf Grund unterschiedlicher Guldenwährungen allerdings schwer. Heute zahlt man für ein Kilo Rindfleisch in Schnäppchenqualität 9,99 Euro. Richtig gutes Fleisch von anständig gehaltenen Tieren kostet eher 15-20 Euro.
Warum wir überhaupt Geld brauchen
Vielen ist Geld viel zu abstrakt, Wechselkurse, Börsenhandel, Finanzblasen sind undurchschaubar. Wie oft denken wir an den Witz von der alten Frau, die zur Bank geht, ihr gesamtes Geld abhebt und es anschließend gleich wieder einzahlt? Auf die Frage des Bankangestellten antwortet sie „ich wollte nur wissen ob noch alles da ist“. Aber ist es wirklich ein Witz? Wissen wir denn, ob noch alles da ist?
Bei der Umstellung von D-Mark auf Euro 2002 war unser Geld nur noch die Hälfte wert - so schien es uns, und tatsächlich zeigten die folgenden Jahre, daß unsere Kaufkraft der Teuerung nicht angemessen folgte.
Aber: ein Ei ist ein Ei ist ein Ei. Es wiegt soviel wie das gesamte Internet, und aus dem Internet (man kann es auf dem Ei-Phone sehen!) weiß ich, daß ein Ei 1914 acht Pfennige kostete, 1923 dagegen im Januar 139 Mark, im Juli 793 Mark und am 26. November 1923 kostete es 320 Milliarden Mark! Siehe Inflation...
1950 kostete ein Ei rund 11 Cent (umgerechnet aus Pfennig). Heute kostet es - Sie werden es nicht glauben: 11 Cent! Und Sie werden es nicht essen, oder sollten es nicht. Denn für 11 Cent erhalten Sie ein Ei aus Käfighaltung von legeoptimierten Hennen. Kaufen Sie dagegen ein Ei für 35 Cent, erhalten Sie eines von Hühnern, die glücklich und zufrieden auf der Wiese picken dürfen. Denn bevor wir direkt vergleichen können, müssen wir auch wissen, daß eine Legehenne 1950 etwa 120 Eier im Jahr legte, während es heute fast 300 Eier sind. 1960 waren Eier noch Luxus: für eine Stunde Arbeit konnte man fünf Stück kaufen. Ich kaufte 1966 Eier bei einem Bauern in unserem Dorf: fünf Stück, sorgsam in mehrere Lagen Zeitungspapier eingeschlagen. Eierkartons wurden erst später erfunden. Heute kann man für eine Stunde Arbeit 75 Eier kaufen.
Damit wir die Arbeitszeit ins Verhältnis zum Geldwert setzen können: 1960 gab es im Schnitt umgerechnet 1,30 Euro pro Stunde brutto. Heute sind es 14 Euro. Wir können also von 1960 zu heute sagen, daß wir 11x soviel verdienen. Also müßte das Ei 11x soviel kosten. Dann ginge es den Hühnern und der Landwirtschaft deutlich besser.
1930 verdiente man in Österreich im Schnitt 1 Schilling pro Stunde, 1999 sind es 75 Schillinge (10 Schillinge entsprechen 0,73 Euro, 1 Euro etwa 14 Schillinge).
Alle drei Minuten einen halben Bier!
Ein Liter Bier kostete 1930 umgerechnet 7 Cent, das heißt man mußte eine Stunde dafür arbeiten. 1960, während der vielgerühmten Freßwelle, die auch eine Saufwelle war, bekam man seine Halbe nach 15 Minuten. Heute verdienen wir die Halbe* schneller als wir sie trinken können: in 3 Minuten (wird sicher schwer, das über 10 Einheiten durchzuhalten...)
Bleiben wir kurz beim Bier: gern wird ja die Oktoberfestmaß als Maßeinheit für Teuerung angeführt.
1873 brach in Mannheim der „Bier-Krawall“ aus: 25 Prozent Teuerung waren zu viel, mehr als vier Kreuzer (=1 Batzen) wollte man nicht zahlen fürs Flaschenbier. Beim Frankfurter Bier-Krawall gab es 18 Tote. Tote gab es auch beim Oktoberfest reichlich: 2014 gab es 681 Alkoholleichen, 36 Maßkrugschlägereien, 3603 Verletzte und 935 Tonnen Restmüll. Die Maß (bzw. das was als Maß verkauft wird, also eine Halbe!) kostete 1951 umgerechnet 87 Cent, 2011 aber schon 8,95 Euro und inzwischen über 10 Euro. In diesem Sinne: Prost!
