und warum die Kobolde dran schuld sein sollten:

in Gruselgeschichten hört man oft von seltsamen Geräuschen auf dem Dachboden. Es kruschpelt und knispelt, es knirscht und raschelt. Natürlich braucht es einen Dachboden, um all die kleinen Geräusche hören zu können.

Manche Menschen behaupten heutzutage, das Gepolter auf dem Dachboden komme von Siebenschläfern! Gut, mag sein: Siebenschläfer lieben kleine dunkle Verstecke, zum Beispiel auf ungestörten Dachböden. Deshalb werden sie von den Menschen oft auch als Kobolde bezeichnet.

Aber was ist ein Kobold eigentlich? In früheren Zeiten waren die Kobolde die Hausgeister. Sie lebten in den Bauernhäusern, und die Hausfrau war stets darauf bedacht, am Abend einen Topf mit Milch oder Suppe ohne Deckel auf dem Herd stehen zu lassen. Dies war die Speisung der Kobolde. Zum Dank sorgten diese dafür, daß im Hause alles in Glück, Wohlstand und Gesundheit lebte. Wehe aber, die Hausfrau deckte alle Töpfe zu! Dann schepperte es nachts fürchterlich, und die Kobolde hatten am nächsten Tag schlechte Laune.

Was einst zu einigen unschönen Szenen und Schabernäcken geführt haben mochte...

Mehr über Kobolde und ihre Angewohnheiten sind auf www.felsenmeerdrachen.de zu finden. Der Kobold namens Siebenschläfer jedenfalls bevorzugt Ecken und Winkel, in die sonst kein Getier hineinkriechen kann. Zum Beispiel zwischen Dachziegeln und Sparren. Dort kann er für recht störenden nächtlichen Lärm sorgen. Auch Baumhöhlen in knorrigen alten Apfelbäumen liebt der Siebenschläfer. Vielleicht rührt daher die große Liebe der Kobolde zu Äpfeln...

Wir haben auf unserem Dachboden schon seit vielen Jahren eine Siebenschläferfamilie. Im Sommer ist alles still, aber kaum wird es draußen kalt, so hört man sie wieder in der Zwischendecke rumoren. Und wenn es Frühjahr wird, mischen sich winzige dünne Stimmchen hinein, die uns sagen, daß auch Siebenschläfer offenbar im Frühling die Liebe entdecken. Doch nie haben wir Schmutz in der Zwischendecke gefunden, und die Siebenschläfer kommen getreulich jedes Jahr wieder. Durch welches Schlupfloch sie ins Haus finden, ist uns unbegreiflich, aber in einem Gruschbelhaus zu wohnen ist gemütlich ...

Marieta Hiller, Dezember 2014

Zeichnung: M. Hiller

Ein Bericht von den Sagen- und Märchentagen Reichelsheim 2017, Thema war "Tischlein Deck Dich! Kulinarisches und Märchenhaftes..."

Oft und von verschiedenen Erzählerinnen und Erzählern wurde das Märchen vom Großvater und seinem Enkel erzählt: als der Großvater alt war und nicht mehr sauber essen konnte, wurde er vom Tisch in die Ecke verbannt, wo er für sich aus einem alten Holztrog essen mußte. Der Enkel begann aus Holz etwas zu basteln und als die Eltern fragten was er da tue, antwortete er "ich baue ein Tröglein, aus dem ihr später essen könnt, wenn ihr alt seid". Einfacher läßt sich die Wertschätzung der Generationen und die soziale Bedeutung der Mahlzeit nicht vermitteln!

Auch bei Dornröschen wird die Märchengeschichte ausgelöst, weil eine Verwandte - die 13. Fee - vom Fest ausgeladen wurde, weil man nur 12 goldene Teller hatte. Oft ist Hunger der Auslöser der Märchenhandlung. Arme Leute aßen Schwarzbrot, Suppe und Kartoffeln ohne Salz, reiche Leute Gesottenes und Gebratenes. Das Märchen Rapunzel heißt nach der Speise wie auch das Mädchen der heißhungrigen Schwangeren später so heißt.

Die Einverleibung von Speisen, Kannibalismus und das Verschlungenwerden

Der Wunsch nach Einverleibung einer Speise ist ein wichtiges Märchenmotiv, oft spielt Essen die Rolle des Handlungsträgers: so auch in Aschenputtel oder Hänsel und Gretel. Etwas makaber ist die Geschichte vom Allerleirauh, in der es um Inzest geht. Das Mädchen verläßt seine weibliche Rolle der Bescheidenheit und nimmt die Handlung selbst in die Hand, indem es heimliche Erkennungszeichen in ihr Essen für den König tut. Auch Aschenputtel wird selbst aktiv. Das Führen des Haushaltes bis zum Schlafen in der Asche war eine Bestrafung für Frauen. Reiche Frauen mußten das nicht tun.

Aber Schneewittchen kocht und putzt freiwillig für die Zwerge. Der vergiftete Apfel ist ein Symbol für Gutgläubigkeit. Märchen vom Essen haben also auch Kannibalismus zum Inhalt: die Angst vor einer übernatürlichen verschlingenden Macht. Die böse Stiefmutter will Schneewittchens Herz essen, die sieben Geißlein oder Rotkäppchen werden vom Wolf verschlungen, die Hexe will Hänsel Gretel mästen und schlachten. Aber sehr wichtig im Märchen ist nach dem Verschlungenwerden das Wieder-zum-Vorscheinkommen!

Kindermärchen mit erzieherischer Absicht für das Biedermeier-Bürgertum

Jakob und Wilhelm Grimm faßten ihre Kinder- und Hausmärchen (KHM) mit dem Zweck einer erzieherischen Aufgabe für bürgerliche Haushalte zusammen. Daher wurden zahlreiche Märchen aus dieser Sammlung verbannt. Der Gestiefelte Kater und andere wurde aus den KHM?herausgenommen, weil sie aus Frankreich stammen und im nationalistischen Zeitalter der Grimms nicht deutsch genug waren. Rotkäppchen dagegen kommt auch aus Frankreich (Perrault), ist aber wohl deutsch genug gewesen.

Wildweibchenpreisträger Hans-Jörg Uther hat eine kostbare Enzyklopädie der Märchen in 15 Bänden erstellt, die jedoch sehr teuer ist. Sie ist auch digital gegen Nutzungsgebühr verfügbar, jedoch kann man sie digital in Universitätsbibliotheken kostenlos nutzen. Das Lebenswerk eines Märchenforschers ist kein Schnäppchen, sondern es muß honoriert werden - auch in einer Zeit, in der moderne Piraten sich über Copyright einfach hinwegsetzen. Wer weiß, wieviel Arbeit in der Forschung und ihrer Dokumentation steckt, wieviel Butterbrote, wieviel Tassen Tee es erfordert diese Arbeit zu tun, der zahlt gerne dafür, von diesem Lebenswerk zu profitieren.

Märchenmotive sind oft universell

Doch zurück zu den Märchen: erstaunlicherweise taucht das gleiche Motiv bei mehreren verschiedenen Sammlern auf! Grimms "Der Geist im Glas" heißt bei Andersen "das blaue Licht" und in Aladins Wunderlampe ist es auch im Orient vertreten. Allerdings merkt Uther hier an, daß der Übersetzer der Märchen aus 1001 Nacht (alf layla wa-layla), Antoine Galland, drei arabische Märchen selbst erfunden hat: Ali Baba, das Zauberpferd und Aladin. Diese sind heute die drei beliebtesten Märchen bei uns, während die ursprünglichen arabischen Märchen von Muhsin Mahdi für unser kulturelles Verständnis oft sperrig wirken.

