Als ich mich mit verschiedenen Menschen unterhielt auf der Suche nach Hintergrund-Infos zur Blaufarbenfabrik Lautern, zum Kupferbergwerk Reichenbach oder zum Modautal-Eisenbahnbau, war ich auch zu Gast bei einer 94 Jahre alten Dame, die aus Raidelbach stammt. Sie hat ein Familienbuch, in das sie alle Geburten und Sterbefälle einträgt. So konnte sie mir über ihren Urgroßvater Heinrich Mink (*um 1850) berichten, der ab 1880 als Aufseher in der Blaufarbenfabrik tätig war. Das hatte ihr eine Großtante erzählt, die Direktorin der Bensheimer Post war und nach der Devise lebte „Wenn man so [vornehm] nicht essen will, kann man ja gleich zu den Kühen im Stall gehen“. Sie war recht vornehm, täglich kam das gute Geschirr auf den Tisch, sie trug immer gepflegte Kleidung, und die Schürze wurde nicht angezogen, sondern vorgelegt.
Heinrich Mink ist verwandt mit den Reichenbacher Minks, die nach den Erinnerungen der alten Dame einst von drei Russen abstammten, die im 18. Jahrhundert nach dem Krieg in Reichenbach blieben und ihren Namen in Mink änderten.

„Man kann ja keins mehr fragen“

Da die alte Dame gerne ohne Namensnennung bleiben möchte, nenne ich sie K.
Ihre Mutter Margarethe stammt aus Gadernheim und ist als uneheliches Kind in der Villa der Blaufarbenfabrik Lautern geboren. Später heirateten die Großeltern von K. aber doch noch, obwohl der Philipp dem Urgroßvater Heinrich Mink nicht gut genut war. Margarethe und Philipp hatten viele Kinder. Philipp stammt aus Bayern, war orthopädischer Schuhmacherr und starb 1935. Drei Jahre später starb seine Schwiegermutter, die Urgroßmutter von K. und Ehefrau von Heinrich Mink.

Vor dem 1. Weltkrieg kamen viele Steinhauer aus Bayern, weil dort große Arbeitslosigkeit herrschte, so weiß K. zu erzählen.

K. brachte als Zehnjährige, also um 1937, dem Vater jeden Tag das Mittagessen zum Hohenstein. Der Vater arbeitete drei Jahre „am Kunkelmann“ und brachte den Kindern immer grüne und blaue Steine mit. K.s Bruder war der in den 1980er Jahren bei uns Jugendlichen sehr beliebte Dreschers Adam, wo wir am Wochenende immer Ebbelwoi und Flaschenbier getrunken haben. Eine Schwester von K. lebt noch, sie ist 97 Jahre alt.

K.s erster Mann war ein Götzinger, er war 35 Jahre älter als sie und während des Krieges Ortsbauernführer in Raidelbach. Sein Hof hatte 94 Morgen Feld. Im Krieg war er lange inhaftiert: beim Fliegerabschuß am Hohberg Elmshausen landete ein junger Soldat mit dem Fallschirm auf dem Heidenberg, Götzinger und sein Nachbar brachten ihn zur Verwaltung im Rathaus Gadernheim. Da der Soldat aber Blut im Schuh hatte, wurde Mißhandlung durch die beiden Raidelbächer unterstellt. Erst nach 28 Monaten wurden die beiden durch den jungen Soldaten entlastet und entlassen. Da war seine 1. Frau schon ein Jahr tot, und er selber verstarb nicht lange nach der Heirat mit K. 1954.

1960 zog K. nach Brandau und heiratete erneut, einen Flüchtling aus dem Böhmerwald. Er starb mit 53 Jahren.

K. war Zeit ihres Lebens arm und sagt nun mit 94 Jahren doch von sich, daß es ihr nie so gut gegangen ist wie jetzt. Sie ist rüstig, putzt und kocht selbst, strickt wunderschöne gemusterte Sachen, und ißt sehr viele gekochte Eier. Sie hatte in ihrem Leben 26 Putzstellen, ließ sich aber nicht selbst zum Putzlumpen machen, das ließ ihr Stolz nicht zu.