*Die hier angegebenen Preise für die Halbe bezieht sich auf Flaschen zu 0,5l. Faßbier im Gasthaus ist wesentlich teurer. Das war auch nicht immer so: früher holten die Leute ihr Bier im Krug oder in einer großen Flasche im Wirtshaus, um es zuhause zu trinken. Erst als die Brauereien auf die Idee kamen, für ihr Bier mehr Absatz zu finden und die Flaschenpreise auf ein absolutes Niedrigniveau setzten, dagegen die Faßpreise für die Gastronomie erhöhten, begann das allerorten beklagte Kneipensterben. damit haben die Brauereien nicht nur dafür gesorgt, daß sie mit dem Mehrumsatz an Flaschenbier durch Einbußen beim Faßbier eine Nullrunde gespielt haben. Sie haben auch dafür gesorgt, daß eine Gaststätte nach der anderen mangels Gästen geschlossen hat. Die sitzen nämlich jetzt im Feinrippunterhemd in Pantoffeln auf der Couch und trinken Flaschenbier. Und weil dort die Gesprächspartner für die großen und kleinen Probleme der Welt fehlen, wie sie am Stammtisch immer gelöst worden waren, schalten sie den Fernseher ein.
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, aber ohne geht es gar nicht...
Schwarzbrot kostete 1930 pro Kilo gut 4 Cent (35 Minuten Arbeitszeit), 2000 kostete es knapp 2 Euro.
Für 1 kg Butter arbeitet man 1930 sechs Stunden, 1999 nur noch knapp eine Stunde. 1 kg Mehl kostete 1930 soviel, daß wir 41 Minuten dafür arbeiten mußten. 1999 sind es gerade noch 7 Minuten. Zehn Eier kosteten 1950 zwei Stunden Arbeit, 2009 dagegen nur noch 8 Minuten. Ein Kleiderschrank erforderte 1950 146 Arbeitsstunden, 1950 mußte man noch 38 Stunden dafür arbeiten. Ein Fernsehgerät kostete 1960 den Gegenwert von 351 Stunden Arbeit, 2009 ist es nur noch ein Zehntel!
Schwarzmarktpreise Oktober 1946:
1 kg Butter kostete 1938 noch 3,21 Reichsmark, während man 1946 dafür 250 Reichsmark zahlen mußte, beim Brot ist es ähnlich: pro Kilo zahlte man 1938 nur 0,32 Reichsmark, 1946 dagegen 20-40 Reichsmark, Kartoffeln kosteten vor 1914 nur 15 Pfennige das Kilo, 1923 mußte man im Juni 333 Mark pro Kilo zahlen, im November 1923 stand der Kilopreis dann bei 80 Milliarden Mark. Ab Juli 1923 wurden in Berlin Frühkartoffeln unter Polizeischutz verkauft.
Früher war alles billiger!
Ein ähnlich dummer Spruch wie „Früher war alles besser“... Unsere Preise haben sich seit 1950 verfünffacht, während unser Einkommen etwa 25 mal mehr beträgt! (Institut der Deutschen Wirtschaft Köln)
Was die Auswanderer in Amerika bezahlen mußten
Lesetipp: Wir ziehen nach Amerika - Briefe Odenwälder Auswanderer aus den Jahren 1830-1833
Im Wort "Dollar" klingt noch unser alter Taler mit. Die Auswanderer zahlten 1830 in Amerika mit Dollar, dieser war im Schnitt 2,5 Gulden wert. Lesen Sie hier über das, was die Auswanderer in ihren Briefen berichteten.
Was verdiente eine Handarbeitslehrerin im Jahr 1878?