Und nun zurück zum Thema "Speis und Trank": in Romania und Orientalia sind Festtafeln ausführlich und opulent beschrieben, auch bei Bechstein. Hier ein anekdotisches Volksmärchen aus der Schweiz: die Blümlisalp vergletscherte, weil ihre Bewohner das Essen nicht wertschätzten und Treppen aus Käse bauten. Der Brotfrevel ist ein jahrhundertealtes gesellschaftlich verankertes Motiv, das auch in Märchen eine Rolle spielt.
Die Brüder Grimm schildern Festtafeln und Speisen aber eher abstrakt, wie Stereotypen, die jeder selbst in der Fantasie mit Leben füllen kann. Essen und Tafeln ist funktionsbezogen im Hinblick auf den Erzählfortgang. Nach Uther kann dies daher rühren, daß es bei Grimms zuhause eben auch nicht opulent zuging, sie hatten immer wenig Geld.

Wie kamen die Märchen überhaupt zu den Kindern?

Feenmärchen wurden in Frankreich meist von jungen adligen Frauen für ihresgleichen geschrieben. Nach Deutschland kamen Märchen erst in der 2. Hälfte des 18. Jahrhundert, wurden hier entdeckt und weiterentwickelt. So war Musäus einer der ersten, der Volksmärchen der Deutschen zusammenstellte. Alle deutschen Märchen wurden an die französischen Vorbilder angelehnt.
Dann wurde man sich der Kinder bewußt, einer perfekten Zielgruppe für Märchen! Daher auch der erzieherische Aspekt bei den Grimms.

Allerdings konnten Jakob und Wilhelm Grimm ihre für Kinder aufbereitete Märchensammlung leider nicht "Volksmärchen" nennen, denn dieser Titel war schon besetzt: 1809 brachte Albert Ludwig Grimm, Autor der "malerischen und romantischen Stellen der Bergstraße, des Odenwaldes und er Neckar-Gegenden" seine Märchensammlung unter dem Titel "Volksmärchen" heraus. A.L. Grimm ist übrigens nicht verwandt oder verschwägert mit den Brüdern Grimm.

Und so mußten die Brüder Grimm einen neuen Titel für ihre Sammlung finden: Kinder- und Hausmärchen, ein Erziehungsbuch für Kinder und Erwachsene für das ganze Haus.

Mitte des 19. Jahrhunderts waren Märchen weit verbreitet, Kindertheater entdeckten sie für sich, vor allem Weihnachtsmärchen wie Frau Holle und "Die drei Männlein im Walde" wurden beliebt. Weihnachten war zu jener Zeit - es herrschte Biedermeier! - ein großes Thema in den bürgerlichen Familien. Zu dieser Zeit wurde auch der Tannenbaum eingeführt.
Es etablierten sich weitere Sammlungen nach dem Vorbild der Brüder Grimm, ein Märchenbrei mit immer weiteren Phrasierungen entstand.

Was haben Luther und die Brüder Grimm miteinander zu tun über 300 Jahre hinweg?

Im Lutherjahr 2017 stellte Hans-Jörg Uther natürlich auch die Frage, was Luther und die Brüder Grimm verbindet. Die Grimms waren streng reformiert erzogen, Jakob schrieb einmal: „von Katholiken machte ich mir seltsame Begriffe". Beiden - Luther und Grimms - gemeinsam war die Vorliebe für klare Sprache, unumstößliche Haltung, den Glaube an einen gerechten Gott, die Verwendung von Formeln und Sprichwörtern und der hohen Wertschätzung der Fabel zur ethischen Unterweisung.
Beide wußten aber auch: Geschichten müssen spannend und anekdotisch sein, damit das Volk zuhört. Gelehrte Abhandlungen interessieren niemanden. Luther hatte eine Fabelsammlung und eine Sprichwortsammlung, er war übrigens nicht der erste Bibelübersetzer, aber seine kraftvolle Sprache machte seine Übersetzung so berühmt.

Märchen von Vaganten: hinaus in die weite Welt aus purer Armut und Not

Es gibt im Odenwald ein Dorf, das keines mehr ist. Galmbach war ringsum vom Badischen umgeben, so daß von dort die Flucht für Gauner, Wilderer und fahrendes Volk über die hessische Grenze sehr bequem war. Im "Spitzbubennest" Galmbach fanden sie Zuflucht. Und natürlich taten die Spitzbuben und Lausemädchen das, was man zu zweit so schön tun kann. Die Kinder waren auf hessischem Boden geboren und wurden so erstens seßhaft und mußten zweitens von der Gemeinde Galmbach finanziert werden. Daher waren alle rings um Galmbach herum froh, als der Fürst von Leiningen die Bauern des Dorfes umsiedelte oder ihnen die Auswanderung bezahlte. Nur der Fürst selbst war nicht froh: denn die Besitzlosen mit Heimatrecht in Galmbach lagen ihm auf der Tasche. Deshalb warb er in den Nachbargemeinden, daß er die Galmbacher Spitzbuben verkaufen würde. Gegen fürstliches Geld konnten die Gemeinden dann entweder die Spitzbuben aufnehmen oder ihnen die Überfahrt nach Amerika bezahlen. Der Fürst ließ alle Häuser in Galmbach blitzschnell abreißen, damit nur ja niemand mehr zurückkam.1836 wurde Galmbach von der Hessischen Landesregierung für offiziell aufgelöst erklärt. Diese Geschichte erzählte Rainer Türk.

Weitere spannende Geschichten über Räuber im Odenwald finden Sie hier.

Zurück zu den Reichelsheimer Märchentagen und "Tischlein Deck Dich": Vaganten waren auch die Bremer Stadtmusikanten. Im 16. Jahrhundert wurde das Liber Vagatorum zur Warnung vor bettelnden Vaganten veröffentlicht. Mit vielen Bildern für die Leseunkundigen, ermöglicht durch den Buchdruck. Und mit einem Rotwelsch-Wörterbuch...

Martin Luther konstatierte: du kannst deinen Stand nicht verlassen, weil Gott dich da hinein gesetzt hat. Und so mußten sich die Söhne ins Köhlerhandwerk oder ins Hausierertum fügen, die Mädchen einen guten Mann finden. Und 300 Jahre später parodierte Wilhelm Grimm im KHM 179 "Die Gänsehirtin am Brunnen" daß die gute arbeitsame gehorsame Magd alias Königstochter Perlen weinen konnte: "heutzutage kommt das nicht mehr vor, sonst könnten die Armen bald reich werden". In KHM 180 "Die ungleichen Kinder Evas" wird das Thema weiter ausgearbeitet.

Äsopische Fabeln waren bis Heinrich Steinhöwel unpolitisch, Luther dagegen wollte sie politisch auslegen. Er wurde jedoch mit diesem Projekt nicht fertig, es ist nie veröffentlicht worden.
Französische Fabeln - z. B. von La Fontaine - sind schwungvoller als deutschen, die meist etwas kleinbürgerlich und moralinsauer waren. Hans-Jörg Uther führt als Beispiel den „Froschmäuseler"-Typus an: http://www.zeno.org/Goetzinger-1885/K/goetzi-1885-001-0245ein epischsatirisches Gedicht von Georg Rollenhagen (1542–1609) in Nachahmung Homers, aber lehrhaft und polemisch ausgearbeitet.

Wie alt sind unsere Märchen eigentlich?

Die Märchen, die die Brüder Grimm gesammelt haben, sind uralt und wurden schon immer erzählt? Irrige Annahme! Sie kamen tatsächlich aus Frankreich (Sie erinnern sich, adlige junge Mädchen...) in die gutbürgerlichen Häuser. Doch wurde Ähnliches wie diese Märchen tatsächlich zu allen Zeiten erzählt, vielleicht schon am ersten Feuer der Steinzeit, kurz nachdem die Menschen das Sprechen erlernt hatten.

Die Steinzeitoma - damals vermutlich 30 Jahre alt und auf dem Weg aus dem Produktivstand heraus in Richtung Altenteil - hatte die Zeit dazu, Geschichten zu erzählen. Und sie hatte die Erfahrung, die Lebensweisheit.