„Der Wohlstand hat uns Haß Neid und Streit gebracht...“

Manch einer schafft es, seine Spuren zu verwischen: so war von einem Lithographen des 19. Jahrhunderts bislang kaum mehr als der Name van Hove und der Arbeitsort Offenbach bekannt. Spannend ist  im Beitrag von Johann Heinrich Kumpf (derselbe, der auch das Buch des Dr. Klein von 1754 neu herausgab) dargelegt, wie die Vornamen des geheimnisvollen van Hove ans Licht kamen. Noch spannender aber ist die Geschichte, wie früher mit dem geistigen Eigentum anderer umgegangen wurde: „Abkupfern“ nennt man das auch. Abkupfern kommt aus dem Druckwesen: ein Autor fertigte zunächst eine Zeichnung oder Skizze an, die anschließend vom Kupferstecher zu einer Druckplatte gemacht wurde: seitenverkehrt stach der Kupferstecher alle Linien nach, danach konnten von der Platte beliebig viele Abzüge gedruckt werden. „Mein lieber Freund und Kupferstecher“ war also jemand, der Plagiate anfertigen konnte, Abzüge ohne Copyright.

"gekocht - gebacken - gezuckert - gezaubert" - so heißt der Küchenknigge für junge Frauen aus den 1960er Jahren.

Hausfrauen leisten noch immer mehr als alle Arbeitnehmer zusammen: 40 Milliarden Arbeitsstunden pro Jahr (alle Frauen in Deutschland zu jener Zeit zusammen). Mit dieser reißerischen Zahl macht das schmale Büchlein auf und fährt fort: "eine natürliche ausgewogene Ernährung trägt entscheidend dazu bei, gesund und schlank zu bleiben."

Herbstfund: als die hohen Brennesseln am Wegrand abgestorben sind, tauchte - wie jedes Jahr - dieser zerbrochene Grabstein wieder auf: ein Mahnmal für unsere Vergänglichkeit, aber auch  Zeugnis für die einst rege Steinbearbeitungsindustrie vor Ort. Trotzdem bleibt das Gefühl: dieser Stein an diesem Ort ist pietätlos der Verstorbenen gegenüber.

Heute rechnet man für den Bau von Autobahnen  etwa zehn Millionen Euro pro Kilometer.

Im alten Rom (2. Jahrh. n. Chr.) rechnete man für eine Meile (1500m) 100.000-500.000 Sesterzen*. Für den Bau wurden Soldaten eingesetzt, die so in Friedenszeiten nicht auf dumme Gedanken kamen. Auf diesen Straßen durften nur Diplomierte reisen: Gesandte mit einem zeitlich begrenzten Erlaubnisschein. Entlang der 6-14 Meter breiten Straße gab es Raststätten. Fußgänger mit Gepäck schafften täglich 30-40 km, privilegierte Reiter 60-80 km, mit Pferdewechseln bis zu 300 km.

Der Dichter Werner Bergengruen lebte eine Zeitlang in Lindenfels und sammelte Odenwälder Sagen - vor allem gruselige. Der Rodensteiner und das Wilde Heer faszinierte ihn besonders. Wenn ein Krieg sich ankündigte, so hörte man früher in der Nacht, als die Stuben noch von Kien und Kerzenlicht erhellt wurden, das Wilde Heer vom Schnellerts durch den Haalhof ziehen. Heute ruht im Wald still die Ruine der Schnellertsburg, und auf dem Haalhof rasseln allenfalls Kühe mit Ketten.

„Daß von Grabstätten und Kirchhöfen häufige Dünste in die Höhe steigen, das beweisen unter andern die an solchen Orten gewöhnlichen Lufterscheinungen, z.E. das dumme Feuer oder Irrwisch. Und daß dergleichen ganz subtile Dünste, die nicht alle Menschen oder Tiere, sondern nur diese und jene ganz besonders empfinden können...“
Das schrieb Amtsarzt Dr. Ludwig Gottfried Klein im Jahre 1754 in seinem Buch über die Odenwälder "...statt des Confekts fressen sie eine gute Portion Kartoffeln...

