Tympanon des Straßburger Münsters

Kaum ein historischer Beruf ist so geheimnisvoll wie die Steinmetzkunst: eigene Sprache, eigene Zeichen, eigene Figuren, die zu lesen sehr spannend ist - wenn man erfährt, wie es geht. An dieser Kunst ließ uns Dietmar Wolf, seines Zeichens Steinhandwerksgeselle in Straßburg und pädagogischer Ausbildungstrainer im europäischen Bildungszentrum für Steinhand-werksgeschichte UFWG, teilhaben. „Mit Gunst und Erlaubnis“ - so lautet die Eingangsformel im Wanderhandwerk der Steinmetzgesellen. Mit Berufsfremden sprachen sie nur das Nötigste, untereinander hatte die Bruderschaft der Straßburger Steinmetze fest definierte Regelzeichen, ihre Symbole.

So war der Novize, der um Aufnahme in die Bruderschaft bat, das Rindvieh. Als Hase lernte der Lehrling, „wie der Hase läuft“, doch zu sagen hatte er noch nichts: „mein Name ist Hase“. Wird er zum Gesellen, beginnt er mit der ältesten Tätigkeit der Welt: er buckelt nach oben und tritt nach unten. Der Fuchs wird fuchsteufelswild, kann aber auch gut ducken und schmeicheln.

Hat ein Geselle kein Geld mehr, dann sagt man, er sein »auf den Hund geraten«. In solch einem Fall kann er vom Meister oder auf der Herberge um Unterstützungsgelder bitten, welche er in der Regel auch erhält. Denn der Hund, das ist der Meister. Treu den Gesetzen der Natur und Gott, überwacht er alle Arbeiten und die Schar der Hasen und Füchse, ist am Abend hundemüde, fühlt sich dann hundsmiserabel und muß dennoch bei jedem Hundewetter hinaus zur Arbeit. Der Fuchs dagegen ist ein falscher Hund, einer der sich die größte Kompetenz anmaßt. Über Hund, Fuchs, Hase und Rindvieh steht der Affe, der Werkmeister. Er gab Begriffen wie Affenschande, dich sollte der Affe lausen, affenstark, affengeil ihren Inhalt.

Berufsfremde, die kein Handwerk ausübten, wurden als Hornickel bezeichnet, hinzu kamen die „unehrlichen“ Gewerke: Müller, Gerber, Prostitution. Die Steinhandwerksbruderschaften (11.-15. Jh.) grenzen sich gegen die unfreien Maurerzünfte aus weltlichen städtischen Steinhandwerkern ab als Freie-Maurer und Steinmetze, ihr Werkmeister war immer zugleich auch Kleriker. Bauwissen war ein wohlgehütetes Gut, es wurde in der Loggia, der Bauhütte, gelehrt und durfte weder schriftlich noch mündlich an Nichthandwerker weitergegeben werden, Wandergesellen hießen daher „diskret“. Man sprach „kochemer loschen“, die geheime Sprache, die noch heute von Wandergesellen gesprochen wird und aus dem 11. Jahrhundert stammt. Später nimmt diese Sprache Elemente aus dem Jiddischen, Rätoromanischen, Französischen und Intalienischen auf und wird unter anderem auch zum Rotwelsch oder Jenisch der Räuberbanden um 1800. Zinken, Kluft, Stenz, Walz, Beiz, Kohldampf, Penne, Kaff und Hornickel sind solche uralten Begriffe.

Gesellen erhielten keinen Gesellenbrief, sondern ihr persönliches Steinmetzzeichen. In der Freisprechungszeremonie mußte er schwören, alles was man ihm anvertraute bezüglich seines Handwerkes, „als nemlich der steinmetzehaimlichkeit, grueß und schenck sampt anderen was darzue gehörig“ niemals einem anderen zu erzählen oder niederzuschreiben.

Schaut man genau hin, so entdeckt man an den wundervoll ornamentierten Fassaden vieler großer Kirchen besondere Figuren, die sich oftmals hoch oben am Turmgesims oder versteckt in opulenten Tympanons oder Innenfriesen zeigen: Rindvieh, Hase, Fuchs, Hund und Affe. Betrachten Sie die nächste Kirche mal daraufhin, es ist erstaunlich! Nach Abschluß der fünfjährigen Lehrzeit durfte der Steinmetzgeselle ein eigenes Zeichen entwickeln, und diese Zeichen ziehen sich durch ganz Europa. Fast jeder Stein an jeder Kathedrale, jedem Münster, zeigt ein solches Zeichen. Daran läßt sich die Walz, die Wanderschaft des Gesellen termingenau nachvollziehen, denn die Bauzeiten der Gebäude sind dokumentiert. Und wenn Sie jetzt schon die ganze Zeit an Freimaurerlogen denken, dann haben Sie nicht unrecht, denn diese Logen entwickelten sich aus den Loggien, den Bauhütten. Aus der Zeit der Bruderschaften haben sie als ethische Prinzipien die Grundideale Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität übernommen. Kommt Ihnen 1-3 auch bekannt vor?

Freimaurer übten die sogenannte Königliche Kunst aus und verstanden sich daher als ethischen Bund freier Menschen. Ihre Überzeugung besagte, daß man durch ständige Arbeit an sich selbst zu menschlicherem Verhalten kommen kann. Unser Begriff Loge bedeutete im Ursprung Fremdenzimmer.

Noch heute ziehen Wandergesellen auf die Walz, ohne Bankkarte, Handy, Schlüssel, sie unterwerfen sich nur den Regeln ihrer Zunft und bleiben über (2-3) Jahr und Tag außerhalb der Bannmeile ihrer Heimat.
Und noch heute tragen Angehörige der Freimaurerlogen ein Vergißmeinnicht im Knopfloch, als Erinnerung an die Zeit des Dritten Reiches, als die Freimaurer verboten waren und im Untergrund lebten. Hase, Fuchs, Hund und Affe sitzen in Stein gemeißelt auf den Zinnen des Straßburger Münsters und künden von den strengen Regeln der Steinmetzbruderschaft. Etwas abseits ist auch ein steinerner Rindvieh-Kopf zu sehen. Er stellt eines der ursprünglichsten Steinmetzzeichen dar. Unzählige Steinmetzzeichen aus ganz Europa und aus vielen Jahrhunderten sind seit ein paar Monaten auf dem großen Platz im Süden des Münsters zu sehen, und beim nächsten Ausflug nach Straßburg lohnt sich die Ausschau, ob vielleicht auch das moderne Innungszeichen des Steinmetzhandwerks dort zu finden ist. Marieta Hiller - im Februar 2018

Interessanter Ausflugstipp zur Tag-Nacht-Gleiche: 19.-22. März - der grüne Lichtstrahl im Straßburger Münster!