So brachte sie ihre Erkenntnisse den Kleinen nahe: Archetypen (C.G. Jung), Allgemeingültiges, Grundlagen des Miteinanderlebens. Bruno Bettelheim, selbst zwar kein Steinzeitmensch, aber einer der noch die Prügelstrafe für Kinder erwog, schrieb: "Kinder brauchen Märchen". Denn um als Kind einen gesellschaftlichen Ethik-Überbau verstehen und verinnerlichen zu können, sind "Einfache Formen" (André Jolles) bestens geeignet. Von einem nahestehenden Menschen erzählt, in einfachen Worten und als einfach verständliche Handlung. Durch Wiederholungen und Formeln werden sie so einprägsam. Wiederholungen und Formeln sind Muster, und Muster sind unsere ganz ursprüngliche Wahrnehmung auf tiefster Ebene, wohl direkt im Kleinhirn. Unser erstes Muster ist der Herzschlag der Mutter oder der eigene - ein Rhythmus! Ein Muster ist etwas, das die Natur so selten schaffen kann, es weist auf eine wie auch immer geartete Beseelung hin im Sinne von Menschengemacht oder "animiert" - was nichts anderes heißt als "beseelt". Märchen sind immer der Raum-Zeit-Dimension entrückt (zu einer längst vergangenen Zeit, an einem fernen fernen Ort), Märchen werden von der Steinzeitoma wie auch vom modernen Märchenonkel mit tiefer, vertrauenerweckender Stimme erzählt - die Schwingungen wirken beruhigend und schaffen Behaglichkeit. Jetzt könnte ich noch das Wort Behaglichkeit erklären, aber das führt zu weit... Ein andermal vielleicht!

Jedenfalls kennen ALLE Menschen Märchen. In allen Sprachen, in allen Kulturen, zu allen Zeiten.

So entstand die Vorstellung vom Archetypus, obwohl das Märchen gar keiner ist. Vielmehr wurde das Märchen wie es seit den Brüdern Grimm das deutsche Bürgertum formt, gezielt umgeformt, damit ein Wertesystem (zehn Gebote, sieben Todsünden etc) unterhaltsam und leicht verständlich an Kinder vermittelt werden konnte, ohne sie zu überfordern. Erwachsene fühlen sich beim Hören dieser Märchen ein zurückversetzt in eine unbeschwerte Kindheit (die es so auch nie gab). Gefühle, Gerüche, Bilder, Geräusche werden dabei erinnert, das kommt direkt aus dem Kleinhirn.

Hier sollten wir eine Schleife zurück zum Großvater und dem Enkel machen: eine gesellschaftliche Utopie. Denn während ich das schreibe und Sie es lesen, haben wir alle Verwandte in Altersheimen, die dort auf ihren Tod warten. Die arbeitsteilige Welt läßt kaum ein Miteinander der Generationen mehr zu, Frauen führen heute nicht mehr "nur" den Haushalt und sorgen für Kinder und hilfsbedürftige Alte. Sie sind einfach für lange Zeit am Tag nicht mehr zuhause. Frauen hatten früher nicht weniger Arbeit als heute, denn während sie Alte und Kleine beaufsichtigten, sorgten sie für eine gute Vorratshaltung und für einen funktionierenden Haushalt - ganz ohne Thermomix und "mothers little helpers". Nur in einem Mehrgenerationenhaushalt mit einer "hauptamtlichen" Haushaltsführung könnte der Großvater dabei sein, ob am gemeinsamen Eßtisch oder in seiner Sabberecke. Warum sollte diese hauptamtliche Haushaltsführung die Frau, Mutter, Tochter übernehmen? Warum nicht jemand anderes? Statt dessen gehen alle Familienmitglieder ihrer Wege: zur Schule, zum Klavierunterricht, zum Sport, zur Arbeit, ins Altersheim...

Und noch eine Schleife zurück zur Formelhaftigkeit der Märchen: wenn eine Formel nicht korrekt ausgesprochen wird, erfolgt keine märchenhafte Zauberaktion! "Töpfchen steh!" und der süße Brei hört auf zu quellen. Aber "Sesam geh auf!" und der Zauberberg bleibt verschlossen. Formeln wollen wohlgeübt sein, damit sie in jeder Situation richtig ausgesprochen werden. Sie finden ihre Fortsetzung in den Konventionen: gelebte Formeln, Regeln zum gesellschaftlichen Zusammenleben.

Und jetzt eine Schleife ganz zurück zu unserem Anfangsthema "Tischlein Deck Dich!": Um Deftiges und Schmackhaftes aus dem Märchentopf" ging es bei Märchenerzählerin Mariele Sylwasschi aus Steinau an der Straße. Sie erzählte ein Märchen aus Posen: wie der erste Kaffee zu uns kam - und wie die Hausfrau aus den Kaffeebohnen, die ihr Mann als Neuheit vom Markt mitgebracht hatte, Bohnensuppe kochen wollte... Und ein hochkompliziertes Märchen aus Italien; drei Söhne sollten Feigen zum König bringen, begegneten aber vier Hexen, die die Feigen an sich nahmen und dafür Brot, Käse, Wein und eine Schalmei schenkten. Nun war aber die Königstochter schwermütig, und alle versuchten sie zum Lachen zu bringen. Der Jüngste Sohn hatte die Schalmei bekommen, und die bewirkte daß alle tanzen müssen. So konnte er die schwermütige Königstochter zum Lachen bringen, weil der ganze Hofstaat wie verrückt tanzen mußte, und bekam sie zur Frau.

Zu guter Letzt erhählte Carola Graf, die mich mit ihrem Projekt des Märchenerzählens für Flüchtlingskinder stark beeindruckt hatte, etwas aus der griechischen Mythologie: ein Brauch besagte, daß das Brautpaar im Hochzeitsgemach als erstes gemeinsam einen Apfel verspeisen mußte.
Äpfel waren das Erkennungszeichen der Hesperiden (hier waren sie golden!), der Erdgöttin Demeter, von Persephone und Hades.

"Es zwadde Mol drohd sich Oustern blouß nä uffem Babier se präsendiern: Lock-doun, Fernseh-Kerch un Telefongebabbel ånstatt ächdi G'sellichkeid zu de Feierdåe. Dodebei häwwe mä däs all sou näirisch, däs G'speer vun Ufferstehung! – Ver alle Dinge im Soziale, e gånz Johr unner Corona ohne G'sellichkeid, ohne Schmatz un Geknuddel, däs is hart. Mer Äldere schligge däs, mä hodd jå Vestånd, äwwer die Kinner, denne fehlt doch däs Beiennånnerhogge. Jeed Bobbelche will jå schon uff de Måme rimkrawwele un is seelich debei. Schogelåd unn Computerspeele kenne do nedd mid, menschlichi Neh gäid iwwer alles. Un dodevåu hånneld maoi klåni G'schichd."

Bald gibt es Neues: das Märche vum Hås un Ijel ist auf der neuen Projekt CD mit Begleitbuch "Märchen in Südhessischer Mundart" mit dabei. Sobald alles perfekt ist, lesen Sie es an dieser Stelle! Hier schon mal eine Illustration von Conny Abramzik für das Begleitbuch; weil Edith Keil, die Babblerin, einen Bezug zu Neunkirchen hat (ihre Mutter wohnte dort), wurde die Kirche Neunkirchen als Hintergrund gewählt.

Conny Abramzik, Mundart 

Unsere Conny Abramzik hat jetzt für das Begleitbuch eine Illustration gemalt. Weil Edith Keil, die Babblerin, einen Bezug zu Neunkirchen hat (ihre Mutter wohnte dort), haben wir die Kirche Neunkirchen als Hintergrund gewählt.

Liebe Kinder, liebe Märchen- und Mundartfreunde!
Grafik: M. HillerAls ich dieses Heft (Aprilausgabe 2020) erstellt habe, ist mir genau das ständig passiert: ich habe eine Seite fertig gemacht, und schon kam das Coronavirus und rief "ich bin schon da!" Deshalb möchte ich euch dieses Märchen vom Hasen und vom Igel gern hier in Ourewäller Mundart präsentieren. Das Original ist von den Brüdern Grimm und stammt aus  der Gegend um Buxtehude. In sage und schreibe 1 Tag 3 Stunden und 28 Minuten hat Fritz Ehmke gemeinsam mit Edith Keil (beide Mundartfreunde Südhessen) mir diese Übersetzung in Ourewäller Mundart geliefert, gerade richtig zum Osterfest! Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!