Die berühmte Krankenschwester (1820-1910) wirkte in England. Würde sie heute leben, dann würde sie nicht nur impfen und Covid-Erkrankte im Notfallbett pflegen, sondern sie würde eine knallharte Statistik führen: wer infiziert sich wie und wo, worauf lassen sich schwere Verläufe zurückführen, an welcher Stelle kann der Infektionsweg unterbunden werden.

Wie man als Homosexueller im 20. Jahrhundert lebte: Darmstadt unter dem rosa Winkel

Man sollte meinen, daß mit dem Kriegsende 1945, mit dem Ende der Nazigewaltherrschaft, auch die NS-Gerichtsbarkeit außer Kraft gesetzt wurde. Die Aliierten übernahmen alle Funktionen und strukturierten Behörden und staatliche Einrichtungen neu.
Einige Paragraphen aus der alten Gesetzgebung wurden jedoch noch für lange Zeit weiter angewendet. Wer aufgrund des Paragrafen 175 in Haft war, blieb es weiterhin. Die Nationalsozialisten hatten ein perfides Mittel, um wehrfähige Männer von Straftaten abzuschrecken, die auf diese Weise von der Front ins Gefängnis wollten: sie wurden zwar in Haft verwahrt, ihre eigentliche Strafe war jedoch erst nach Kriegsende abzubüßen.

Seit Herbst 2020 besucht Katharina Schuch den Fachwartkurs des Fördervereins Odenwälder Apfel e.V., durch die Pandemie hat sich alles etwas nach hinten verschoben. Ursprünglich war der Beginn der Ausbildung in zehn Blöcken für Februar 2020 geplant und sollte im Spätherbst 2020 enden. Nun wird es in diesem Jahr noch einen letzten Unterrichtsblock geben, bevor der Abschluß mit Zertifikat stattfinden kann. Marieta Hiller sprach mit der frischgebackenen Fachwartin, die von Kindesbeinen an mit Streuobstwiesen zu tun hatte.

Als man fürstlicherseits noch in die Sommerfrische reiste, anstatt eine "Spritztour" oder einen Ausflug in die Natur zu machen, gab es in den Wäldern um uns herum zahlreiche Plätze, die heute fast unbekannt sind.
Um die vorletzte Jahrhundertwende entstanden diese Orte der Lustbarkeit für Adelsangehörige: Jennis Höhe bei Breitenwiesen, die Elisabethenruhe und die Ferdinandenhöhe bei Reichenbach zum Beispiel.

Lange nachdem laut Schöpfungsbericht das "Es werde Licht" erscholl, lernten die Menschen ihre Wohnhöhlen und später Häuser zu erleuchten. Brennende Holzspäne, Öllampen, Kerzen sorgten ordentlich für Feinstaub.

Um 1860 gab es Petroleumlampen mit Öl aus Rumänien. 1866 erfand Werner v. Siemens die Dynamomaschine, damit konnte elektrischer Strom erzeugt werden. Thomas A. Edison (und andere!) erfand dazu 1879 die Glühbirne, die ersten Hochspannungsleitungen wurden 1882 gebaut. 1891 gelang die erste Drehstromübertragung durch den Odenwald: von Lauffen am Neckar bis Frankfurt durch Eberbach entlang der Odenwaldbahn bis Hanau.

Vom antiken Lärmfeuer bis zu 5G: Fernübertragung von Information zu zivilen und militärischen Zwecken

Wer wichtige Information schnell und zuverlässig über weite Entfernungen übermitteln kann, hat den Fortschritt in der Hand. Wer nur auf reitende Boten zurückgreifen kann, schafft eine Informationsweitergabe mit maximal 300 km pro Tag (mit mehreren Pferdewechseln). Wer heutzutage einen Brief mit der Post verschickt, bekommt ihn mit etwas Pech vier Wochen später als unzustellbar zurück - und das obwohl die Adresse korrekt war. "Meine Herren, diese 28.000 Landbriefträger machen täglich einen Kreislauf von 560.000 Kilometern - das ist vierzehnmal der Umfang der Erde!" Ausspruch von Ernst Heinrich Wilhelm Stephan 1896 zur Leistung der Briefträger. Stephan (1831-1897) war u.a. deutscher Generalpostdirektor des Deutschen Reiches.