Ganze 60 Euro bekam eine Handarbeitslehrerin umgerechnet vor gut 140 Jahren im Odenwald. 1844 war ein Webstuhl 25 Gulden wert, eine Elle Stoff brachte 1 Gulden 12 Kreuzer. Ein Gulden war 1803 knapp 13 Euro wert, ein Zimmermann verdiente also mit 11 Euro pro Tag nicht schlecht im Gegensatz zur Handarbeitslehrerin. Was ein Lehrer seit Einführung der Schulpflicht im 16./17. Jahrhundert verdiente, lesen Sie hier.
Ein Gulden war 60 Kreuzer wert, für eine Kuh mußten anno 1843 66 Gulden berappt (oder bekuht?) werden.
Um 1850 erhielt eine Strickerin oder Weißnäherin einen Tageslohn von 4 Silbergroschen, ein Baumwoll- und Leineweber bekam pro Woche 2 Taler + 3 Groschen.
Gulden und Kreuzer, Taler und Groschen
1837 waren 14 Taler 24 1/2 Gulden, 1 Taler waren 30 Silber- oder Neugroschen.
Wieviel kg wiegt ein Malter Kartoffeln?
In Malter wurde Schüttgut gemessen, also Kartoffeln, Getreide etc., es war ein Hohlmaß, kein Gewichtsmaß! Ein Malter waren 12 Scheffel. In Hessen maß ein Malter 1,28 Hektoliter, wobei es dafür von Ort zu Ort Abweichungen gab. Wenn man einen Behälter der 1,28 Hektoliter faßt mit Kartoffeln befüllt, kann er viel (bei kleinen Kartoffeln) oder wenig (bei großen Kartoffeln) wiegen!
Malter oder Molter?
Was der Müller für sich behalten durfte, war das Molter. Das Hohlmaß mußte voll sein und konnte je nach Trocknungsgrad des Schüttgutes schwerer oder leichter sein. Aber ein Getreidekorn ist ein Getreidekorn ist ein Getreidekorn: es braucht immer gleich viel Platz, egal ob es feucht oder trocken ist. Das war häufig eine sehr nützliche Sache!
Weitere Hohlmaße: ein Ohm = 160 Liter, ein Simmer = 32 Liter.
Ein Klafter war das Maß für aufgesetztes Holz. Im Odenwald maß ein Klafter 2,5 Meter.
Ein Stecken Holz sind ca 1,56 Quadratmeter Brennholz.
Ein Wasserknecht auf der Veste Otzberg verdiente 1813 vier Gulden im Monat, also 48 pro Jahr, dies entspricht dem Kaufpreis für ein Pferd. Der Brunnengräber (Reiniger) bekam 60 Gulden.
1618 entsprach 1 Taler in der Region Homberg Efze 1,25 Gulden. Ein Albus (Weißpfennig oder Silbergroschen) entsprach einem halben Batzen oder zwei Kreuzern.
Spannendes über Brunnen, siehe auch Axel Gleue: Ohne Wasser keine Burg, Regensburg 2014, ISBN 978-3-7954-2746-7.
Um diese Zeit (1666) rechnete man für Werkzeug im Bergbau:
Schrotmeißel 6 Kreuzer, Spitzhammer 12 Kreuzer, Bickel 10 Kreuzer, Seil 100 Lachter 25 Gulden (ein Lachter ist im Bergbau das Maß, das ein Mann mit ausgestreckten Armen umfassen konnte), 20 Pfund Pulver 5 Gulden, und Kostgeld für die Bergarbeiter 1,5 Gulden wöchentlich.
Das Geheimnis auf dem Dach der Amorbacher Abteikirche
Die Steinfigur Figur der Maria Immakulata auf dem Dach der Abteikirche Amorbach trägt eine Weltkugel, die bei Renovierungsarbeiten ein geheimes Innenleben preisgab: die Weltkugel enthielt eine Zeitkapsel mit Informationen über Lebensmittelpreise des Jahres 1893. Demnach kostete 1 kg Rindfleisch 20 Pfennig, heute dabegen etwa 10 Euro.
Wie wir heute Geld messen
Was kostet die Maß auf dem Oktoberfest? Das ist eine zuverlässige Maßeinheit für den Geldwert. Wasserverbrauch messen wir in Badewannen und Flächen in Fußballplätzen. Abstrakte Größenangaben sind für uns nicht sehr greifbar, daher verwenden wir gerne solche Eselsbrücken.
Kloster: ganz ohne Geld auskommen - und dann ein Aufstand wegen Schuhen!