Hinweis zur Aussprache:
nasaler Selbstlaut Å, å z.B Stein (Stoa), = Stå, Bein= Bå, dann= dånn) 

Märche vum Hås un Ijel

Die Gschichd muss mä mid e wing Geschmunzel vezäjhle, ehr Leit, äwwer wohr isse doch, weil moin Groussvadder, vun wellem ich se häb, der håd als immer g`såt: „Wohr muss se soi, moin Bu, sunst kennd mä se jå går ned vezäjhle“. Un dånn horrä sich´s gemiedlich gemåchd un ou`gfånge:
Es wår emol åne`me Sunndåchmojend in de Eern, gråd wie de Buchwaaze gebliehd håd. Die Sunn wår schon hell åm Himmel, en leichde Wind is iwwer die Stobbel gestreche, die Lerche häwwe houch in de Luft gstånne, die Bie wårn fleissich. Doo sin die Leit im Sunndåchsstååd geje die Kerch gelaafe, jedi Kreadur wår zefreere un de Ijel aach.
Der stejhd vä soine Deer, die Ärm iwwerkreiz, luurd in den schejne Mo`jend un trällerd do debei e Liedche, sou gud un schläächd, wie håld an Ijel singe kånn ån sou em schejne Sunndåchmojend. Wie er do sou halblaud vä sich hejsingd, kimmd em in de Sinn, dass er jo mål noch soine Steggriewe gugge kennd. Dem Ijel soi Fraa un soi Kinner sin derweil aach uffgewachd un fidel. Er spazierd niwwer zu dene Steggriewe, welle de Ijel un soi Leit als ehr eijen Sach ougugge, weil de Agger ehrm Häisje åm nächsde lejd. Er is noch ned weid vum Haus ford un will gråd im en Hollerbusch rim, weller dord am Feld stejhd, wie ehm de Hås vä´s Aach kimmd, weller noch soim Kraud un soine Riiwe gugge will. De Ijel bied em en guure Moje. Äwwer de Hås griesd ned, der Långaff is årg oigebild, der veziggd nä soi Schnud un säjgt zu dem Ijel: „Wie kimmd´s dann, dass du bei dem frijhe Mojend uffem Feld rimlaafe dusd?“ „Ich gejh spaziern“, säjgt de Ijel. „Spaziern“, lachd do de Hås, „ich glaab, du kennsd doi Båå fä gscheirere Sache gebrauche.“   
Die Óndword is dem Ijel årg an die Niern gånge; er kånn nämlich alles vedråche, blouss ned ebbes iwwer soi Båå, gråd weil se vun Nadur aus sou schebb wårn. „Du bildsd där ebbes oi“, säjgd de Ijel zu dem Hås, „dass du mid doine Båå mej ausrichde kånnst, wås?“ „Däs måån ich“, säjgd de Hås. „Däs kimmd uff en Versuch druff ou“, häld de Ijel degeje, „ich wär do debei, wånn mer im die Wett renne wolle, un ich werd gewinne.“ „Däs is jo zum Lache, du mid doine schebbe Båå“, säjgd de Hås, „äwwer moindweje, wånn du däs oubedingd willsd. Wås gild die Wedd?“ „En goldiche Louisdor (Goldstück) un e Fässje Schnaps“, säjgd de Ijel. „Däs is e Word“, vekind de Hås, „schlåg oi, un dånn kann´s lousgejh.“ „Wård nä e wing, sou eilich isses gråd ned“, måånd de Ijel, „ich häb noch går ned gfriehstiggd; loss mich nä a Weil håmgejh un ebbes esse, bis innere halwi Stunn bin ich wirrer do.“
Dodemid is de Ijel ford un de Hås is gånz zefreere. Unnerwägs dengd de Ijel: „Der Hås verlässd sich uff soi långe Båå. Äwwer ich werr`en oufehrn. Er ist jo en foine Pingel, äwwer doch dumm wie`en Ejsel, der soll mä´s bezåhle“. Wie de Ijel dånn håmkumme is, säjgt er zu soine Fraa: „Fraa, zigg dich glei ou, du mussd mid mä naus uff´s Feld.“ „A wås gid´s dånn?“, frägd`se. „A ich häb mid em Hås gewedd im en Louisdor un e Fässje Schnaps, mä wolle im die Wett renne; un du soll´s do debei soi.“ „Im Himmels wille, Månn“, fängt die Fraa ou ze greische, „bisd`de dånn noch gscheid, hos`de dånn noch alle Tasse im Schrång? Wie kånnsde dånn mit em Hås im die Wett renne wolle?“ „Babbel ned“, säjgd de Ijel, „un kimmer dich ned im de Månnsleid ehr Sach. Allee hopp, zigg dich ou un kumm!“ Wås soll dem Ijel soi Fraa do mache? Sie muss mid, ob se will orrer ned.
Wie se dånn unnerwägs sin, fängd de Ijel e Red ou: „Geb Åchd, ich will dä däs vedeidlische. Gugg, do driwwe uff dem långe Agger, do wolle mä unser Wettrenne åbhååle. De Hås leefd in de åne Furch un ich in dere ånnere. Un dord drowwe fånge mä ou. Un du hosd nix ånneres ze dou als wie dich do unne in die Furch ze hogge, un wånn de Hås die ånner Furch nunner gerennt kimmd, do springst de uff un riffsd: Ich bin schun do!  
Dånn sin`se åm Acker oukumme, de Ijel gidd soine Fraa ehrn Platz ou und gejhd de Acker nuff. Wie er drowwe is, wår de Hås schun do. „Kånn´s lousgejh?“ säjgt de Hås. „Jawoll“, säjgd de Ijel. „Dånn wolle mä ned länger wårde.“ Un jerer stelld sich in soi Furch. De Hås zäjhld: „Un ååns, un zwaa un drei“, un lous rennd er wie en Stårmwind den Agger enunner. De Ijel äwwer is blouss zwaa, drei Schridd geloffe, dånn horrer sich geduggd un is gånz ruhisch in soine Furch hoggeblewwe.
Wie dånn de Hås mit vollen Karracho drunne oukimmd, riffd dem Ijel soi Fraa: „Ich bin schun do!“ De Hås vewunnerd sich årg, er måånd´s ned ånnerschd, als däs wär de Ijel gånz perseenlich, der em do gejeniwwer stejhd; bekanndlich sischd dem Ijel soi Fraa gråd aus wie ehrn Månn. De Hås dengd äwwer bei sich: Do is was faul bei dere Sach. Un er riffd: „Noch emol gerennd, jedzd nuffzus!“ Un ford rennd`er wie en Stårmwind, dass die Ohrn nä sou flieje. Wie er äwwer drowwe oukimmd, riffd em de Ijel zu: „Ich bin schun do!“
Wie er dånn zum vierunsiebzigsde Mol gerennd is, is`er nemmej åns Ziel kumme. Medde uff em Agger sterzd er neerer, s´Blut steigd em zum Hals un er bleibt åm Ord laje. De Ijel äwwer schnappd soin Louisdor un däs Fässje Schnaps, riffd soi Fraa aus de Furch un die zwaa gejhn munder minånner håm, un wånn se ned vestorwe sin, dånn läwe se heid noch.
Sou håd sich´s zugedråche, dass uff de Buxtehuder Haare de Ijel den Hås håd sich doud renne losse. Un seid der Zeid håd sich kån Hås mej oifalle losse, mid em Buxtehuder Ijel a Wettrenne ze mache.
Die Lehr äwwer vun dere Gschichd is erschdens: Kåner, un wånn er sich a fä noch sou foi un groussårdich häld, derf sich ougestroofd lusdich mache iwwer en klåne Månn, un wär däs blouss en gemåne Ijel. Un zwaddens: Es is immer zu roore, die Fraa aus`em eichene Stånd zu nemme, die åm ähnlich is. Wånn åner en Ijel is, dånn soll er e Ijelweib nemme, un sou weirer.
Textvorlage stammt aus: Bechstein, Grimm, Hauff, Deutsche Märchen, Knaur Verlag 1954,S. 676ff.
In dieser Ausgabe ist das Märchen nicht in Hochdeutsch abgedruckt, sondern in Plattdütsch.
Übersetzt in den Brandauer Dialekt von Edith Keil und Fritz Ehmke, Mundartfreunde Südhessen
www.gebabbel-suedhessen.de- 19.03.2020