Während der Tag- und Nachtgleiche vom 19.-22. März zeigt sich im Münster zu Straßburg ein interessantes Phänomen: ein grüner Lichtstrahl, durch eines der Hochfenster im Mittelschiff der Kathedralensüdseite fallendes Sonnenlicht, berührt fünf Figuren auf der Nordseite. Um ca. 11.38 Uhr scheint die Sonne im grünen Licht auf Jesus am Kreuz
um 11.40 Uhr auf Johannes den Evangelisten
um 11.43 Uhr auf Simon Petrus mit Schlüssel
um 11.45 Uhr auf Andreas mit Kreuz
um 11.45 Uhr auf einen schlafenden Pilger

Das Sonnenlicht fällt durch das grüne Glas im Fensterbild mit der Ahnenreihe Jesu. Genauer durch den linken Fuß des Judah, Gründungsvater des Israelitischen Volksstamms Judah oder Jehudah. Die angestrahlten Figuren sind auf der spätgotischen Meyger-Kanzel zu sehen. Hans Meyger war vorsitzführender Stuhl-Meister der Bruderschaft der Steinmetzen und Maurer zu Straßburg 1485-1490 und 1510-1519. An den genannten Tagen findet eine Erklärung der Symbolik statt in der deutschen Handwerkssprache Kochemer Loschen. Informationen gibt es beim Europäischen Bildungszentrum für Steinhandwerksgeschichte, 0033-388356398.

Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts...

Warum eigentlich weiß der Hase von nichts? Wenigstens zu Ostern sollte man sich einmal auf diese Frage einlassen.

Die Erklärung ist simpel, auch wenn sie überraschend klingt und kaum jemandem bekannt ist: landläufig glaubt man, daß die Redensart von dem Studenten Victor von Hase stammt, der 1855 einem Freund, der sich duelliert hatte, seinen Ausweis gab, damit er über die Grenze nach Straßburg fliehen konnte. Als die Sache aufflog, wurde Victor von Hase vorgeladen und vernommen. Dabei sagte er "Mein Name ist Hase, ich verneine alle Fragen, ich weiß von nichts". Allerdings findet man in Straßburg noch eine andere Erklärung: auf den Zinnen der Pfeiler sind steinerne Figuren von Hase, Fuchs, Hund und Affe zu sehen. Bei einer Münsterführung unter Steinmetz-Blickwinkel erfährt man, daß diese Figuren eine ganz weltliche Bedeutung haben und keineswegs verborgene religiöse Hintergründe. Handwerks-Kulturführer Dietmar Wolf erklärte, daß es in den Bruderschaften der Wandergesellen, die von Dombauhütte zu Dombauhütte unterwegs waren und dort zusammenarbeiteten, auch ohne daß alle die gleiche Sprache sprachen, eine klare und einheitliche Terminologie gab: die „koschemer Loschen“ - zu deutsch „die kluge Sprache“. 

Seit Menschen seßhaft wurden, läßt sich das Wohnen - und damit verbunden das Bauen - nicht mehr aus ihrem Alltag wegdenken. Am Beginn stand das Feuer am Lager; es bot Sicherheit, Wärme und Behaglichkeit. Das Feuer bildete die Mitte der Gemeinschaft, die umgeben war von einer schützenden Wand aus Dunkelheit, undurchdringlich für gefährliche Tiere oder Geister. Lebte man in einer Höhle, so vermittelte gerade das

„Aus-der-Höhle-Herausschauen“

ein besonderes Behaglichkeitsgefühl. Wer in die Höhle hineinschaute, der sah bestenfalls nichts. Das Wort Behaglichkeit ist für uns moderne Menschen untrennbar mit einer wohligen Heizquelle verbunden, der Wortstamm kommt jedoch von Hag, der Hecke. Mit Hecken - ganz ähnliches Wort wie Hege - umgaben wir unseren allerersten Besitz.

Auf Höhle, Feuer und Hecke folgte der Herd in der Hütte, wir waren inzwischen vom Jäger und Sammler zum Bauern geworden. Noch heute klingt im Wort für Hütte das Hüten mit.

Hütte aus dem Histotainment Park Adventon

Älteste Wohnformen wie Flecht-Lehm-Bauweise schufen für uns ein trockenes Dach über dem Kopf, schützende Wände - und eine Türschwelle, die fortan von großer Symbolkraft für uns wurde. Ebenso die Fenster: Friedensreich Hundertwasser sagte einmal „die einen behaupten, Häuser bestehen aus Mauern. Ich sage, Häuser bestehen aus Fenstern“.

Denn aus Fenstern schauen wir hinaus (siehe aus-der-Höhle-schauen!) und zugleich schützen sie unseren privaten Raum.

So schön können Fenster sein: historisch in Büdingen und modern in Gelnhausen...

 

Schilf oder Schieferplatten dienten als Dach, das Regen und Kälte abhielt, jedoch zu Beginn noch einen offenen Rauchabzug hatte. Schilfdächer müssen sehr steil sein, damit das Regenwasser gut abläuft, so daß nur die oberste Schicht von etwa 3 Zentimeter feucht ist. Stein- oder Ziegeldächer dagegen sind flacher, damit die Deckung keine abwärtsgehende Eigendynamik entwickelt. Ziegel lassen sich einfach herstellen, sofern man Ton in der Nähe hat. Das Wort Ziegel kommt von lateinisch tegula, was in unserem „Deckel“ nachklingt. Wer kein Geld für ein Dach hatte, der machte sich Holzschindeln.

Inzwischen ist aus unserer einfachen Hütte ein ordentliches Haus mit Schornstein geworden, in der Stube wärmt uns vom Kanonenofen bis zum zimmergroßen Kaminofen alles, was feuerfest ist und abstrahlt, auf dem Herd wird die Suppe niemals kalt.

Aus drei vier Hütten wurden Dörfer und Städte. Ihre Herkunft läßt sich oftmals aus den Namen der Vorstädte erkennen: der äußere Ring um eine große alte Stadt hat oftmals Namen, die auf -rod enden, der innere Ring dagegen hat „Gries“ oder „Ried“ im Namen. Rod klingt durch in Haurod, Herchenrode, Rodau, Riedrode, Rodgau, Hummetroth, Bayreuth, Reutte in Tirol...