Völlige Besitzlosigkeit war vorgeschrieben nur für die Mönche, nicht für das jeweilige Kloster. Und so konnte das Kloster Melk aus dem Verkauf der Gutenbergbibel das gesamte Dach neu decken lassen. Bedenkt man daß die Melker Arbeitsbibliothek weitere 156.000 Bücher umfaßt, wird es hier wohl nie reinregnen. Das älteste Buch in Melk stammt aus dem Jahr 800 nach Christus, und es durfte hier in den Räumlichkeiten kein künstliches Licht verwendet werden, um Brandgefahr abzuwenden.
Mönche und Laienbrüder wurden trotz einer Verschwörung unter Abt Godefridus 1142 im Zisterzienser Kloster Schönau auf geweihtem Boden begraben. Wie war es zur Verschwörung gekommen?
Die Laienbrüder oder Konversen mußten hart arbeiten und brauchten daher genagelte Schuhe. Deshalb durften sie im Sommer nach der Vigil aufstehen, im Winter während der Vigil, mußten in der Vigil 7 Vaterunser beten und dann sofort ab zur Arbeit. Da Nagelschuhe die Mönche in der Vigil störten, könnten sie also im Winter gebrauchte Nachtschuhe (botae) getragen haben. Diese wurden ihnen freundlicherweise in gebrauchtem Zustand von den Mönchen überlassen, was den Konversen nicht gefiel. Aus Protest rasierte sich ihr Anführer den Bart ab (Mönche waren glatt rasiert, Laienbrüder nicht), er brach das Schweigegebot und stiftete die Konversen an, die Stiefel der Herren Mönche zu zerstören.
Während seiner Strafe für diesen Aufstand - Fasten bei Wasser und Brot - starb der Anführer und wurde von den Schönauer Fratres mit allen Feierlichkeiten begraben, nachdem die Verschwörung versprach, den Aufstand ruhen zu lassen. Offenbar war diese Strafe lebensbedrohend, dagegen sind Strafen für die Mönche eher geistlicher Natur: Ausschluß der Tischgemeinschaft und der Gebetsgemeinschaft, Büßer mußten sich auf dem Boden ausstrecken. Strafversetzung und Ausschluß von der Kommunion drohten bei Vergehen. Während die Laien nicht lesen und keine Bücher haben durften und keinen Zugang zu religiösen Fragen hatten, verwalteten die Mönche die Crangien (= Landgüter) und handelten mit Produkten wie Ziegeln Erzen Salz Wolle und Leder, die die Laien erzeugten.
Strecke machen: die Sieben-Meilen-Stiefel!
Was im Märchen so einfach klingt, ist ein harter Weg: Der Meilenstein von Gadernheim
Wir ziehen nach Amerika - Briefe Odenwälder Auswanderer
Lesetipp: Wir ziehen nach Amerika - Briefe Odenwälder Auswanderer aus den Jahren 1830-1833, zusammengestellt von Marie-Louise Seidenfaden und Ulrich Kirschnick, 1988. ISBN 3-923366-03-5
Hier findet man zahlreiche Belege für die Preise in Amerika im Vergleich zu unserer Region. Im Jahr 1830 zogen 100.000 Seelen von Europa nach Amerika.
In den Briefen Odenwälder Auswanderer aus den Jahren 1830-1833 findet man zahlreiche Belege für die Preise in Amerika im Vergleich zu unserer Region. Im Jahr 1830 zogen 100.000 Seelen von Europa nach Amerika.
Geldwert: Ein Dollar war 2,5 Gulden wert, für 3 Gulden 45 bekam man in Amerika 1 Dollar.
Reiche Einwanderer konnten gleich nach Ohio weiterziehen, wo man für 1-2 Taler einen Morgen Land kaufen konnte. Dagegen kostete der Morgen in Waynesboro 30-40 Taler. Pro Auswanderer wurden für die Überfahrt 100 Gulden für Erwachsene und Kinder über 12 Jahren, 50 Gulden für Kinder unter 12 Jahren verlangt.
Ein gemeinsamer Wagen von Baltimore nach Wheeling für die Raidelbacher, Lauterner und Hohensteiner Auswanderer mußte für 100 Dollar gemietet werden.