Und wenn ihr meine persönliche Version des Märchens lesen wollt, in dem selbstverständlich ein Drache vorkommt, dann lest hier weiter! Ich wünsche euch ein gemütliches Osterfest - laßt es euch gutgehen und bleibt gesund... Marieta Hiller

Es geschah im Jahre 2012, just als es tausend Jahre her war, daß manche Odenwalddörfer erstmals im Lorscher Kodex aktenkundig wurden, und just 200 Jahre, nachdem die Brüder Grimm so viele schöne Märchen aufgeschrieben haben. Da trafen sich sieben Märchenerzählerinnen und Märchenerzähler im Zauberwald, um eine ganz besonders märchenhafte Veranstaltung auszuhecken. Wer weiß, vielleicht hat auch eine gewisse Räuberbraut und Köhlerstochter namens Bawweddsche dran mitgewirkt... Flugs nahm die Idee Gestalt an, und die Sieben beschlossen, daß der 21. Juni 2013 der Tag - oder besser die Nacht! - der Märchen werden soll. Denn wenn die Nacht herabsinkt, beginnen die Kandsfinkelchen (Glühwürmchen) zu glimmen - Romantik pur für Große und Kleine... Michaele Scherenberg, Dorisa Winkenbach, Jürgen Flügge, Ima Krüger, Maria Schiffner, einer weiteren Person und Marieta Hiller werden sich im Winter zwar den Kopf zerbrechen, die Scherben aber sogleich zusammenlesen; denn ihr dürft alle sehr gespannt sein, was wohl dabei herauskommen wird! Unterwegs gibt es dann auch einen leckeren Rotkäppchenkorb, damit alle Teilnehmer bei Kräften bleiben!Für den wird - wie bisher bei der Kandsfinkelchentour - Doris Paul vom Gasthaus Bergfriede sorgen.

 

Und so ging es am 21. Juni 2013 Durch den tiefen Wald hinauf ins Reich der Steine...

So schallt es aus dem Zauberwald:

Einer unserer Teilnehmer schrieb uns gleich am nächsten Tag: Liebe Mitmenschen, allerherzlichsten Dank für den sehr, sehr schönen Abend am Tag der Sommersonnenwende, den ich in Eurem märchenhaften Kreis mit vielen großen & kleinen Märchenfreund(inn)en verbringen durfte. Die mich überraschenden, kleinen Aufmerksamkeiten erlauben es mir, dass ich mich immer mal wieder & sehr gerne an "das kleine Volk", "7 auf einen Streich!", "Zauberkräutergeheimnisse", "das Waldhaus", "das Fröschlein", "Neues von Emil, dem Igel" und "Feenmärchen" erinnern kann. 
Uns gefiel es offensichtlich im ach sooooooooo dunklen Märchenwald so gut, dass wir frohgelaunt und guten Mutes einen kleinen Umweg gingen. Aber letztendlich leuchtete uns der helle Vollmond unseren Weg.
Nochmals allerherzlichsten Dank für Alles, märchen-freundliche Grüße PB

Und eine andere Teilnehmerin schrieb: Ich konnte für ein paar Stunden dem Alltag entfliehen und mich zurück versetzen lassen in die spannende Welt der Kinder und Märchen. Und diese Tour ist auf keinen Fall nur was für Kinder, wir Erwachsenen haben uns zum Schluß "verlaufen" und kamen uns vor wie damals auf Klassenfahrt und den Nachtwanderungen ;-)) Ein großes Lob an alle die sich so viel Mühe gegeben haben und ihre Zeit in so etwas Schönes investieren. Ganz liebe Grüße JB

Auch Frau S fand das "Verlaufen" besonders spannend: "Ich fand es insgesamt sehr schön - die verschiedenen Erzählungen mit der jeweils eigenen zauberhaften Atmospähre - den Wald mit Vollmond - das Buffet - die kleinen Geschenke. Der Abend war eine Bereicherung, an die ich gerne denke. Ich gehörte zu denen, die sich auf dem Rückweg "im Wald verirrt" haben, was ich nicht weiter tragisch fand, da wir in einer Gruppe zusammen gelaufen sind und 2 Teilnehmer sogar per Handy Standort/Ziel ermitteln konnten.

Uns selbst hat es natürlich - vielleicht - am allerbesten gefallen! "Es war eine sehr schöne Erfahrung. Mein Himmelbett wird mir in Erinnerung bleiben." meint Dorisa.
"Ein bißchen geärgert habe ich mich, weil die Glühwürmchen sich nicht gezeigt haben - obwohl sie es mir doch fest versprochen hatten!" doch die vielen menschlichen Glühwürmchen haben sie aufs Trefflichste entschädigt.
Und Jürgen erzählte das Märchen vom Fröschlein vor allem für seinen Vater, der an diesem 21. Juni 2013 seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, aber er hat sicher aus den Baumwipfeln zugeschaut und sich gefreut.

Familie F (eine unserer vielen "Wiederholungstäter"!) schreibt: "Es war super und wir sind immer noch auf Wolke 7. Tolles und liebevolles Buffet, faszinierende Wege, tolle, märchenhafte Stationen. Die schallende Musik, die als Wegweiser galt und die Märchenstationen mit wunderschöner Deko, Kerzenlicht, Verkleidungen, Musik, Fackeln und sympathischer Märchen-Erzähler...all das war perfekt. Man sah euch das Engagement sehr an und es war professionell. Ich habe viel Werbung gemacht und bin jederzeit wieder gerne dabei. In der Nacht mit Taschenlampen, Musik und Kerzenlicht, das war wirklich wie im Märchen. Die Ruhe und Geräusche de Waldes und die Gruppen-Dynamik und der nette Umgang auch mit den Kindern bei den jeweiligen Märchenstationen waren spitze...Vielen vielen Dank."

Marieta Hiller

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Auch Märchenerzähler müssen leben...

Natürlich haben sie alle Sieben ihren Beruf, müssen dem »schnöden Mammon« frönen - ein jeder und jede auf seine oder ihre Weise. Eine ist schon im Ruhestand, genießt ihr Rentendasein. In einem früheren Leben züchtete sie Schafe und handelte mit Büchern, das ist Ima Krüger. »Schnöder Mammon« trifft es wohl nicht ganz, denn wer oft und gerne in der Märchenwelt unterwegs ist, für den ist die reale Welt leichter zu gewinnen. Sprechen wir also lieber davon, wie die Sieben eine goldene Spindel aus dem Brunnen mitbringen, eine Kammer voll Stroh zu Gold spinnen und sich von Elfenstaub und Sternenglanz ernähren... Eine sammelt Kräuter und alles was man darüber wissen muß, in der Menschenwelt nennt sich dies so: Dorisa Winkenbach, Expertin f. angewandte Ernährungskunst,  Gesundheit und Wildkräuterkunde. Eine Dritte behauptet, ihre Lebensbeschäftigung ist es, zu leben (kluge Frau!), sie - Michaele Scherenberg - unterscheide nicht zwischen Privat und Arbeit, alles verwebe sich miteinander. Märchenerzählerin, Filmemacherin und Moderatorin, Buchautorin, kurz: sie lebt! Das tut auch die Vierte im Bunde: auch sie weiß nicht, wo die Grenzen fließen zwischen Arbeit, Wohlfühlen, Entspannen und konzentrierter Geschäftigkeit - Marieta Hiller gibt eine Monatszeitung heraus, hüpft als Kobold Kieselbart durch den Zauberwald und erzählt den Leuten als Räuberbraut Bawweddsche das Blaue vom Himmel herunter. Dann gibt es da noch den Theaterdirektor: Jürgen Flügge sitzt ganz oben auf der Tromm in seinem Hoftheater, denkt sich flugs hier ein Fingertheater für Kinder aus und inszeniert dort große Geschichten für Erwachsene. Zeit für Entspannung findet er beim Eisenbahnfahren... Und Maria Schiffner, die gelegentlich inkognito als Clownin Friedolina auftritt und Kindern Mut macht. Mut Nein zu sagen, wenn es notwendig ist, Mut die Ellbogen zu nutzen wenn es die Situation erfordert, und Mut nachgiebig zu sein, wenn sie es erlaubt. Sie ist Selbstbehauptungstrainerin, Seminarleiterin, Coach für Dynamische Stresslösung (nach Bergholz), Clownin und Mutter von zwei Töchtern. Und zu guter Letzt eine nicht genannt werden möchtende Dame, die schon so vieles vergessen hat, daß ich jetzt vergessen habe wie sie heißt... Ima Krüger übrigens versteckt sich nicht nur hinter ihren Büchern: sie erzählt an vier Abenden im Jahr besondere Geschichten und Märchen. In diesem Jahr sind es Feuer Erde Wasser Luft. 