Die unzähligen „Griesheims“ in Deutschland weisen auf eine sandige Fläche mit Gewässer hin, und Ried zeigt feuchte Wiesen an, wie sie oftmals am Siedlungsrand auf Rodungen entstanden sind. Hier weidete das Vieh, später betrieb man Landwirtschaft rings um die neu entstandenen Städte. Die Dörfer der Gürtel wuchsen mit der Kernstadt zusammen, es bildeten sich Ballungsräume wie das Rhein-Main-Gebiet oder das Ruhrgebiet. Die Industrie verlagert sich an die Peripherie der Städte, es entstanden Industriegebiete abseits der reinen Wohnviertel.

Doch die Geschichte des Wohnens geht noch etwas weiter: wo eine Industriebrache entsteht, wo also Fabriken schließen, dort stirbt auch das Leben der Dörfer. Historische Dampfzugfahrten durch manche Gegenden führen uns durch ein surreales Märchen: die industrielle Revolution ist hier längst Geschichte, der Zug rattert durch einen flächendeckenden Friedhof aus vor 30 Jahren stillgelegten Fabrikanlagen.

Hat uns die Geschichte des Wohnens nun von der Höhle bis zur Industrieruine geführt? Mitnichten! Verlagert hat sich die Art der Erwerbstätigkeit - wieder einmal. Vom Sammeln und Jagen über das Hüten und Ackern zu den Gilden und Zünften bis in den schwärzesten Industriekapitalismus und weiter in das digitale Zeitalter, in dem mit Information gehandelt wird.

Mitentwickelt haben sich auch unsere Häuser: auch sie vernetzen sich, versenden Informationen, kommunizieren mit uns wenn wir nicht zuhause sind. Gesundes Raumklima, klimaneutrale Heizung, intelligente Haustechnik, smart home.

Aber wenn mein Kühlschrank mich unterwegs über mein Handy anplärrt, daß ich gefälligst Bier mitbringen soll, dann ist es mit der Behaglichkeit schnell vorbei...

Marieta Hiller, im Februar 2018

 

Legendär waren die Christstollen meiner Schwiegermutter Elisabeth:

sie nahm 4 Pfd Mehl, 900 g Fett (500 Mararine + 400 Rinderfett), 350gr Zucker, 100gr Zitronat 100 gr Orangeat, 150 gr Hefe, 1 Backin, 15 gr Salz, Rum (!!!), 1/2 ltr Milch, 700g Mandeln 100 g Nüsse, 500g Sultaninen 125g Korinthen, Buttter zum Pinseln und Puderzucker zum Bestreuen. Leider gibt ihr handschriftliches Rezept keine Backzeit und Temperatur an, doch das ist sowieso bei jedem Backofen anders.

Schon Anfang Oktober fuhr sie nach Bensheim zu Aldi (den gab es damals in Reichenbach noch nicht), um die Dauervorräte fürs Stollenbacken einzukaufen. Denn sie hatte Panik, daß später nicht mehr alles verfügbar sein würde. Spätestens Anfang November wurden die Stollen gebacken und danach in mehrere Schichten Alufolie fest eingewickelt und auf dem Schrank im Schlafzimmer zur Ruhe gebracht. Erst an Weihnachten durfte der erste Stollen angeschnitten werden, er war dann auch schon sehr gut durchgezogen und schmeckte köstlich.

Dank der klugen Vorratshaltung meiner Schwiegermutter gab es die letzten Stollen im Sommer, kurz bevor der Einkaufsstreß wieder losging...

Vor einigen Jahren begann ich mit dem Rezept zu experimentieren:

- ich nahm statt Weißmehl Dinkel, der in unserer Getreidemühle fein gemahlen wurde;
- den Zucker ersetzte ich durch wesentlich weniger Honig;
- ich wußte, daß die in 80% Stroh-Rum (meine Schwiegermutter neigte nicht zu halben Sachen) eingeweichten Rosinen einen Ackergaul umwerfen konnten, trotzdem legte ich sie drei Tage lang ein - das Ergebnis war köstlich!
- beim ersten Mal wurden die Stollen bei 150 Grad 85 Minuten im Umluftbackofen gebacken, das war aber zu lange, sie waren etwas trocken. Also reduzierte ich im Jahr darauf sowohl Backzeit als auch Temperatur auf 140 Grad und 75 Minuten. Aus Angst, daß die Stollen nicht ganz durchgebacken sein könnten, mußte ich dann leider einen sofort anschneiden und probieren. Der erlebte dann kein Weihnachten mehr...
- ich ersetzte die Alufolie (die setzt man schließlich besser als Hut auf den Kopf) durch Butterbrotpapier und zwei Schichten Gefriertüten, danach fror ich die gut verpackten Stollen ein. Und so kann auch ich jetzt Christstollen genießen, wenn die Mandeln an der Bergstraße blühen, und wenn es Zeit für die Stolleneinkäufe wird.

M. Hiller, November 2017

HS.Briefe: Beiträge von Hans Seeger zu Themen der Zeit

Der Beedenkirchener Altunternehmer Hans Seeger (*1929, gest. 2019) hat sechs „Denkschriften“ herausgegeben: 1. Vom Felisberg zum Felsberg im Odenwald
2. Steinbrüche am Felsberg - Felsberg-Granit = Melaquarzdiorit
3. Im Wandel der Zeit - Auf und Nieder der Grabstein-Industrie
4. Geschichte - Zeitgedanken - Frieden in der Welt
5. Beedenkirchner und Odenwälder Geschichten, überwiegend in Mundart
6. Ich bin ein Odenwälder Der vordere Odenwald und speziell der Felsberg war für gut 100 Jahre Schauplatz zahlreicher Steinbrucharbeiten. Es gab etliche Betriebe, die hier Rohblöcke gewannen und sie verkauften oder weiterbearbeiteten. Steinarbeiter waren gläubige Menschen, doch waren sie auch von einem gewissen Trotz beseelt:

Zu Ehren der Steinbrucharbeiter:
hart ist der Stein,
schwer war die Arbeit,
rau unser Leben.
Hatten andere Leut auch leichteres Brot,
er mußte es uns  doch geben.
Inschrift auf einem Granitstein im Heidenberg bei Gadernheim

Über ihre Arbeit und ihr Leben hat Hans Seeger aus Beedenkirchen zusammengestellt, was er in seinem Leben erfuhr. Sein Credo:

Der Mensch als lebendige Schöpfung ist berufen, sich die Erde untertan zu machen, indem er der Natur gehorcht.

Dieser entscheidende Nebensatz ist gültig nicht nur für Steinarbeiter.