Über Anschaffungen, laufende Kosten und den Ertrag berichten zahlreiche Briefe der Auswanderer. Das Foto eines Auswanderers, Adam Tracht aus Raidelbach, zeigt einen alten Mann, obwohl er zur Zeit des Fotos erst 65 Jahre alt ist und seit 20 Jahren in Amerika lebt. Seine Züge zeugen von einem entbehrungsreichen Leben. Trotzdem konnte Adam Tracht mit seiner Frau in Freiheit leben, und er verdiente bereits in seinem ersten Jahr in Amerika 110 Dollar!
Für ein Doppelgewehr aus Deutschland konnte man in Amerika 50 Taler = 125 Dollar bekommen, deshalb waren Gewehre begehrte Mitbringsel aus der Heimat. Neuankömmlinge mußten oftmals Schulden machen, wie Johannes Rettig aus Reichenbach. Dennoch rät er seinen Verwandten davon ab, anderen Geld zu leihen. Die Leute seien noch "Darmstädtisch".
Entfernungen: 28 Stunden brauchte man auf dem Landweg für 120 Kilometer, 3 Meilen schaffte man in einer Stunde. Reiche Einwanderer konnten nach Ohio, 161 Meilen von Waynesboro. Die Entfernung Waynesboro - Baltimore beträgt 61 Meilen = 120 km = 27 Std. In Ohio zahlte man 1-2 Taler pro Morgen, in Waynesboro 30-40 Taler pro Morgen.
Die Auswanderung kostete für Erwachsene und Kinder ab 12 Jahre 100 Gulden, Kinder unter 12 J. zahlten 50 Gulden, unter 6 Jahre 25 Gulden
Amerikanische Maßeinheiten: 1 Buschel ist etwas mehr als ein Simmer S. 52 / Die Maßeinheit 1 Acker = acre entspricht 1 Morgen.
Notizen: Mühlen 55 Mühlarzt Jakob Lick *1801 in Lautern, Müller Joh. Arras *1807 in Gadernheim, Müller S. 126, Mühlarzt S. 127Schön Heimatchen S. 88
Anschaffung und laufende Kosten und Ertrag 99-91 Thema Landwirtschaft
Diebstahl und Polizei S. 96
Tierschutz 97
Eisernes Joch 101
Darmstädtische Kleidung S. 111
Pest 111
Stempelpapier als Wurzel allen Übels? 112
Fleisch 124
Dunkle Sonne 124
Silber kontra Lumpengeld 127
Reise 50 Gulden Lehrer S. 103
Foto AT 106 entbehrungsreiches Leben, aber Freiheit! Verdienst im 1. Jahr 110 Dollar! *1785, nach USA 1831 = 46 Jahre alt. Das Altersfoto zeigt AT mit ca. 65 Jahren, also 20 Jahre im Überfluß, und dann solche von Entbehrungen gezeichneten Gesichtszüge?
Ein gemeinsamer Wagen für Raidelbacher, Lauterner und Hohensteiner für 100 Dollar von Baltimore nach Wheeling S. 108
Riegelstraße: Bau der Eisenbahn S. 109
Doppelgewehr aus Deutschland 50 Taler = 125 Dollar
Zuckerpreis in Bremen 500g 1/2 Taler (1,15 Gulden)
Schulden: JR machte 18 Gulden Schulden bei der Ankunft, rät aber S. 111 ab, anderen Geld zu leihen. Die Leute seien noch Darmstädtisch.
Beerfelden liegt 200 Schuh höher als Erbach
Laut Wikipedia liegt Beerfelden auf 415 m ü. NHN, Erbach auf 210 m, also liegt Beerfelden 205m höher. Dr. Klein (bitte lesen Sie zum Buch von Amtsarzt Dr. Ludwig Gottfried Klein "...statt des Confekts fressen sie eine gute Portion Kartoffeln..." von 1754 hier: Kartoffelfresserei... ) - dieser Amtsarzt Dr. Klein also schreibt, daß Beerfelden 200 Schuh höher als Erbach liegt, "schon weil die Berge im mittägigen Strich höher als die anderen sind." - Gemeint sind die südlichen Berge.
www.stadt-oberzent.de - Beerfelden