Leben heißt aber nicht nur arbeiten: auch ein Leberwurstebrot muß ab und zu sein!

Das Leberwurstebrot hat ganz viel mit der Lieblingselfe von Marieta zu tun, es hat aber auch eine ganz profane Bedeutung: es schmeckt gut, vor allem wenn man mit knurrendem Magen im Wald sitzt und auf eine verspätete Gruppe wartet... Sonst darf es jederzeit gerne ein Bauernfrühstück sein: da ist alles drin, was man so hat, es ist schneller zubereitet als jede Fastfoodmahlzeit und schmeckt 1001mal besser! Übrigens: kennt ihr die Rumfordsuppe? Die hat ein kluger Kopf im 19. Jahrhundert erfunden, als große Teile der Bevölkerung Hunger litten, und die auch aus allem gekocht werden konnte, was rumliegt und fortmuß... Auch die schmeckt lecker, und immer wieder anders. In der Not nimmt sie aber immer gerne ein Leberwurstebrot.
Oh sooo lecker: so beschreibt Michaele den "zerrupften Apfelpfannkuchen", den sie kürzlich im Odenwald aß, mit Apfelwein-Schaumsoße.... Sie ißt nicht nur gerne einfach und natürlich, sie liebt vor allem gute ehrliche Lebensmittel, saisonale Rezepte und vor allem nette Gesellschaft beim Essen, denn das ist eine ganz wichtige "Zutat" für die Bekömmlichkeit. Und dann erzählt sie darüber: in ihren Filmen übers Essen und Trinken in der Reihe "Hessen à la carte". Einfach und natürlich muß es auch für Dorisa sein: sie könnte fast wirklich im Wald leben, denn sie liebt Wildkräuter und Beeren. Für den Winter macht sie daraus Pesto, Pasten und eingelegte Früchte, aber meist findet sie draußen, was lecker ist. So zeigte sie am Aschermittwoch 2013, mitten im Februar und im tiefen Schnee, daß man schon so ganz heimlich wachsende Kräutlein finden kann! Erstaunlich... Zu ihren Kräutersachen mag sie natürlich am liebsten kräftiges selbstgebackenes Brot. Bircher Müsli, Fondue, Raclette und Eis - das sind die Lieblingsspeisen von Maria, und ganz einfach zu halten ist Ima: sie ißt nämlich alles was gutschmeckt. Und das wollen wir künftig alle so halten. Denn wie sollen mitreißend und fantasievoll Märchen erzählt werden, wenn der Bauch unzufrieden ist!

Und wo gefällt es so einem Märchenerzähler wohl am besten?

Man sollte meinen, daß Märchenerzähler am liebsten im Ohrensessel im gutgeheizten Stübchen sitzen, eine feine Tasse Tee neben sich und ein dickes, dickes Märchenbuch auf dem Schoß. Und tatsächlich: eine von uns findet ihr hier wirklich oft. Ima nämlich, die frühere Buchhändlerin, sieht man am liebsten hinter einem Buch, lesend, lesend, lesend. Hoffen wir, daß ihre persönliche Elfe stets ihr Licht bereithält. Ihre allerliebste Märchenlandschaft ist aber der Wald. Michaele dagegen ist überall gerne, vor allem im "Hier und Jetzt". Neugierig auf neue Welten, ist sie dauernd unterwegs. Und Märchen findet sie dort! So trägt sie ihren Schatz zusammen. Muß sie dagegen an einem Ort aus Beton oder an Plätzen voller Ehrgeiz und Eitelkeiten sein, in Sitzungsräumen und überfüllten unpersönlichen Plätzen, dann verkriecht sie sich flugs in ein wunderschönes Märchen - und alles ist gut. Klare Ansage gibt Marieta: im Wald, im Wald und im Wald. Der Mensch - und auch der Märchenerzähler ist ja ein solcher, zumindest meistens - muß sich erden. Das aber hat etwas mit Erde zu tun, mit dem Duft des Bodens, mit Moder, Feuchtigkeit und Werden. Gäbe es ein Parfüm, das wirklich zu ihr paßt, so müßte es nach frischer Walderde duften. Die Füße fest auf der Erde, höchstens von ihr getrennt durch ein paar robuste Wanderstiefelsohlen, schwebt der Kopf unter dem flirrenden grünen Licht der Baumwipfel, wo alles einfach wird und leicht. In der Natur, ob Wald, Wiesen, Berge oder Täler, überall dort, wo die Natur noch so weit als möglich ursprünglich ist, dort lebt Dorisa auf, wandert mit Freuden entlang mäandernder Bachläufe und fühlt sich wohl. Nun ist es gut möglich, daß sie genau dort Maria begegnet, die auch am liebsten an einem Bach oder Fluß entlang läuft. Marias liebste Märchenlandschaft dagegen ist das Reich von Frau Holle, wo es sich zeigt, wer reinen Herzens und guten Willens ist. Zu Frau Holle kommt man - jedes Kind weiß das - durch einen tiefen Brunnen. Andersherum geschaut, entdeckt man die liebste Märchenlandschaft von Marieta: eine funkelnde Vollmondlandschaft, gebadet in silbernes Mondlicht, mit geheimnisvollen Tälern und glänzenden Kuppen unter steinernen Türmen hingebreitet. Diese Türme ziehen die Mondgeschichten an, bewahren sie auf, und wenn man hinaufsteigt, dann kommen die Märchen in das Bewußtsein. Michaele wiederum fühlt sich im Wald am stärksten märchenhaft umgeben. Hier geht man leichten Schrittes über das feuchte Moos, kann hinter dicke Bäume schauen und dort Geheimnisse entdecken. Schon als Kind spielte sie viel im Wald und hat sich zwischen Wurzeln ein "Haus" gebaut, wo sie Walderdbeeren und Sternblumen pflanzte und in ihrer eigenen Welt lebte. Im Wald ist viel möglich, hier begegnen uns verzauberte Tiere, heilsame und giftige Pflanzen, sprechende Bäume,  manche Gefahr und mancher Weg zum sicheren Ort. Viele der eigenen Märchen von Michaele beginnen im Wald.

Allmählich die Hauptsache: jeder Märchenerzähler braucht seine Lieblingselfe

Ihr glaubt, es genügt sich an seinem Lieblingsort aufzuhalten, sein Lieblingsessen zu mampfen und sich in Arbeit und Freizeit gleichermaßen wohlzufühlen? Weit gefehlt: ohne persönliche Elfe geht da gar nichts! Auch wenn landläufig der Glaube vorherrscht, "Selbst ist die Frau und der Mann" und über Elfen spricht man nicht: die wirkliche Arbeit wird nur durch sie geleistet! Und schaut euch mal um, wenn ihr ganz für euch seid. Könnt ihr sie da nicht auch sehen? Oder spüren? Auch ihr habt eure persönliche Elfe - anders dreht sich die Welt überhaupt nicht! Natürlich gibt es Elfen so verschieden wie die Menschen auch: es gibt Brunnenelfen, Weidepfostenelfen und Leberwurstelfen.Ja, ihr habt richtig gelesen, Leberwurstelfen (natürlich gibt es ganz sicher auch Bratwurstelfen und Kochkäselfen, aber ich kenne noch keine...)