Ein Steinunternehmer im Unruhestand: die HS.Briefe von Hans Seeger, Beedenkirchen

Für 100 Jahre prägte die Steinindustrie das Gesicht der Lautertaler Ortsteile: 1879 bis 1979. Der Odenwald war mit dem Fichtelgebirge und einem kleineren Gebiet in der Oberlausitz bis zur Wende Zentrum der Grabmalherstellung. Heute gibt es nur noch wenige Betriebe in Reichenbach, Beedenkirchen, Elmshausen, Gadernheim, Lindenfels, Rodau, Groß-Bieberau, Heppenheim und Bensheim. Sein Leben lang hat Hans Seeger aus Beedenkirchen in der örtlichen Steinindustrie gearbeitet, nun zieht er Bilanz. Der gelernte Steinmetz - und nebenbei auch Schmied - hat viel erlebt und viel zu sagen.

Sein wichtigstes Anliegen, nach Papst Pius XII: der Mensch soll sich die Erde untertan machen, indem er der Natur gehorcht. Würdiger Umgang mit Natur und Mensch fordert er immer wieder - seine HS.Briefe sind Gelegenheitstexte, die sich immer wieder um dieses Thema bewegen. Daher sind sie - am Stück von 1-6 gelesen - oftmals etwas redundant, aber Wiederholungen tun diesem Thema gut: man kann es nicht oft genug wiederholen, daß z.B. Bildung die Grundlage für ein gutes Leben ist. Brandaktuell wirkt diese Mahnung angesichts von Boko Haram, was nichts anderes heißt als „Bildung ist verboten“. Einiges in den HS.Briefen liest sich etwas sperrig, auch aufgrund der häufigen Wiederholungen, doch auch die Themen sind ja meist sperrig.

Immer wieder setzt er menschliches Verhalten in Relation zur Erdgeschichte - schließlich hat er sich ein Leben lang mit Stein befaßt, und dies läßt ihn - und auch uns - demütig und nachdenklich werden. Um so mehr, als Hans Seegers Hauptgeschäft die Grabmalherstellung war und er ständig Berührung mit Ewigkeit, mit Verstorbenen und Hinterbliebenen hat. Seine Gedanken zur Bestattungskultur faßte er im zweiten HS.Brief zusammen. Dabei setzt er sich an vielen Stellen mit dem christlichen Glauben auseinander, nimmt Bezug auf den kritischen Theologen Hans Küng, der es wagte die päpstliche Unfehlbarkeit in Frage zu stellen und dem daraufhin postwendend die Lehrbefugnis aberkannt wurde.

„Ohne Religionsfrieden kein Weltfrieden“ - das ist Hans Küngs Credo, und auch das von Hans Seeger. „Wenn ich Energien aus der Erde hole und ohne Kreislauf nutze, entweichen sie in Umwelt und Atmosphäre“: der zweite Satz der Thermodynamik könnte besser nicht formuliert werden. Darin geht es um die Entropie: alles strebt immer zum niedrigeren Energieniveau, oder aber: ich muß viel Energie investieren um auf ein höheres Niveau zu kommen - von nix kommt nix. Den Kreationisten hält Seeger das Bibelzitat Moses Psalm 90 entgegen, wonach sich das Alter der Erde mit gut 2 Mrd. Jahren ansetzen läßt, was nicht ganz dem aktuellen Forschungsstand entspricht, aber weit entfernt ist von den im Kreationismus postulierten 6000 Jahren!

Die Mächtigen dieser Welt, allen voran  Donald Trump und Georg W. Bush, erhalten eine entschiedene Abfuhr, denn für Hans Seeger sollte die Welt - ganz gleich wie alt sie ist - von einer sozialen Gesell-schaft regiert werden, nicht von Kapital und Wirtschaft. Sie sollte sich um die Welternährung kümmern anstatt um Waffen, die „fanatische Weltunordnung“ durch eine freiheitliche Weltordnung ablösen. Spannend liest sich der HS.Brief Nr. 3, in dem es konkret um die Odenwälder Steinindustrie der Region Lautertal geht.

Hier beschreibt Seeger die Ansiedlung der ersten Steinbruchunternehmer, ihre Entwicklung und die seines eigenen Betriebes, den er von Vater und Großvater übernommen hatte. Kurioses berichtet er etwa über den Unternehmer Johann Wilhelm, der in den Jahren 1926-1930  Granitfindlinge für den Tierpark Hagenbeck in Hamburg lieferte und „manchmal .. in der Woche ein(en) Fünfhunderter übrig (hatte)“. Daß dieser oft überraschende Wohlstand vielfach auch noch in den 80er Jahren vorkam, kann ich selbst aus meiner Jugend bestätigen. Ich arbeitete als Kellnerin im Gasthaus „Zum Kaiserturm“ in Winterkasten, in „de Funzel“. Dort trafen sich die „Steinkerle“ Montags und Donnerstags, wenn Hansi aufspielte, und ließen es sich so gut wie richtige Ölbarone gehen. Letztlich hat die Odenwälder Steinindustrie so mein Studium finanziert. In dieser wilden Zeit traf man in der Funzel oft den „Gold-gräber“ und den „dicken Helmut“, aber auch Unternehmer aus Reichenbach. Hans Seeger dagegen war schon immer ein Familienmensch, der sich lieber in der Steinmetzinnung engagierte und sein Geld zusammenhielt. 1953 wurde er Schriftführer der Innung. Gut funktionierende Betriebe konnten damals pro Mitarbeiter einen Jahresumsatz von 100.000 DM erzielen. Das Ende kam mit dem Strukturwandel: mit Urnengräbern und anonymen Bestattungen.  M. Hiller, Nov. 2017

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Ist Magie das Kuriositätenkabinett der Zauberkunst?  Die Schreckenskammer der Kulturgeschichte? Mystisch-hermetische Geheimlehre am Rande legitimer Glaubensbekenntnisse? Wie paßt Magie zu unserer rationalistisch-aufgeklärten Weltsicht? Wunder, Gebete, Beschwörungsformeln? Ist das Aberglaube? Stehen wir auf einer Stufe mit Dr. Faustus, nur weil wir „toi toi toi“ sagen und mit den Knöcheln auf Holz klopfen?

Magie hat eine sehr lange Geschichte: seit der Mensch das Feuer gebändigt hat, wurde er seßhaft, entwickelte Sprache, erschuf sich den geistigen Raum der Religion. Geister oder Götter besaßen Macht über Menschen und forderten ihre Rituale. Daraus entwickelte sich im Laufe der Jahrtausende unsere heute bekannte Religion, sei es Christentum, Islam, Buddhismus, Hinduismus oder Judentum*. Rituale begleiten jede Religion, und Rituale sind zugleich auch wichtige Elemente der Magie. Am Beginn standen magische Rituale als Schutz vor böswilligen Göttern. Dazu gehörten die Vampire, Dämonen und die Pest. Rituale dienten der Besänftigung und der Weissagung, denn die Zukunft war und ist etwas, was Menschen naturgemäß stark interessiert. Älteste Quellen aus Mesopotamien und Persien berichten von einem Ritual, das uns heute noch vielfach begegnet: abgeschnittene Haare und Fingernägel dürfen nicht in die Hände der bösen Mächte geraten. Noch heute gilt dieser Brauch in vielen Häusern während der Rauhnächte (25.12.-6.1.). Auf das zoroastrische Persien (7.-4. Jh. v. Chr.) folgte das Judentum. Dessen Hauptwerk, die Bibel, entstand etwa 1200 v. Chr. und sprach von Magie als unzweifelbarer Wirklichkeit. Von Erscheinungen wie dem

Mene mene Tekel - dem Zeichen an der Wand, das dem König Belsazar sagt „gezählt sind deine Tage!“

- ist die Bibel voll. Noch heute gilt die Bibel sowohl Christen als auch Juden als auch Muslimen als Buch der Bücher. Doch wie es scheint, haben wir mit abergläubischen Elementen weniger Probleme als mit der grundlegenden Glaubensbotschaft der Nächstenliebe. Alle Religion ist aber in ihrem Ursprung ein Regelwerk, um die Gemeinschaft zu stärken, um Altruismus zu fördern. Zentrale Botschaft der Christen ist die Bergpredigt, aber der brennende Dornbusch und die Teilung des roten Meeres fasziniert uns viel stärker: DAS wollen wir auch können! Oder jemanden kennen, der das kann... Sehr wichtig war Magie auch den Ägyptern, den Griechen und Römern. Später folgte die Alchemie mit Hermes Trismegistos, dem dreimagischen Meister, der versuchte Gold zu destillieren und Homunculi zu schaffen. Den Höhepunkt fanden Aberglauben und Magie zur Zeit der Hexenverfolgungen: tausende unschuldiger Frauen und Männer wurden zu Tode gefoltert im Auftrag des Herrn. Martin Luther forderte, die Hexen - die ihm zufolge Schäden an Mensch, Vieh und Ernte anrichteten - durch das Feuer zu töten.  Gleichzeitig aber war er überzeugt, daß Schadenszauber durch Hexen von Gott gesandte Prüfungen seien. Er sagte:

„Wehrt euch nicht gegen diesen Schadenszauber. Denn ihr wißt gar nicht, was Gott damit vorhat. Ihr kennt nicht den großen göttlichen Plan, der dahinter steckt.“

Luther führt Hiob an, dem ein Unglück nach dem anderen geschah. Aber Hiob blieb fest in seinem Gottvertrauen, und schließlich belohnte Gott ihn mit Vieh und Kindern. Zu Luthers Zeit kündigte sich bereits die Entstehung von Geheimbünden an: Rosenkreuzer, Templer, Freimaurerlogen. Zunächst aber prophezeite ein Zeitgenosse Luthers, Theophrastus Bombastus von Hohenheim (auch als Paracelsus bekannt), daß

„Gott eine Entdeckung von größter Bedeutung zulassen wird; sie muß aber bis zum Erscheinen des Künstlers Elias verborgen bleiben“.

Wer auch immer der Künstler Elias sei: Luthers Reformation schien Paracelsus kein Wendepunkt, denn seiner Meinung nach befaßte sich Bruder Martin nicht ausreichend mit Magie und Kabbala. Vielmehr erwartete Paracelsus diesen Wendepunkt mit dem Erscheinen des Kometen 1572, einer Supernova, die Tycho Brahe und seine Schrift über den „neuen, nie zuvor gesehenen Stern“ unter Astronomen in ganz Europa berühmt machen sollte. Aus heutiger Sicht war das leider auch kein Wendepunkt, obwohl: das Jahr 1572 brachte mit der Pariser Bartholomäusnacht vom 23./24. August vielen Hugenotten den Tod. Einer der ersten Kriege zwischen Katholiken und Reformierten, der eine lange Reihe weiterer Glaubenskriege nach sich zog. Und so zieht sich die Frage, ob der Mensch frei ist in seiner Entscheidung, durch die Jahrhunderte. Zieht man die Schärfe in Betracht, mit der kanonische Glaubensrichtungen auch nicht vor Mord und Massen-mord zurückschrecken, erscheint ein bißchen Magie doch fast tröstlich. M. Hiller, Oktober 2017

Buchtipp: Kurt Seligmann, Das Weltreich der Magie - 5000 Jahre Geheime Kunst, Bechtermünz Verlag 1988

*Wikipedia nennt:
Die folgenden fünf existierenden Religionen werden im Allgemeinen als Weltreligionen bezeichnet (Anhänger nach Encyclopædia Britannica 2010):

Erdspiegel: magische Formel zum Schatzfinden

Beschwörungsformel mit den magischen Namen wurde in einem Holzkästchen mit Erde angewandt, um z.B. verborgene Schätze zu finden. Dazu mußte man jedoch ganz still sein. Beim ersten Wort - auch einem Überraschungsausruf, wenn tatsächlich ein Schatz auftaucht! - versank dieser und konnte niemals mehr gehoben werden.

Der Erdspiegel aus dem Alten Schloß in Büdiingen hat folgende Erläuterung:

"Vorliegendes Zeichen ist ein Geheimzeichen der Alchimie - ein sog. Erdspiegel - der zur Hebung verborgener Schätze oder Edelmetalle verwendet wurde. Es stammt aus dem 16. Jh. um 1530 und ist in Dr. Faustens Kunst- und Wunderbuch abgedruckt. Auch der schwarze Rabe genannt. Das Zeichen hat nur am Michaelstag Wirkung. Deshalb ein Hinweis .d. Rückseite des Blattes."

Weitere Erdspiegel und das Brauchen und Bannen finden Sie unter der Knodener Kunst

Der Stein der Weisen

Die Alchimisten versuchten, Metalle in andere Metalle umzuwandeln. Vor allem aber wollten sie Gold schaffen. Eine solche "umgekehrte Entropie" war mit mittelalterlichem Kenntnisstand noch vorstellbar. Eine sehr große Energiequelle war erforderlich dazu, und diese ist - nein, nicht das ZPM, sondern der Stein der Weisen. Er vereinigt in sich alle Farben (moderne Farbenlehre: weißes Licht ist die Summe aller Farben!) und kann Metalle verwandeln, Krankheiten heilen, das Leben verlängern.