Michaeles Kraft kommt von einem namenlosen Brunnen-Elf. Er heißt schlicht "Elf" und Michaele ist stets bemüht, auch seiner Welt gerecht zu werden, indem sie ihre Geschichten mit reinem Herzen erzählt. Wie der Elf zu ihr kam, wollt ihr wissen? In ihrem "Wohlfühlhaus" in der Altstadt von Bad Homburg hat sie einen alten Brunnen umgesetzt, der Elf zog mit und bezaubert nun Kinder und Erwachsene. Das Brunnenwasser murmelt und man kann ihn auch hören. Sehen kann man ihn nicht, aber fühlen. Er ist klein und fein und verrichtet seine hilfreiche Arbeit dort im Gartenhof mit Ernst und mit Lächeln. Stets hält er das Tor offen zu den oberen und unteren Welten. Im vergangenen Herbst saß eine Gruppe junger Frauen im Hof, eine fragte: "es ist hier so besonders, als würde von dort drüben ein Zauber kommen". Ja und "dort drüben" da steht der Brunnen.
Dorisas Elf ist mehr ein Gramulf und er unterstützt ihre Achtsamkeit im Umgang mit der Natur, den Pflanzenwesen und den Elementarwesen die überall um uns herum sind. Vielleicht - wenn ihr ganz besonders nett seid - vielleicht wird sie dann noch mehr über ihn verraten!
Eine freundliche Elfe ist Fritzi: sie wohnt im Garten von Maria und kümmert sich um die Sorgen und Nöte aller anderen Gartengäste, die dorthin kommen.
Friedolin: so heißt der Elf von Ima, und er ist schon da seit der Zeit, als Ima noch Schafe züchtete. Da hat Friedolin in der Nacht auf die Tiere aufgepaßt. Wenn es hell wurde, verwandelte er sich wieder in einen gewöhnlichen Zaunpfahl, damit ihn niemand erkennt. Seit Ima keine Schafe mehr hat, haben sie sich ein wenig aus den Augen verloren. Aber sie grüßt ihn immer, wenn sie auf einem Spaziergang an der ehemaligen Weide vorbeikommt, denn sie weiß ja, daß dieser eine Zaunpfahl, der ein bißchen größer und ein bißchen dicker und schiefer ist als die anderen, in Wirklichkeit ein Elf ist. In der Dämmerung kann man ihn ganz genau erkennen.
Eine sehr praktische und lustige Elfe lebt bei Marieta, sie heißt Leberwurst (sie riecht auch so!) und ist etwas tapsig, manchmal sogar ungeschickt - aber unglaublich lieb und hilfsbereit. Und wer jemals mit knurrendem Magen im Zauberwald gesessen hat und auf eine verspätete Gruppe gewartet hat, der weiß ein zufällig des Wegs daherkommendes Leberwurstebrot sehr zu schätzen - probiert es nur mal aus!

Das allerwichtigste überhaupt: welches ist eigentlich das Lieblingsmärchen eines Märchenerzählers?

Nun, da sind sich alle einig: jeder hat sein eigenes Lieblingsmärchen. Dorisa liebt das österreichische Volksmärchen »Der Thronsaal« und natürlich »Rapunzel«, das Märchen mit den heilsamen Gartenpflanzen, die doch in den falschen Händen soviel Unglück bereiten...
Imas Lieblingsmärchen ist »Das Eselein« der Brüder Grimm, ein Märchen in dem es darum geht ein Wesen bedingungslos zu lieben, sehe es auch aus wie ein Esel. Warum eigentlich denkt alle Welt schlecht über Esel?
Michaele wird seit ihrer Kindheit vom treuen Pferd Falada begleitet, das im Märchen »Die Gänsemagd« der Prinzessin beisteht, als es ihr am schlechtesten geht. Und so kam auch Michaele später zu einem eigenen Pferd, mit dem sie natürlich spricht und manches Märchen bewegt.
Der Fischer und seine Frau ist das Lieblingsmärchen von Maria - Bescheidenheit und Zufriedenheit sind auch hier - wie bei der Goldmarie in Frau Holle - die Merkmale, die es braucht um ein glückliches Leben zu führen.
Das Lieblingsmärchen von Marieta ist das Märchen vom Goldenen Schlüssel der Brüder Grimm. Es ist kurz und unglaublich vielseitig, denn man kann aus dem Schatzkästlein, so es sich denn endlich mit Knarren öffnet, stets genau das herauszaubern, das die Welt gerade braucht. Es kommt nur darauf an, daß der der den goldenen Schlüssel findet, reinen Herzens ist.

Und was glaubt ihr wohl, woher ich das alles weiß?

Nun, ihr wißt schon: ich schaue einfach in mein Schatzkästlein. Doch kam vorher ein zwitscherndes Vögelchen angeflattert und ließ ein goldenes Schlüsselchen in meinen Suppenteller fallen... Übrigens: ich habe euch nicht alles erzählt, nein noch längst nicht! Es gibt unter uns ein paar Geheimniskrämer, denen auch das zwitschernde Vögelchen noch nicht viel über ihre Lieblingsmärchen, ihr Lieblingsessen und was sie sonst noch so treiben entlocken konnte. Und so bleibt es ein Geheimnis, bis wir endlich das goldene Schlüsselchen abermals in das Schloß des Schatzkästleins stecken und es - leise knarr knarr - sich öffnet. Eure Marieta

- wie Märchen uns ins Dickicht ziehen...

Märchen leben in einer Symbolwelt, ihre Sprache ist die Sprache der Bilder. Und so ist auch der tiefe undurchdringliche Wald nicht einfach ein tiefer undurchdringlicher Wald, sondern die Prüfung, der wir uns unterziehen müssen. Werden wir es schaffen, auf der anderen Seite des Waldes auf eine lichtdurchflutete Lichtung zu kommen, wo Blumen blühen und Insekten in der Sonne tanzen, wo Menschenkinder sich vergnügen, wo wir uns wohlfühlen werden und zuhause sein werden?