"Ich könnte ganze Meere verwandeln, wenn es nur so viel Quecksilber gäbe!"
Mare tingerem si Mercurius esset.
Raimundus Lullus (14. Jahrhundert)

Quecksilber ist dem Planeten Merkur zugeordnet, wie Gold der Sonne, Silber dem Mond, Eisen dem Mars, Kupfer der Venus, Blei dem Saturn, Zinn dem Jupiter. Der Stein der Weisen war - wie alle Metalle und Erden - beseelt wie Tiere und Pflanzen. Folglich mußte man den "Samen" der Metalle finden, um eines ins andere verwandeln zu können. Man glaubte, daß alle Metalle Schwefel und Quecksilber enthalten. Schwefel als Symbol für die Hölle und den Teufel, Quecksilber als flüchtiger Bestandteil, der gerne wandert - siehe Hermes, der auch Merkur heißt. Merkurius ist der Name für Quecksilber, es ist bei Zimmertemperatur flüssig. Das mußte den Alchemisten als etwas ganz Besonderes erscheinen. Deshalb waren sie überzeugt, daß man nur die Zusammensetzung der beiden ändern mußte, um ein anderes Metall zu bekommen. So sollte Gold aus einem großen Anteil Quecksilber und wenig Schwefel bestehen. Kupfer beispielsweise sollte beides in gleicher Menge enthalten. Den Philosophen zu Agrippa von Nettesheims Zeit (1486-1535) schien es logisch, daß die Welt und alle Himmelskörper eine Seele und auch Verstand haben müssen. Denn alles folgt einem wohlüberlegten Plan, nichts gleitet ab ins Chaos - es sei denn der Mensch greift allzustark ins Geschehen ein. Die Welt läßt sich berechnen, das stellten die Forscher jener Zeit fest. Die vier Essenzen Feuer Wasser Erde und Luft sowie das fünfte Element, die Quintessenz, spielten in einem fein geregelten Ablauf miteinander. Die Quintessenz (bei Bruce Willis und Milla Jovovich1997 war es schlicht: DIE LIEBE) belebt alle Körper, die Welt-Geistseele, die nie allein für sich existieren kann oder sichtbar wäre. Aber sie ist allgegenwärtig. Heute könnte man sagen, es ist die feinstoffliche Ebene, auf der ganzheitlichen Betrachtungsweisen zufolge alles mit allem in Verbindung steht. Wer aber die Quintessenz von der Materie der vier Essenzen zu lösen vermag, der besitzt die schöpferische Kraft Gottes (!). Dieser Stein der Weisen besitzt Zeugungskraft, und althistorische Göttinnen wie Isis, Demeter (Ceres), Hestia (Vesta) waren seine Sinnbilder. Hier noch ein passender Spruch:

Gott schläft im Stein
träumt im Tier
atmet in der Pflanze
und wacht im Menschen

In diesem Sinne: seid wach und geht sorgsam mit eurer Mitwelt um! Marieta Hiller, Oktober 2017

Zaubersprüche: uralte Magie der Zaubermärchen

Einst brauchte man starke Zaubersprüche, um Kontakt zu einem Drachen aufzunehmen. Solche Zaubersprüche kommen von ganz innen aus unserer Seele, wo es sehr wohl Drachen gibt! Deshalb begegnen wir den Drachen auch oft in Zaubermärchen. Das sind die ältesten Märchen die wir haben. Hatte man den richtigen Zauberspruch, oder ein Wünschelding, so konnte man jederzeit mit seinem Drachen sprechen und er beschützte uns! Zaubersprüche gehören zu unseren ältesten Ritualen, so gibt es die Merseburger Zaubersprüche aus dem 8. Jahrhundert, aber auch aus der Antike schon gibt es Zaubersprüche von Plinius d.Ä., von Marcellus und Pelagonius.

Herbstlicher Reiz einer vom Menschen geprägten Berglandschaft - vor allem im Nebel

Der Felsbergwald hat im Herbst seinen eigenen Reiz. Weitab vom großen Felsenmeer mit seinen Touristenströmen und Schulausflügen gibt es im Felsberg einsame Ecken und Winkel, wo man selbst bei sonnigem Wetter niemandem begegnet. Aber gerade an trüben oder regnerischen Tagen übt dieser Wald eine besondere Anziehung aus: abseits der ausgetretenen und zugemüllten Wege am blankgerutschten Felsenmeer findet man halbverwucherte Pfade unter meterhoch aufgeschichteten Granitsteinmauern, seit achtzig Jahren von Efeu überwuchert.

Der Lampertstein

Vom Naturpark Talweg führt ein Rundweg an den beiden alten Steinbrüchen "Sichel" und "Regenbogen" vorbei zum Lampertstein, einem klobigen Sandsteinkreuz auf einem tischgroßen Sockel. Dieses Steinkreuz wurde dem Reichenbacher Bürgermeister Jakob Lampert zum Andenken mitten ins Gehölz gesetzt:

"Hier sank durch die Selbstentladung der Flinte eines Jagdgefährten getroffen entseelt zu Boden Jakob Lampert, Bürgermeister zu Reichenbach gebor. am 6. April 1797 gestorben am 14. Dezemb. 1838"

Lampertstein wurde in Erinnerung gerufen

Hinweisschilder an der Kreuzung der beiden Europäischen Fernwanderwege vor dem Rathaus und am Lampertstein im Felsbergwald regte Wanderfreund Günter Wilhelm, zertifizierter Wanderführer und Skitourenführer aus Heidelberg, an. Die Beschriftung am Lampertstein müßte wieder einmal erneuert werden.

Dabei will er sich sogar finanziell beteiligen. Direkt vor dem Rathaus Reichenbach liegt der Schnittpunkt der beiden europäischen Fernwanderwege E 1 und E 8, womit klar ist, daß der Odenwald im Herzen Westeuropas liegt und das Lautertal mit seinem Felsenmeer eine Sonderstellung auch bei den europäischen Fernwanderwegen einnimmt. Der E 1 führt von Schweden durch Deutschland und das Felsenmeer, am Rathaus Reichenbach vorbei über den Hahnenbusch bis nach Genua in Italien. Oft sieht man Wandergruppen schwer bepackt den kurzen Weg entlang der Nibelungenstraße bis zur Hahnenbuschstraße laufen.