Zaghaft, mit vielen Ängsten und Schwierigkeiten treten wir zuerst aus unserer gewohnten Welt heraus: der Müllerbursche muß in die weite Welt ziehen, weil am Tisch der Eltern kein Platz mehr für ihn ist. Brüderchen und Schwesterchen müssen durch den dunklen Wald, bis sie am Ende glücklich zusammen bis an ihr Ende leben durften. Jorinde und Joringel fliehen in die finsteren Wälder, denn zuhause dürfen sie nicht zusammenkommen. Rotkäppchen gar gerät im Wald vom Weg ab und begegnet dem Wolf! Der Prinz, der sich unsterblich in Rapunzel verliebt hat, irrt gar blind für lange Zeit durch den Wald. Der Wald entreißt uns unserer gewohnten liebgewordenen Umgebung. Ohne Weg und Steg, immer tiefer hinein in das undurchdringliche Dickicht zieht es uns. Bald fällt kein Sonnenstrahl mehr zwischen den schwarzen Tannen hindurch, der weiche Waldboden verschluckt jedes Geräusch, er hüllt sich in dunstiges Zwielicht. Unheimliche Tiere huschen ferne zwischen den Stämmen hindurch. Bald schon kommen sie näher, erschnuppern unsere Angst. Einige neugierig und harmlos, andere hungrig und gierig, wieder andere gar mordlüstern - so starren sie uns aus dem Dämmerlicht an. Frau Amanita* lugt verschmitzt aus Moospolstern zu uns empor: der Fliegenpilz! Mit Flugsalbe lockt sie uns, auf daß wir durch Geisterhand beflügelt dem finsteren Wald entschweben wollen! Doch ach, wo werden wir erwachen? Wir können uns wenden wohin wir wollen, aus jedem Winkel lugt uns schon ein gelbes, rotes, braunes Köpfchen hervor - Pilze, die eigentlichen Herren des Waldes. Nicht die Bäume sind das Wesen des Waldes, die Pilze sind es. Meilenweit reicht das Pilztelefon: unter der Erde, unsichtbar für jedes Auge, verzweigt und abermals verzweigt, so zieht sich ein Netz aus Pilzfäden durch die weiche Waldkrume. Jede Bewegung, jeder Eindringling, jedes neue Wesen im Wald, von unten zwischen den Baumwurzeln hervor, hoch von zerfallenden Baumstämmen herab, hängend von Zweigen, sich emporreckend aus dem Moos - von überall wird beobachtet. Und das Pilztelefon ist schnell: kaum dringt am Waldrand jemand ein, so wissen es bereits alle Pilze an jedem einzelnen Ort des Waldes. Wir aber - wir bemerken es nicht einmal. Lange müssen wir durchs Dickicht streichen, uns zwischen hohen dunklen Stämmen unter dichtem Blätterdach hindurchbewegen, uns auch durch Brombeerranken und Haselstrauchgewirr zwängen, stets aufs Genaueste beobachtet von den Pilzen. Viele Tage, ja Wochen wandern wir mit unseren Märchenhelden, treffen hier auf einen einsamen Köhler, der innen schon so schwarz wie außen scheint. Schweigsam - denn das Reden verlernt man hier schnell - teilt er sein kärgliches Köhlermahl, Kartoffeln mit Salz aber ohne Schmalz, mit uns. Wenn wir Glück haben, gibt er uns etwas Geheimnisvolles mit auf den Weg, das wir später werden brauchen können... Oder aber wir stoßen auf die Räuber: finstere Gesellen, die uns auch noch das Letzte was wir haben, abnehmen und sich hämisch lachend von dannen trollen. Einsame Waldhexen, die aus ihren wunderlichen Kräutern noch wunderlichere Tränke brauen, unter Ausstoßen von allerwunderlichsten Verwünschungen und Bannsprüchen. Knorrige Baumwesen, die sprechen können, aber niemals die ganze Wahrheit sagen. Kichernde Waldwichtel, die zwischen Moos und Wurzelwerk herumspringen und sich über unser Elend lustig machen. Irrlichter, die vor uns her durch die Dunkelheit huschen, uns den Weg weisen wollen, aber plötzlich verlöschen. Elfen, die summend und singend von wundersamen Blüten erzählen, die uns helfen könnten. Helfen wollen aber wiederum nicht, hihihi... Hier treffen wir auf das seltsamste Wesen überhaupt: denn die Waldhexe gräbt etwas aus. Auf einer einsamen Lichtung inmitten hoher Baumriesen lockt sie einen Hund, ein armes entlaufenes verzaubertes Wesen, zu sich. Der Schwanz des Hundes ist an eine Pflanze gebunden, und die Hexe hat sich die Ohren fest verstopft. Was ist das? Bald werden wir es wissen! Doch schon setzt ein ohrenzerfetzendes Geschrei ein, und auf der Lichtung, am Schwanz des Hundes, windet sich eine Wurzel. Schlägt mit den Blättern, schnappt mit den Blüten, strampelt mit Wurzelbeinen und will freikommen. Schnell faßt die Hexe zu und steckt die kreischende Wurzel in einen Sack. Eine Alraune ist es, die hier aus der Erde gezogen wurde. Will die Hexe uns lähmen, uns willenlos und gefügig machen, auf daß wir niemals wieder den Wald verlassen können? Weg, nur weg! So treibt uns der Wald vor sich her, durch sich hindurch. Dort, wo er am finstersten ist, wo kein Sonnenstrahl mehr durch das schwarze Blätterdach dringt, wo Reh und Fuchs nicht hingehen, wo Steine unsere Füße stolpern lassen und Spinnweben uns Gesicht und Hände verkleben - dort ist der Ort, wo sich die Irrwanderung entscheidet. Werden wir auf ewig - unseres Verstandes verlustig, von Pilzen und Alraunen benebelt, herumirren? Oder werden wir hier, an der dichtesten Stelle, entdecken daß unser Weg uns nur noch ins Freie führen kann? Dort wo es am dunkelsten ist, kann es nur noch heller werden. Bald sind wir hindurch, schon lugen Sonnenflecken durch die Blätter, ein Ausblick öffnet sich zwischen zwei Stämmen, Sträucher wippen im luftigen Wind. Der Wald hat ein Ende. Zurück in der Menschenwelt sind wir glücklich angekommen, doch haben wir etwas erworben: wir sind auf magische Weise klüger geworden, haben mehr Vertrauen in uns selbst und in die Welt, nun finden wir alles, was wir brauchen. Ein jeder findet das, wonach er sein Leben lang suchte: Brüderchen und Schwesterchen sich einander, Jorinde und Joringel die Prüfung, die sie zueinanderführt, der blinde Prinz findet Rapunzel, und zwei helle Tränen aus ihren Augen benetzen die seinen, und er wird wieder sehend.

Der dichte Wald leitet uns durch den schlimmsten Alptraum hindurch zu einem besseren Leben. Denn dazu sind die Märchen da, das ist  ihre Aufgabe: uns zu geleiten auf unserem Weg zu uns selbst. *nach einer Novelle von Werner Bergengruen: die schöne Frau Amanita - Novellen, Insel Verlag 1996

 

Anmerkung zur Alraune:

Die Alraune, auch Mandragora oder Mandrake genannt, ist eine Zauberwurzel. Ihren Namen erhielten sie nach den Forschungen der Gebrüder Grimm der altgermanischen Seherin Alruna. Das entstammt den alten Wörtern alb: „Alb, Mahr“ und runa: „raunen“. In manchen Gegenden nennt man sie auch Arun, das Alruneken, die Alruncke, Baaras, Galgenmännchen, Heinzelmännlein, Wurzelknecht, Hexenkraut und Teufelsapfel.  Mit der Alraunenwurzel lassen sich Menschen beherrschen, weshalb sie bei Hexen so beliebt ist. Heißbegehrt und zauberkräftig war die Wurzel, Lähmungen bis hin zur Willenlosigkeit kann sie verursachen. So wurde eines ihrer Gifte noch bis in unsere Tage als Wahrheitsserum eingesetzt. Und giftig ist die Alraune: ihre Alkaloide Atropin, Hyoscyamin und Scopolamin lösen einen gefährlichen Rausch aus und können töten. Mit Bilsenkraut, Tollkirsche, Stechapfel und Engelstrompete gehört die Alraune zu den Nachtschattengewächsen, zu den Pflanzen, aus denen Flugsalbe hergestellt werden konnte, was sie für Hexen sehr begehrenswert machte. Dabei sieht die Alraunwurzel wie ein Mensch aus, und alten Berichten zufolge schreit sie auch wie ein Menschenbaby, sobald sie aus der Erde gezogen wird.

Warum der farbenfroh bunte Herbstwald für unser Wohlbefinden so wichtig ist

Im Oktober beginnt sich der Wald in allen Gelb-, Rot- und Brauntönen zu verwandeln. Damit verpaßt uns die Natur vor dem rauhen Winter noch einmal einen emotionalen Schub an Energie. Diese Farben stimmen frohgemut und zuversichtlich. Ein Herbstspaziergang im stillen Wald, begleitet nur von den Geräuschen der verborgenen Wesen, zwischen den bunten Bäumen von Sonnenflecken betupft oder vom Wind gezupft, ein solcher Spaziergang tut der Seele gut. Die Natur bietet ihre geballte Kraft und Energie auf, um uns Menschenkinder gut durch den Winter zu kriegen - also nichts wie hinaus in die bunte Herbstwelt, draußen sein tut gut! Marieta Hiller

Marieta Hiller