Gekreuzt wird dieser Fernwanderweg vom E 8, der von Dublin über den Borstein zum Hohenstein und weiter bis zum Bosporus führt. Vielleicht wird am Rathaus eine Tafel aufgestellt, die auf diese beiden großen europäischen Wanderwege und auf ihre Schnittstelle in Reichenbach hinweist. Da "Kleindenkmäler und interessante Informationen zum Wanderweg sinnvoll und touristisch sehr werbewirksam sind", schlägt Wilhelm auch ein Hinweisschild auf den Lampertstein im Felsbergwald vor. Es sollte seiner Meinung nach auf dem Wanderweg oberhalb der Treppen, die zum Denkmal führen, stehen. Auf dem Denkmal selbst sollte die Schrift erneuert werden.

Dies wurde letztmals im Herbst 2006 von Philipp Degenhardt und Walter Metter getan. Das Denkmal erinnert an den eifrigen Jäger, der 1838 mit dem gräflich erbach-schönbergischen Revierförster Rautenbusch im Felsbergwald unterwegs war...

Die damalige Sanierung des Denkmals und des Platzes wurde im Januar 2007 mit einer Besichtigungstour durch Verschönerungsverein (VVR) und Odenwaldklub (OWK) Reichenbach gefeiert, wie das Foto zeigt. OWK-Vorsitzender Rudolf Prosch erinnerte an den Verstorbenen, die Entstehung des Denkmals und dankte allen Helfern für die Wiederherstellung der Anlage. Die Jagdhornbläser ließen ihre Instrumente erklingen und die Jagdpächter bewirteten die rund 100 Wanderfreunde. Heinz Eichhorn, Mai 2016

Foto aus dem Buch "Abenteuer Felsberg" von M. Hiller, damals noch in Schwarz-Weiß aufgenommen

 Nicht Apfel Nuß und Mandelkern, sondern Rosinen, Butter und Spezereien

Auf der Suche nach den besten Rezepte für weihnachtliches Gebäck entdeckte ich das Dr. Oetker-Backbuch „Backen macht Freude“ von 1960. Ein Buch, aus dem jahrzehntelang viel und gern gebacken wurde, das Küchengeschichte atmet, mit brüchigen und braunfleckigen Seiten und vielen Notizzetteln drin. Da kommt kein e-book mit...

Allein das Buch an sich ist schon nahrhaft, umso mehr die Rezepte darin. Das Rezept für einen ordentlichen Stollen verlangt neben viel Zucker auch eine Menge an Fett. Ohne Fett nämlich schmeckt der beste Stollen nicht. Außerdem mußte hinein - schließlich haben wir es mit einem Buch von Dr. Oetker Buch zu tun: Backin, Vanillinzucker, Bittermandelöl, Rumaroma, Zitronenbacköl. An Spezereien kamen Kardamom und Muskatblüte dazu.

Ein noch älteres Dr. Oetker-Kochbuch, das Schulkochbuch von 1937 dagegen mahnte: „Man beweise Verständnis für die Maßnahmen der Regierung im Kampf um die deutsche Nahrungsfreiheit und bevorzuge bodenständige Erzeugnisse.“ Schon zwei Jahre vor Kriegsbeginn sorgte man so dafür, daß der Küchenzettel vor allem Eintöpfe und fleischlose Gerichte enthielt, daß die gute Hausfrau dem Nationalsozialismus mit Sparsamkeit und Resteverwertung diente. Man schlug sogar gefüllte Gänsehälse vor, um auch diese noch zu verwerten.

Der Christstollen also mag zu jener Zeit mager ausgefallen sein, und mager war er in seinem Ursprung auch gedacht. Noch bis ins 15. Jahrhundert durfte nach den Regeln der römischen Kirche dafür fast nichts als Wasser, Hefe und Mehl verwendet werden. Butter, Milch, Sultaninen, Zitronat oder Mandeln - Fehlanzeige!

Als „zwei lange Weißbrote aus einem halben Scheffel Weizen“ dokumentiert das Naumburger Innungsprivileg aus dem Jahre 1329 die älteste schriftliche Erwähnung des Wortes Stollen. Der Naumburger Bischofs Heinrich I. von Grünberg setzte nämlich zur Gründung der Bäckerinnung in der Stadt eine Urkunde für sich auf: „haben sie sich vnd yrn Nachkommlingen alle Jar ewiglichen [...] an des heiligen Crist[us] Abende zwey lange weyssene Brothe, die man Stollen nennet, gemacht von eynem halben Scheffel Weysses vns vnd vnsern Nachkommlingen in unsern Hof gelobt haben verbunden zu geben und zu reichen.“

Dem Kurfürsten Ernst von Sachsen gefiel dieser butterlose Stollen nicht, und so schrieb er an Papst Nikolaus V. einen Brief, in dem er um die Aufhebung des Butter-Verbotes bat. Und schon ein paar Jahre später, anno 1491, traf der „Butterbrief“ des heiligen Vaters in Dresden ein, woraufhin die Elbstadt zur Stollenhochburg wurde - der Dresdner Striezelmarkt ist der älteste deutsche Weihnachtsmarkt, schon um 1500 gab es hier Christbrote zu Weihnachten zu kaufen. Der Butterbrief war ein sogeannter Ablaß, er gestattete den Verzehr von Milchprodukten auch während der Fastenzeit zwanzig Jahre lang gegen eine milde Gebühr in klingender Münze. Mochte Martin Luther auch gegen den Ablaßhandel wettern, ganz sicher war auch ihm ein ordentliches Stück Butter lieber als das zuvor im Stollen verwendete Rübenöl. Und so wird es wohl gekommen sein, daß das ehemalige Fastengebäck zur schwergewichtigen Leckerei mit dem Namen Stollen wurde. Denn Stollen bedeutet im Althochdeutschen soviel wie Pfosten oder Stütze.

August der Starke ließ einige Zeit später (1730) anläßlich eines prachtvollen Truppenaufmarsches den Zeithainer Riesenstollen auffahren. Auf dem Zeithainer Lustlager wurde der mehrere Meter lange Kuchen, Butter-Stollen oder Striezel genannt, serviert. 18 Scheffel Mehl, 82 Schock (=4920 Stück!) Eier, 3 Tonnen Milch, 1 Tonne Hefe und 1 Tonne Butter kamen zum Einsatz.

Welcher Rübezahl wohl diesen Teig kneten mußte?

Apfel Nuß und Mandelkern

Im Gedicht von Theodor Storm »Von drauß' vom Walde komm ich her; Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!« antwortet Knecht Rupprecht: »Das Säcklein, das ist hier:
Denn Äpfel, Nuß und Mandelkern Essen fromme Kinder gern.«

Der Duft der Kindheit: das Mandelschälen

Als Kind durfte ich helfen, die Mandeln zu schälen. Der große Küchentisch war voller Mehl, Eierschalen, Nüssen und Gewürzen, und ein kleines Plätzchen des Tisches war extra für mich reserviert. Neben mir knackte meine Oma die harten Mandelschalen auf, was gar nicht so leicht war. Aus den Trümmern suchte ich die braunen Mandeln, die dann in kochendem Wasser blanchiert wurden. So konnte ich sie, nachdem sie etwas abgekühlt waren, zwischen Daumen und Zeigefinger aus der braunen Haut flutschen lassen. Das machte Spaß, und nicht wenige Mandeln landeten in meinem Mund statt im Kuchen. Unvergeßlich ist der Geruch nach warmen Mandeln! Heute ist aller Zauber dahin: man reißt eine Tüte auf und schüttet gehäutete, gestiftelte, gehobelte, gehackte oder gemahlene Mandeln in den Kuchenteig. In meiner Kindheit aber war das Mandelschälen ein Erlebnis für alle Sinne! Wie hart waren die Schalen - wie Nüsse (schlimmer waren nur noch die Paranüsse, die es heute gar nicht mehr gibt, weil sie gesundheitsschädlich sind)!

Ist die Mandel wirklich eine Nuß?

Nein! Der Mandelbaum kommt aus Nahost und Asien und ist ein Rosengewächs, er trägt Früchte wie Aprikosen oder Pfirsiche, und im Fruchtfleisch steckt der Kern. Das ist die holzharte Schale, die sich so schwer knacken läßt. Erst wenn man diese öffnet, kommt man an den Kern heran. Es gibt mild aromatische Süßmandeln, leicht zu knackende Krachmandeln und giftige Bittermandeln, deren Blausäuregehalt schon in kleineren Mengen giftig wirkt.

Aber gesund ist die Mandel!

Die Süß- und Krachmandel enthält viel Eiweiß und Ballaststoffe, man muß sie gut kauen um alle Inhaltsstoffe aufzunehmen. Täglich eine Hand voll Mandeln erhält fit und gesund.

M. Hiller, Dezember 2014

 

Für Emilia Tabea Christine Scales

Warum viele Tiere im Wald einen weißen Stern auf der Brust tragen

In ein fernes Land, wo die Schmetterlinge wie Rosen duften, wo aus Steinen zarte Elfenmusik erklingt, wo Nebelfäden Geschichten weben, in jenes Land wollen wir heute abend einen Ausflug machen. Es ist das Land der Feen und Elfen, und es liegt gar nicht so weit: hinter jedem fröhlichen Lachen kann der Eingang verborgen sein - du mußt nur einmal genau schauen! Doch hüte dich wohl: wer nur ein halbes Stündchen beim lustigen Elfentanz verbrachte, kommt erst nach vielen Jahren in die Menschenwelt zurück.

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Das Felsenmeer ist ein besonderer Schauplatz der Industriekultur und der Wirtschaftsgeschichte. Zu allen Zeiten war der Felsberg ein vielbesuchter Ort. Bereits in der Antike wurden hier Werkstücke gewonnen. Der spröde Stein - ein Melaquarzdiorit, oft mit Granit verwechselt - wurde bereits bei den Römern im 2.-4. Jahrhundert nach Christus für ihre Bauwerke in der Provinz gewonnen.

 

Das Granitbauwerk wurde 1900/ 1901 von der Odenwaldklub-Sektion Darmstadt erbaut. Wie auf dem Felsberg entstanden um diese Zeit überall auf den Anhöhen Aussichtstürme des Odenwaldklubs.

Benannt ist der Turm nach dem vor der vorletzten Jahrhundertwende verstorbenen Darmstädter Oberbürgermeister Ohly. Lange Zeit schaute der Turm über die Baumwipfel hinaus, heute sieht man ihn gerade noch, so hoch ist der Buchenmischwald inzwischen gewachsen. Stilistisch ist er ein spätes Beispiel für den romantisierenden Historismus des 19. Jahrhunderts, dessen Vorbilder mittelalterliche Burgen und Wehrbauten waren.

27 Meter ist der Turm hoch, sein Standort liegt 514,8 Meter über Meeresspiegel. Man kann von der Plattform aus den Donnersberg in der Pfalz, die Skyline von Frankfurt und im Südosten sogar den Katzenbuckel sehen. Bis 1937 gab es hier für Touristen einen Kiosk, dann wurde der Turm für militärische Zwecke verwendet. Heute steht der Turm unter Denkmalschutz. Dies hinderte jedoch das Hessische Ministerium des Inneren nicht daran, im Jahr 1971 eine 21 Meter hohe Richtfunkantenne am Ohlyturm zu montieren. Diese Antenne ist notwendig, um zum Beispiel Notrufe der Rettungsdienste über die Hügel bis in jeden Winkel weiterzuleiten.

    

Von Nordost Rundumblick über Süd bis Nord...

   

Unglücklicherweise zermürbte die Antenne durch Windschwingungen das Mauerwerk des Turmes, da sie nicht im Fundament verankert war. Wasser konnte in die entstehenden Risse der Mauern eindringen, schließlich mußte der Turm wegen Baufälligkeit geschlossen werden. Nachdem ein jahrelanger Rechtstreit zwischen dem Eigentümer des Turms und dem Ministerium endlich entschieden werden konnte, baute das Ministerium im Jahr 1996 direkt neben dem Turm ein eigenes Gittergerüst für seine Funkanlagen. Nun konnte der eigens gegründete Ohly-Turm-Verein um die Turmherren, Familie Reuters, mit der Restaurierung beginnen. 1999 wurden die Arbeiten begonnen. Die tonnenschwere Betondecke, die eine der Funkanlagen getragen hatte, wurde abgetragen, der Turm bekam ein neues feuerverzinktes Treppenhaus.

Die Arbeiten ziehen sich allerdings länger hin als vorgesehen. Schon im Sommer 2000 sollte der Turm der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden, doch das Projekt verschlang mehr an Geld und Zeit als erwartet, und bis heute können Besucher noch nicht hinaufsteigen. Im Jahr 2007 erwarben Brian und Sean Brennan den Turm und trieben die Sanierung kräftig voran.

Doch öffentlich zugänglich ist der Turm noch immer nicht...

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Nachdem die Römer ihre Hämmer niedergelegt und den Felsberg verlassen hatten, herrschte Ruhe bis ins späte neunzehnte Jahrhundert. Damals kamen böhmische Steinmetze auf der Wanderschaft durch den Odenwald und entdeckten dabei den Felsberg-Granit. Das war etwa um 1879.